Gedenken an die Opfer der Reichspogromnacht in Paderborn

Paderborn. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 ging das nationalsozialistische Regime gewalttätig gegen Juden in ganz Deutschland vor – so auch in Paderborn. Am Nachmittag des 10. November zündete ein von den Nazis bestellter Dachdecker die jüdische Synagoge an. Anlässlich des Jahrestags und zur Erinnerung an diese Gräueltaten hatten die Stadt Paderborn und die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) Paderborn alle Bürgerinnen und Bürger zu einer Gedenkstunde am Platz &bdquo;An der Alten Synagoge“ eingeladen. An der Veranstaltung am illuminierten Mahnmal für die ermordeten Paderborner Bürger und Bürgerinnen jüdischen Glaubens nahmen rund 350 Menschen teil. In ihrem Grußwort zeichnete die katholische Vorsitzende der GCJZ Monika Schrader-Bewermeier die Geschichte der Paderborner Synagoge nach. 1882 sei mit ihrer Einweihung ein Traum in Erfüllung gegangen. Schon 56 Jahre später sei die Synagoge als &bdquo;Schandfleck der Straße“ beschimpft worden. Das einstige Symbol der Hoffnung brannte am 10. November 1938 ab. Die Folge der unvorstellbaren Diskriminierungen und Verfolgungen bis hin zur Planung der endgültigen Vernichtung der Juden in Deutschland habe auch in Paderborn zu mehrfachen Deportationen in die Vernichtungslager und 112 ermordeten Paderbornerinnen und Paderbornern geführt. Schrader-Bewermeier erinnerte auch an den Überfall der Hamas auf Israel: &bdquo;Seit dem 7. Oktober 2023 leben die Juden erneut in einem Trauma der ständigen Bedrohung.“ Zwar suche die Politik nach Lösungen, aber es komme auf jeden Einzelnen an. Die Rednerin hofft auf eine lernfähige Gesellschaft, die die Würde des Menschen in respektvollen Diskussionen in den Mittelpunkt stellt. Synagoge wurde 1938 in Brand gesetzt Für Bürgermeister Michael Dreier stellt der 9. November 1938 eine &bdquo;grausame Nacht“ dar, in der auch in Paderborn unbeschreibliches menschenverachtendes Unrecht begangen worden sei. Er bezeichnete den 9. November als &bdquo;Wendepunkt in der Geschichte Deutschlands, gar der gesamten Menschheit“, da hier die Grundpfeiler der Menschlichkeit zerschlagen wurden und Hass und Intoleranz Oberhand gewonnen hätten. Dreier appellierte an die Bürgerinnen und Bürger, die Werte der Toleranz und Humanität zu verteidigen und mit offenen Augen und Ohren wachsam zu sein: &bdquo;Jeder kann und muss einen Beitrag leisten für Frieden und Freundschaft.“ Auch wenn man die NS-Zeit nicht mehr miterlebt habe und daher nicht für schuldig angesehen werden könne, trage jeder die Verantwortung für den Umgang gegen das Vergessen. Der Bürgermeister sei stolz auf das friedliche Zusammenleben von Menschen aus 140 Nationen in Paderborn und auf den stetigen Dialog zwischen den Religionen. Die Gedenkrede hielt Wilhelm Grabe, Leiter des Stadt- und Kreisarchivs Paderborn. Sein Vortrag beschäftigte sich mit der phasenweisen Entwicklung der Erinnerungskultur. Grabe zeigte auf, wie diese in Paderborn nur sehr zögerlich begonnen habe. Nach 1945 hätte die Einwohnerschaft kaum einen Gedanken an die Naziverbrechen an Menschen jüdischen Glaubens gehabt. Man habe zunächst der Kriegsgefallenen und Bombenopfer gedacht. Auch seien viele Jüdinnen und Juden ausgewandert, daher geriet die Beschäftigung mit ihren Schicksalen aus dem Blickfeld. Erschaffung des Mahnmals &bdquo;Am Platz der alten Synagoge“ in Paderborn Erst 1953 seien zumindest Ermittlungen gegen die Täter des 9. November 1938 eingeleitet worden. Von den 36 Tätern seien aber nur zwei verurteilt worden. 1959 sei mit der Eröffnung der neuen Synagoge immerhin ein erster Schritt zur Wiederbelebung des jüdischen Lebens in Paderborn gemacht worden. Erste Forschungsvorhaben zum Thema sowie die Verleihung des Kulturpreises an die deutsch-israelische Schriftstellerin Jenny Aloni 1967 markierten den allmählichen Prozessbeginn der Bewusstseinsmachung. Dennoch fand dieser immer noch meist im privaten und kirchlichen Bereich statt, so Grabe. Im Jahr 1987 begann mit der Gründung der GCJZ die systematisierte Beschäftigung mit diesem Kapitel der Geschichte. Die jährliche Gedenkstunde am 9. November, die Erschaffung des Mahnmals &bdquo;Am Platz der alten Synagoge“, ein neuer Gedenkstein für Jenny Aloni, die Benennung von neun Paderborner Straßen nach jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern sowie vor Kurzem das Anbringen einer Gedenktafel am Haus Grünebaum spiegele den Wandel der Gedenkkultur in Paderborn wider. Grabe rief abschließend dazu auf, nicht nur diese ritualisierten &bdquo;Stolpersteine“ wahrzunehmen, sondern dauerhaft dieses Geschichtskapitels zu gedenken. Die Gedenkkultur solle aber auch die Schicksale weiterer Verfolgter des Naziregimes wie Sinti und Roma, Homosexuelle, kirchliche und politische Widerständler sowie die Opfer der Euthanasie berücksichtigen; hier seien noch etliche Forschungslücken zu füllen. Die Namen der ermordeten jüdischen Paderborner Mitbürgerinnen und Mitbürger lasen Schülerinnen und Schüler der Heinz-Nixdorf-Gesamtschule vor. Die feierliche Kranzniederlegung begleiteten die Vertreter der Stadt und der GCJZ. Xenia Nickel, unter anderem Vorsitzende der jüdischen Gemeinde sprach zwei Gebete. Immer informiert bleiben: Erhalten Sie hier die aktuellen News der NW Paderborn jetzt per WhatsApp!

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