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Pflegenotstand in OWL verschärft sich

Gesundheit: Immer mehr Anbieter in der ambulanten und stationären Pflege müssen Anfragen von Patienten abweisen. Der Fachkräftemangel sorgt in der Region für massive Versorgungsengpässe.

Immer mehr Anbieter in der ambulanten und stationären Pflege müssen Anfragen von Patienten abweisen. | © picture alliance / dpa

Carolin Nieder-Entgelmeier
27.03.2018 | 27.03.2018, 11:07

Paderborn. Auf der Suche nach einem Pflegedienst oder einem Heimplatz ist die Verzweiflung bei Patenten und ihren Angehörigen groß. Die großen Wohlfahrtsverbände in OWL müssen immer mehr Anfragen abweisen. Allein beim Caritasverband mussten die Hälfte der 106 Sozialstationen unter dem Dach der Arbeitsgemeinschaft der katholischen Alten- und Gesundheitshilfe im Erzbistum Paderborn schon Anfragen ablehnen.

Habe man vor fünf Jahren noch um Kunden werben müssen, „müssen wir uns jetzt überlegen: Nach welchen Kriterien sagen wir ab?", sagt der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft, Hartmut Claes. Im Erzbistum gebe es vor allem in der ambulanten Versorgung Engpässe. „Die Verzweiflung am Telefon bedrückt uns." Viele Sozialstationen hätten jedoch keine Möglichkeit, weitere Pflegen anzunehmen, weil sie über ihre Kapazitätsgrenze hinaus belastet seien.

Auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und die Arbeiterwohlfahrt (AWO) in OWL können längst nicht mehr alle Anfragen annehmen. „Derzeit müssen wir so viele Anfragen ablehnen wie noch nie", erklärt die stellvertretende Pflegedienstleiterin beim DRK OWL, Maline Steinke. „Die Zahl der Anfragen nimmt stetig und stark zu, gleichzeitig wird die Suche nach Personal immer schwieriger. Bewerbungen kommen kaum noch und auch die Reaktionen auf Anzeigen sind übersichtlich." Personalmangel führt auch bei der AWO zu Problemen. „Wir müssen Patienten und ihre Angehörigen abweisen, weil in allen Pflegebereichen Fachkräfte fehlen", ergänzt der Pflegedienstleiter in der Kurzzeitpflege im AWO-Zentrum für Pflege und Gesundheit in Bielefeld, Sesko Abazovic.

NRW: Flächendeckende Versorgungsengpässe in der Pflege

Der Fachkräftemangel in der Pflege sorgt nach Angaben des paritätischen Wohlfahrtsverband in ganz NRW zu Versorgungsengpässen. „Die meisten ambulanten Pflegedienste können ihren Touren nicht ausweiten und viele Pflegeheime können keine neuen Bewohner aufnehmen, obwohl noch Betten frei sind", erklärt der Leiter der Fachgruppe „Alter und Pflege", Frank Wübbold. „Das geplante Sofortprogramm der neuen Bundesregierung, das 8.000 zusätzliche Pflegekräfte vor sieht, kann deshalb nur ein Ansatz sein. Das System ist eine Schieflage geraten und muss angepasst werden."

Ein „Weiter so" kommt auch nach Ansicht des Bielefelder Pflegewissenschaftlers Klaus Wingenfeld nicht mehr in Betracht. „Nötig sind neue Ideen, um den Pflegeberuf für mehr Menschen wieder interessant zu machen", fordert Wingenfeld. Ein Weg dorthin sei, aus dem seit 2017 gesetzlich neu definierten Pflegebedürftigkeitsbegriff auch einen neuen Pflegebegriff zu entwickeln. „Die Pflege ist zu verrichtungsorientiert."

INFORMATION


Neuer Bevollmächtigter der Bundesregierung für Pflege

Andreas Westerfellhaus aus Rheda-Wiedenbrück ist seit wenige Tagen Bevollmächtigter der Bundesregierung für Pflege. Gedankenspiele über einen niedriger qualifizierten Berufseinstieg als Lösung für den Fachkräftemangel in der Pflege lehnt er ab. „Pflege kann nicht von Hilfskräften geleistet werden. Fehler können in dem Bereich Leben kosten oder die Qualität von Leben stark verschlechtern."