
Kreis Höxter. Der deutschen Wirtschaft fehlt es in vielen Berufsfeldern an qualifizierten Bewerbern. Wie sehr der Kreis Höxter vom Fachkräftemangel betroffen ist, hat nw.de mit Blick auf verschiedene Bereiche zusammengetragen.
In der Höxteraner Stadtverwaltung gebe es keine ernsthaften Probleme, offene Stellen zu besetzen, sagt Pressesprecher Sebastian Vogt. Für insgesamt fünf Stellen laufen derzeit entsprechende Verfahren. "Nur bei einem Ausbildungsplatz für Fachangestellte für Bäderbetriebe werden interessierte Bewerber noch gerne gesehen." Insgesamt sei aber festzustellen, dass nicht die Qualität sondern die Zahl der Bewerbungen abgenommen habe. Das führt die Stadtverwaltung auf attraktive Angebote in der freien Wirtschaft zurück. Dort gebe es bei Gehältern und Zusatzleistungen mehr Spielraum als im öffentlichen Dienst.
Teilweise fehlen den Städten die Fachkräfte
Um auch in Zukunft den Bedarf an Fachkräften zu decken, bilde die Stadt Höxter selber Nachwuchskräfte aus. Die derzeit elf Auszubildenden in verschiedenen Bereichen vom mittleren und gehobenen Dienst bis zum Notfallsanitäter können fast alle übernommen werden, so Vogt. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das zum 1. März in Kraft treten soll und Fachkräften aus Drittstaaten den Eintritt in den deutschen Arbeitsmarkt erleichtern soll, werde aus Sicht der Stadt Höxter wenig Auswirkungen auf den öffentlichen Dienst haben.
Auch in der Stadt Brakel mit ihren 173 Mitarbeitern beobachten die Verantwortlichen eine geringe Zahl an Bewerbungen. Wie Ralf Stuwe aus der Personalabteilung erklärt, bestehe ein Fachkräftemangel vor allem im Bereich der Kindertageseinrichtungen. Dort fehle es derzeit an zwei Erzieherinnen. Entsprechende Stellenausschreibungen liefen seit August. Auch in Brakel setze man auf eigene Ausbildungsmaßnahmen.
Übernahmeqoute bei hundert Prozent
"Das Thema Fachkräftemangel ist latent vorhanden und wird immer mal wieder diskutiert", sagt Hans Hermann Bluhm, Bürgermeister der Stadt Willebadessen. Dort würden auf 83 Stellen 94 Menschen in Teil- oder Vollzeit beschäftigt - vom Wasserwerker über Mitarbeiter in der Verwaltung oder im Familienzentrum. Derzeit seien zwei Stellen frei, die aber Anfang Februar neu besetzt würden. Bei der Stadt Willebadessen wirke man den Auswirkungen des Fachkräftemangels bereits seit Jahren durch eigene Ausbildung entgegen. "Wir haben zurzeit drei Auszubildende. Die Übernahmequote lag in den vergangenen 15 Jahren bei 100 Prozent." Außerdem sei die Stadt darum bemüht, ein "gutes und nach außen bekanntes Betriebsklima" zu schaffen. So trage die Stadt das Gütesiegel "Familienfreundliches Unternehmen".
Bluhm begrüßt, dass das Fachkräfteeinwanderunsgesetz auf den Weg gebracht wurde. "Eine Schwierigkeit wird aber das unbedingt erforderliche Erlenen der Sprache sein", befürchtet der Verwaltungschef.
Harter Wettbewerb um Pflegekräfte
Weil in Deutschland insgesamt rund 80.000 Pflegekräfte fehlten, finde unter den Kliniken ein Wettlauf um Pflegepersonal statt - in manchen Regionen sei sogar ein kannibalisierender Abwerbe-Effekt zu beobachten, schildert Antje Kiewitt, Pressesprecherin der Gräflichen Unternehmensgruppe in Bad Driburg mit rund 1.500 Mitarbeitern und vier Rehabilitationseinrichtungen. Denen erlaube das Gesetz nicht, eigenes Pflegepersonal auszubilden.
"Zudem tun sich die Ämter mit der Anerkennung von ausländischen Abschlüssen noch schwer und die Bearbeitung der entsprechenden Anträge ist ein langwieriger Prozess", so Kiewitt. "Bei der Mitarbeitergewinnung setzt das Unternehmen auf Personalmarketingkampagnen und ist im Zuge dessen seit Ende 2019 mit einer eigenen Karriereseite online." Außerdem könnte die Situation entschärft werden, wenn der Gesetzgeber den Rehakliniken die Ausbildung von Pflegekräften erlauben würde. Dies dürften derzeit nur die Krankenhäuser.
KHWE reduziert Zahl der Intensiv-Betten
In der Krankenhäusern der Katholischen Hospitalvereinigung Weser-Egge (KHWE) versuche man dem Fachkräftemangel durch den eigenen Ausbildungsbetrieb entgegenzusteuern. Wie Geschäftsführer Christian Jostes erklärt, sei nicht nur mehr der ärztliche Bereich und die Gruppe der Medizinisch Technischen Assistenten vom Fachkräftemangel betroffen. Es fehle auch an examinierten Pflegekräften. Als Reaktion auf die Mangelsituation habe die Zahl der intensiv-medizinischen Betten reduziert werden müssen. "Jeden Tag müssen wir neu agieren."
Zusäztliche Probleme im Bereich der Pflege bereiteten gesetzlich geforderte Mindestbesetzungen. Mittlerweile müsse an jedem Tag ausgewertet werden, ob die Belegschaft an diesem Tag ausgereicht hat. Doch bei einkommenden Notfällen oder Krankheitsfällen im Personal liege schnell ein Verstoß gegen die pflegerische Untergrenze vor. Zwar stimme prinzipiell die Stoßrichtung, in den Krankenhäusern für eine "auskömmliche pflegerische Besetzung" sorgen zu wollen. Doch Zahl und Qualität der Bewerber nehme ab.
Von der Politik fordert Jostes, den Pflegeberuf in ein besseres Licht zu rücken. Denn über Jahre sei die Pflege von der Politik schlecht geredet worden - vor allem wegen der vermeintlich schlechten Bezahlung und unvorteilhafter Arbeitszeiten. "Dabei ist die Arbeit sinnstiftend und erhält eine gute tarifliche Vergütung." Außerdem sollte den Pflegekräften mehr Zeit verschafft werden, sich um pflegerische Arbeiten zu kümmern - anstatt um Bürokratie und die Überprüfung von Lagerbeständen. "Von der Politik wünschen wir uns mehr Unterstützung und dass keine Vorgaben gemacht werden, die keiner einhalten kann", so Jostes.
Die Industrie versucht den dualen Weg
In Anbetracht der Notsituation werde es nicht zu umgehen sein, auf Kräfte aus dem Ausland zurückzugreifen. Schon jetzt absolvierten junge ausländische Ärzte von der KHWE getragene Sprach- und Kulturausbildungen.
"Wir bemerken den Fachkräftemangel daran, dass weniger Bewerbungen eingehen und sich die Rekrutierungsdauer vergrößert hat", sagt Frank Rinno, Leiter der Personalabteilung beim Zahnriemen-Hersteller Optibelt mit Hauptstandort in Höxter. Mit seinen 950 Mitarbeitern gebe es dort jedoch keine permanenten Freistellen. Um den Firmennachwuchs dual ausbilden zu können, kooperiere Optibelt eng mit verschiedenen Universitäten. Durch Messebesuche, Vorträge und andere Mittel des Personalmarketings werde versucht, "Menschen mit technischem Background mit dem Unternehmen in Verbindung zu bringen."
INFORMATION
Serie: Arbeitswelt im Umbruch
In einer vierteiligen Serie beleuchtet die NW Höxter, welche Veränderungen und Entwicklungen die Arbeitswelt im Kreis beschäftigen. Ob Meisterpflicht, Fachkräftemangel oder Brexit: Zu verschiedenen Themen melden sich lokale Akteure zu Wort und bewerten, welche Konsequenzen die großen politischen Entscheidungen im Kreis Höxter nach sich ziehen.
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