Herford

Zwei Jahre Bauzeit: So ist die neue Markthalle in Herford entstanden

Teurer ist die Renovierung geworden und länger hat sie auch gedauert. Wir blicken zurück auf den Weg von der Idee bis zur Bauabnahme.

Die Markthalle wird am 31. August für alle Besucher eröffnet. Doch bis zu diesem Punkt war es ein langer Weg. | © Angelina Kuhlmann

Angelina Kuhlmann
30.08.2019 | 30.08.2019, 12:57

Die 100 Jahre alte Markthalle muss grundlegend saniert werden. Im alten Zustand ist sie nicht mehr rentabel. Die Stadt Herford nutzt das 2015 für einen kompletten Neustart und lässt die alte Halle nach einem neuen Konzept renovieren. Mit dieser Idee streicht sie Fördermittel in Millionenhöhe ein und schafft einen modernen Stadtmittelpunkt.

Für Herfords Bürgermeister Tim Kähler ist die Instandsetzung des ehrwürdigen Gebäudes Teil des Mammutprojekts "Herford 2020”, das nicht nur die Renovierung der Markthalle beinhaltet. Noch am Anfang seiner Amtszeit spricht das Herforder Stadtoberhaupt davon, dass er von der "schönsten Innenstadt in ganz OWL” träumt. Mit der Fertigstellung der Markthalle ist ein weiterer Schritt in diese Richtung getan.

Nach einigen Unwägbarkeiten, Verzögerungen und auch Streit steht die Markthalle Herford jetzt vor der Eröffnung. Bis dahin war es nicht immer ein leichter Weg. Nicht für das Stadtmarketing und auch nicht für die Händler des traditionellen Wochenmarktes.

Herford ohne Wochenmarkt? Das gab's noch nie!

Der feste Wochenmarkt gehört schon seit fast 200 Jahren zum Herforder Stadtleben. Regelmäßig findet seit 1838 ein Markt statt - erst auf dem Alten Markt, dann auf dem ehemaligen Abteigelände, seit 1913 in der gebauten Markthalle. Dort bleibt dann der feste Standort des Marktes. Fast 100 Jahre lang. Bis sich die Sanierung nicht mehr länger aufschieben lässt.

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Das Marktleben im historischen Herford

Doch Veränderungen an dem historischen Gebäude darf die Stadt erst ab 2015 vornehmen. Es gebe eine Frist, erklärte Pro-Herford-Chef Frank Hölscher damals, innerhalb derer keine Veränderungen möglich sind. Grund sei ein Zuschuss des Landes, der Umbauten ausschließt. Ideen für ein neues Konzept gibt es da aber schon genug und eine erste vorsichtige Kostenschätzung: Zwei Millionen Euro würde die Renovierung laut Pro Herford kosten.

Mit seinem Projekt "Herford 2020" macht Bürgermeister Tim Kähler 2015 nach Fristende den Weg frei für eine Erneuerung der altehrwürdigen Halle. Im November gibt Wirtschaftsförderer und Projektleiter Dieter Wulfmeyer Einblick in das neue Konzept: "Es beinhaltet vor allem einen Frischemarkt mit regionalen Produkten mit fest installierten Ständen, der drei Tage in der Woche geöffnet ist." Angebote wie das legendäre Public Viewing und das Oktoberfest werden nach der Renovierung jedoch keinen Platz mehr in der Markthalle finden.

Im Dezember gibt es dann den offiziellen Startschuss: Die Stadt Herford hat eine Genehmigung für den "vorzeitigen Maßnahmenbeginn" bekommen. Und auch Fördermittel vom Bund hat das Herforder Großprojekt sicher. Insgesamt sind 4,8 Millionen Euro eingeplant. 3,2 Millionen erhält die Stadt aus Bundesmitteln. Baubeginn ist im Herbst 2016, vorher werden noch ein letztes Mal die Spiele der Fußball-EM auf Großleinwand gezeigt. Bei einem Aktionstag für interessierte Bürger im Mai 2015 ist sich Bürgermeister Kähler sicher: "2020 ist alles fertig".

Wie soll die neue Markthalle aussehen?

Um dorthin zu kommen muss der Herforder Stadtrat sich aber endgültig auf eins der drei Konzepte entscheiden, die eine beratende Firma aus Berlin vorgelegt hat, um der Markthalle ein neues Gesicht zu geben. Die Ideen gehen von einer "KleinenNutzung" mit drei Markttagen bis hin zu einer "Großen Nutzung" mit sechs Tagen und wechselnden Themenmärkten.

Am"Schicksalstag" vor den Sommerferien 2016 entscheidet sich der Rat für eine grundlegende Neugestaltung und eine gemäßigte Nutzung der Markthalle. Heißt: Neue gastronomische Angebote im Innern plus ein Außenmarkt, ein Komplettumbau, Bierinsel, Showküche, erst einmal nur drei Markttage, Barrierefreiheit und eine Empore mit vielen Sitzgelegenheiten.

Die Stände des Wochenmarktes sollen für die Dauer der Umbaumaßnahmen nicht geschlossen werden. Sie werden ins Freie verlegt, wo ohnehin ein Großteil der Händler seine Waren anbietet. Wer dagegen vollständig weichen muss, ist der Gehörlosenverein. Seit über 30 Jahren nutzt er 100 Quadratmeter unter der Markthalle. Jetzt wird die Markthalle umgebaut und die Kellerräume werden künftig als Lagerfläche benötigt. Dieter Wulfmeyer: "Die Politik sucht bereits nach Alternativen, die sie dem Verein anbieten kann, konkrete Räume sind aber nicht im Gespräch."

Dann gibt es doch noch eine Änderung im Zeitplan: Der Umbau der Markthalle soll nun doch erst im Herbst 2017 beginnen, anstatt im November 2016. Der Grund dafür: Das engagierte Architektenbüro aus Essen will laut Wirtschaftsförderer Dieter Wulfmeyer erst alle "Fachplanungen erledigen". Trotzdem soll wohl schon im Sommer 2018 alles fertig sein. Denn die 3,2 Millionen Euro Förderung vom Bund sind an zeitliche Fristen gebunden.

Der Wochenmarkt muss für den Umbau ausziehen

Für die Händler ist das erst mal nicht schlimm: Der allerletzte Markttag ist dann erst der 13. Mai 2017 anstatt schon Ende 2016. Von diesem Tag an ziehen die Händler in einen reinen Außenmarkt auf der Rathausparkplätzhälfte um. Der zieht sich vom östlichen Teil der Rathausplatzes bis hin zur Fahrgasse vor der Münsterkirche. Nach dem letztem Markttag wird die Halle entrümpelt und der technische Rückbau beginnt. Für einige Beschicker bedeutet der Auszug aus der 100 Jahre alten Markthalle aber auch das Ende: So wie für Ingrid Pupkesund das Ehepaar Maring.

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Zwei Jahre Umbau: Einblicke in den Arbeitsalltag an der Markthalle

Im Juni 2017 legt sich der erste dicke Stolperstein in den Weg der Bauarbeiten: Der Westflügel mit dem Querriegel der Kleinen Markthalle sackt auf einer Länge von bis zu 30 Metern ab. "Das liegt wahrscheinlich daran, dass in diesem Bereich etliche Kabeltrassen und Leitungen verlaufen, die dem Fundament die nötige Stabilität genommen haben.

Der Boden ist einfach nicht so dicht wie er sein muss, also sind sogenannte Nachgründungen erforderlich", erklärt Wirtschaftsförderer Dieter Wulfmeyer. Ein Spezialunternehmen muss sogenannte Unterfangungen in das Erdreich einbringen, um die Außenmauern zu unterstützen.

Im Herbst 2017 rutsch der Eröffnungstermin dann doch ins Jahr 2019. Anders als geplant, will Projektleiter Wulfmeyer erst Ende 2018 die renovierte Markthalle abnehmen, damit Anfang 2019 die Händler einziehen können. Zunächst war von einer Fertigstellung im Sommer 2018 die Rede.

Es kommt zum Streit zwischen Management und Händlern

Im Folgejahr werden dann die neuen Pläne zu den Öffnungszeiten der Stände der Markthalle bekannt: Der Betrieb soll in die drei Kategorien "Wochenmarktstand mit reinem Warenangebot" (7 bis 14 Uhr am Dienstag, Donnerstag, Freitag und Samstag),"Wochenmarktstand mit erweiterten Öffnungszeiten" (bis 19 Uhr) und "Standbetrieb mit Direktverzehrangeboten, gastronomischen Angeboten und Manufakturen" (von 7 bis 19 Uhr) unterschieden. Das ist nicht für alle potenziellen Mieter ideal. Und auch sonst ist das Interesse der Markthändler an einem klassischen Stand in der Markthalle mau.

Zwölf Stände muss die Stadt Herford in der Halle besetzen. Doch viele Händler, die für die Umbauzeit ins Freie gegangen sind, möchten auf dem Platz bleiben. Vor allem die längeren Öffnungszeiten bis 19 Uhr stoßen bei ihnen noch auf Zurückhaltung.

Und auch auf der Baustelle treten langsam immer mehr Probleme auf. Im Juni 2018 liegen die Bauarbeiten zwar immer noch im Zeitplan, aber für die Ausschreibung der Putzarbeiten und der Trockenbauarbeiten gibt es kaum Angebote. Dazu kommt: Im Zuge der Bauarbeiten ist festgestellt worden, dass die Grundstücks- und Gebäudeentwässerung marode ist. Nach den Untersuchungen sind Zuleitungen zum Kanal brüchig und teilweise bereits eingefallen. Darüber hinaus ist ein Zugangsschacht vor dem Eingang im Westflügel brüchig. All das muss nun instand gesetzt werden - und der Außenmarkt muss bis zum 10. Juli auf den Gänsemarkt umziehen.

Derweil herrscht zwischen Wochenmarkthändlern und Projektleitung mittlerweile dicke Luft. Pro Herford legt in einem Bericht unmissverständlich die Priorität auf die „Bestückung der Halle mit einem breiten, hochwertigen Warensortiment" – weshalb vor der Tür nur ergänzend Waren angeboten werden sollen, für die „in der Halle keine Präsentationsmöglichkeit gegeben" ist. Die Händler folgern daraus: „Wenn es keinen Gemüsehändler in der Halle gibt, wird auch keiner auf dem Außenmarkt zugelassen". Auch die angegebenen Öffnungszeiten des Marktes stoßen bei den Wochenmarkthändlern auf Widerstand. Diese wurden im Vergleich zu den noch in einem Informationsblatt veröffentlichten Zeiten um eine Stunde auf 15 Uhr verlängert.

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Im Dezember 2018 gibt's dann aber die Einigung. "Man hat unsere Kritik gehört, wir haben uns an einen Tisch gesetzt und alle Probleme aus dem Weg geräumt", sagt Marktsprecher Nils Thenhaus. Für die Händler ändert sich nun nicht viel. Sie werden wie gehabt Dienstag, Donnerstag und Samstag in und vor der Halle öffnen - mit um je eine Stunde verlängerter Zeitspanne von 7 bis 14 Uhr. Die Händler des Außenbereichs sind nicht verpflichtet, an jedem Markttag zu erscheinen. Einen offiziellen Eröffnungstermin gibt es auch: den 11. Mai 2019, der Tag der Städtebauförderung.

Plötzlich wird es teurer und es dauert länger

Doch im März des Eröffnungsjahres 2019 gibt es dann die Hiobsbotschaft: Der Termin muss verschoben werden - und deutlich teurer wird's auch. Die schwierige Suche nach Handwerkern, einige Probleme in der Arbeit mit der alten Bausubstanz, ein durchhängendes Dach und große Dachfenster für Tageslicht hätten nicht einkalkuliert werden können, so Wirtschaftsförderer Dieter Wulfmeyer. 800.000 Euro mehr kostet der Umbau, neuer Eröffnungstermin soll der 31. August sein.

Hinzukommt, dass Markthallen-Managerin Silke Mittmann dann drei Monate vor dem neuen Termin kündigt. Das sei keine leicht verdauliche Botschaft gewesen, sagt der Geschäftsführer der Markthallen-Betreibergesellschaft Pro Herford, Frank Hölscher. Anfang August ist aber auch diese Stelle wieder besetzt. Stefan Tillmann, vorher Leiter des Veranstaltungsbereichs der Pro Herford will trotz junger Jahre die Verantwortung schultern und "die Begeisterung am Leben erhalten".

Indes sind kurz vor der Inbetriebnahme 90 Prozent der Standflächen belegt. Und Bürgermeister Kählerverspricht mehr Nachhaltigkeiten in der Markthalle: "Wir setzen auf wenig Verpackung und servieren das Essen auf Porzellan."Der Verzicht auf Einweg-Teller hat auch einen sozialpolitischen Aspekt. Der Bürgermeister möchte Langzeitarbeitslose in der Logistik der Markthalle zu Tariflöhnen einsetzen, etwa um benutztes Geschirr und Besteck der Spülküche zuzuführen.

Doch außerhalb der Markthalle kommt es noch mal zu Diskussionen. Das Reichsabtei-Denkmal an der Elisabethstraße wird abgebaut, um Platz für ein im Boden eingelassenes Müllentsorgungssystem zu schaffen. Das stößt vielen Herfordern sauer auf und sorgt dafür, dass die Politik anfängt nach einem alternativen Standort zu suchen.

Mitte August gibt es dann den langersehnten ersten Einblick in die fast fertige Markthalle. Wie wurde das millionen Projekt umgesetzt? Wird bei der Bauabnahme am 21. August alles glatt laufen? Den wohl größten Wandel hat wohl der Bereich erfahren, in dem vor wenigen Jahren noch die Frischfleischtheke stand: Hier ist ein heller holzvertäfelter Veranstaltungssaal entstanden, in dem zukünftig unter anderem auch standesamtlich geheiratet werden kann. Als Entree dient dann die neue Tourist-Information.

Bei der Abnahme läuft am Ende alles gut. Nur Kleinigkeiten wie einige Bescheinigungen, TÜV-Siegel und Pläne für Flucht- und Rettungswege muss das Projektteam noch nachliefern. Nach zwei Jahren Bauzeit, über fünf Millionen Euro Kosten, vielen Diskussionen und Stolpersteinen steht der Eröffnung am 31. August tatsächlich nichts mehr im Weg. Ob sich das alles gelohnt hat, das müssen die Besucher und auch Händler am Wochenende und den darauffolgenden Wochen selbst entscheiden. Im Projekt Herford 2020 ist damit jedenfalls einen weiteren Punkt abgeschlossen.