Paderborn

Wie man Antisemitismus begegnet - Paderborn gedenkt Pogromnacht

Pogromnacht: Bei einer Gedenkfeier an der Alten Synagoge wird der ermordeten Paderborner Juden gedacht. Rund 200 Anwesende entzünden Kerzen

Auch der Paderborner Bundestagsabgeordnete Carsten Linnemann entzündete eine Kerze am Mahnmal. | © Dietmar Gröbing

Dietmar Gröbing
10.11.2019 | 10.11.2019, 11:51

Paderborn. Vor 81 Jahren ereignete sich die Reichspogromnacht. Zahlreiche jüdische Einrichtungen, darunter auch Paderborner Institutionen, wurden von den Nationalsozialisten zerstört beziehungsweise in Brand gesetzt. Bei den landesweiten Übergriffen handelte es sich um vom Nazi-Regime organisierte und gelenkte Gewaltmaßnahmen. Die Pogrome markierten den Übergang von der Diskriminierung der deutschen Juden zu ihrer systematischen Verfolgung, die drei Jahre später in den Holocaust mündete.

Als Erinnerung an die Vorgänge und gleichzeitige Mahnung vor Wiederholung veranstalteten die Stadt Paderborn und die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit eine Gedenkfeier. Ort der Zusammenkunft war das Mahnmal an der Alten Synagoge (Am Bogen). Hier fanden sich am Samstagabend rund 200 Interessierte ein. Sie lauschten zunächst der Ansprache von Monika Schrader-Bewermeier.

Vorurteile, Klischees und Engstirnigkeit hinterfragen

Die Vorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit warf angesichts zunehmender antisemitischer Übergriffe zahlreiche Fragen auf, hielt sich mit vorschnellen Antworten aber klugerweise zurück. Auch der wenige Wochen zurückliegende Anschlag in Halle ließ Schrader-Bewermeier ebenso wie etliche Anwesende fragend zurück.

Hinterfragt Verschwörungstheorien: Ingo Grabowsky spricht im Schatten des illuminierten Mahnmals zu den Anwesenden. - © Dietmar Gröbing
Hinterfragt Verschwörungstheorien: Ingo Grabowsky spricht im Schatten des illuminierten Mahnmals zu den Anwesenden. | © Dietmar Gröbing

Als Maßnahme gegen Fremdenhass und Judenfeindlichkeit empfahl Schrader-Bewermeier eine intellektuelle Offensive. „Selber denken, reflektieren und kritisch hinterfragen", seien notwendige Schritte gegen Vorurteile, Klischees und Engstirnigkeit. So sei es zwingend notwendig, Widerstand zu leisten, denn „nur eine wehrhafte Demokratie kann überleben".

Bürgermeister Michael Dreier ordnete die Reichspogromnacht als „düsteres, zutiefst bedrückendes Ereignis" ein. Die daraus resultierende Geschichte dürfe „nicht in Vergessenheit geraten". Um einer Wiederholung der Historie entgegen zu wirken, brauche es „präventives Handeln in Form von Bildung und gegenseitigem Lernen".

Namen der Opfer in der Stille

Ingo Grabowsky, Leiter des Dalheimer Klosters, thematisierte Verschwörungstheorien, denen sich Juden seit Jahrtausenden ausgesetzt sehen. So diene das jüdische Volk angeblich dem Teufel, um unter seiner Führung nach der Weltherrschaft zu streben. Die Hebel der Macht bedient man, indem Regierungen, Banken und Global Player systematisch von jüdischen Strippenziehern unterwandert werden.

Wider das Vergessen: Zahlreiche Menschen platzieren brennende Kerzen vor dem Mahnmal an der Alten Synagoge. - © Dietmar Gröbing
Wider das Vergessen: Zahlreiche Menschen platzieren brennende Kerzen vor dem Mahnmal an der Alten Synagoge. | © Dietmar Gröbing

Bevor zahlreiche Bürgerinnen und Bürger brennende Kerzen vor dem Mahnmal platzierten, war es an Alexander Kogan, die Geschehnisse von Auschwitz zu rekapitulieren. Der Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde in Paderborn verlas den Tagebucheintrag einer Überlebenden. Es schloss sich das Gebet „El male Rachamim" an.

Den musikalischen Rahmen der Veranstaltung setzte René Madrid, der sein Akkordeon bei drei Stücken zum Einsatz brachte. Ihre Stimmen brachten hingegen vier Schülerinnen des Gymnasiums Schloß Neuhaus ein. Um die ermordeten Paderborner Jüdinnen und Juden der Anonymität zu entreißen, verlasen sie deren Namen. Laut und für jeden hörbar. Eine Aktion, bei der es ganz leise wurde.