Notlage in der Pflege: Hunderte Pflegebedürftige werden im Kreis Höxter abgewiesen

Kreis Höxter. Es klingt ziemlich dramatisch, was die Pflegekammer NRW da kürzlich veröffentlicht hat: Sie warnt vor &bdquo;massivem Versorgungsmangel in der Pflege“ - zehn Städte seien dabei besonders betroffen. Eine davon, laut Pflegekammer, ist Höxter. Was ist da los? Die &bdquo;Neue Westfälische“ hat die Sache unter die Lupe genommen. Tatsächlich wird die Pflegekammer in der Schilderung der Lage noch deutlicher: Höxter liege am unteren Ende aller Kommunen im Land, wenn es zukünftig um die Versorgung der Bevölkerung mit Pflegefachpersonen gehe. Sandra Postel, Präsidentin der Pflegekammer NRW, bezeichnet das Ergebnis als &bdquo;erschreckend“. &bdquo;Wir reden hier nicht von einer Entwicklung, die in 20 oder 30 Jahren passieren wird. Es wird schon in den kommenden fünf Jahren so weit sein und liegt unmittelbar vor uns“, betont sie. Die Politik könne das Thema nicht auf andere Legislaturperioden in der Zukunft verschieben. Pflegepersonal in Höxter: Fast 40 Prozent kurz vor der Rente Die Politik sei jetzt gefordert. &bdquo;Viele Städte hätten diese Entwicklung allerdings nicht oder nur unzureichend im Blick, wenn es darum geht, ihre Gesundheitswirtschaft und Pflegeinfrastruktur zu organisieren“, meint Postel. Konkret geht es darum, dass Höxter laut den von der Pflegekammer NRW erhobenen Daten die Stadt mit der zweithöchsten Differenz bei den Pflegefachpersonen zwischen den 19- bis 30-Jährigen (zehn Prozent) und den Pflegenden, die 55 Jahre oder älter (40 Prozent) sind. Jenen also, die bald das Rentenalter erreichen könnten. Lesen Sie auch: Häusliche Pflege in OWL: Experten erklären, was Angehörige wissen müssen Postel dazu: &bdquo;Dass auf 40 Prozent Pflegefachpersonen, die in naher Zukunft in Rente gehen könnten, nur 10 Prozent Berufseinsteiger nachkommen, ist besorgniserregend.“ Gleichzeitig, so die Pflegekammer, sei Höxter in Nordrhein-Westfalen die zweitälteste Stadt. Dass Höxter die zweitälteste Stadt NRWs sei, konnte durch Recherchen der &bdquo;NW“ bei IT NRW nicht bestätigt werden. Daten von &bdquo;Information und Technik NRW“ zeigten, dass die Zahlen der Gesamtbevölkerung der Stadt ähnlich aussehen: In Höxter liege der Anteil der Menschen mit einem Alter von 55 Jahren oder älter bei etwa 42 Prozent. &bdquo;Wer pflegt diese Menschen, wenn sie älter werden?“, fragt die Pflegekammer. Bildungszentrum der KHWE: Jährlich 100 Ausbildungsschüler Isabell Waschkies, Sprecherin der Katholischen Hospitalvereinigung Weser-Egge (KHWE), dem Verbund aus Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen im Kreis Höxter, zeigt sich auf Nachfrage der &bdquo;Neuen Westfälischen“ &bdquo;überrascht über die plakative Veröffentlichung der Pflegekammer NRW zum Fachkräftemangel in Höxter“. Als größter Arbeitgeber und Ausbildungsbetrieb im Kreis mit über 3.000 Mitarbeitern aus 64 Nationen und 120 Berufsgruppen sei sich die KHWE &bdquo;der Herausforderungen des Fachkräftemangels in der Pflege bewusst“. Die KHWE beobachte die Entwicklung seit mehreren Jahren, und sie betreffe nicht nur die Pflege, sondern auch viele andere Bereiche innerhalb und außerhalb des Gesundheitswesens. Eine immens hohe Bedeutung habe für die KHWE das Bildungszentrum Weser-Egge in Brakel. &bdquo;Dort beginnen etwa 100 Schüler pro Jahr ihre Ausbildung.“ Auch interessant: Tagespflege für Senioren: Eine Willebadessener Einrichtung erklärt und berät Das Bildungszentrum arbeite sowohl mit den Seniorenhäusern und den Ambulanten Caritas Pflegestationen der KHWE als auch mit allen Krankenhaus-Standorten in Brakel, Höxter, Bad Driburg und Steinheim zusammen, &bdquo;das heißt mit insgesamt 25 Fachkliniken und Instituten“. Dazu kämen Kooperationen mit Einrichtungen in der Akut- und Langzeitpflege sowie in der ambulanten Pflege aus dem Kreis Höxter und angrenzenden Regionen. Darüber hinaus habe die KHWE, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, &bdquo;bereits vielfältige Aktivitäten unternommen“. Kein Personal: Angehörige müssen Verwandte pflegen Die Präsidentin der Pflegekammer NRW fordert die Kommune Höxter dazu auf, die Zahlen ernst zu nehmen. &bdquo;Wir haben es hier mit ganz realen Entwicklungen zu tun, an denen wenig herumzudeuteln ist“. Mit Blick auf die nahende Personal-Unterversorgung werde dieser Trend zudem dazu führen, dass Arbeitnehmer quer durch alle Branchen künftig immer schwerer eine Pflege für ihre Eltern oder Großeltern organisieren können. &bdquo;Im Endeffekt wird das in vielen Familien dazu führen, dass einer auf Teilzeit geht oder gar ganz zu Hause bleiben muss, um als pflegende oder pflegender Angehörige für seine Verwandten da zu sein“, so Postel. Ist die Lage wirklich so dramatisch? Andreas Fuhrmann, Geschäftsführer von Geschäftsführer von Jung & Alt, einem Verein, der Pflegeangebote in Höxter und etwa Steinheim und Nieheim anbietet, sagt: &bdquo;Erfreulicherweise ist unser Stellenplan zurzeit sehr gut besetzt.“ Frei werdende Stellen habe Jung & Alt in der Vergangenheit immer wieder schnell neu besetzen können. Mehr noch: Die Anzahl der Fachkräfte bei dem ambulanten Pflegedienst, die ausschließlich aus dreijährig qualifizierten Pflegekräften bestehe, &bdquo;befindet sich momentan auf einem Rekordhoch“. 100 Absagen: Pflege im Kreis Höxter vor Überlastung schützen Fuhrmann räumt jedoch ein: &bdquo;Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass wir in 2024 mehr als 100 Anfragen von pflegebedürftigen Menschen absagen mussten. Hierbei handelte es sich um eine Maßnahme, um die Teams vor Überlastung zu schützen.“ Und auch Fuhrmann fürchtet, dass das hohe Alter der Beschäftigten in Pflegeeinrichtungen immer relevanter wird. Lesen Sie auch: Pflegenetzwerk im Kreis Höxter wirbt für landesweite Pflegekammer &bdquo;Da wird es auch in unserem Verein Herausforderungen in der Zukunft geben, da auch unser Altersdurchschnitt recht hoch ist“, sagt er. Bei Jung & Alt werde gerade in den letzten Jahren vermehrt versucht, &bdquo;junge Fachkräfte für unsere Einrichtung zu gewinnen“. Man wisse aber auch, &bdquo;dass jeder Mitarbeiter, der zu uns kommt, in seinem alten Betrieb oft eine Lücke hinterlässt“. Klar sei, dass die Anzahl der Mitarbeiter begrenzt sei. Als einen richtigen Ansatz sieht er das Netzwerk Pflege im Kreis Höxter, &bdquo;da beschäftigen wir uns schon seit Jahren mit den Auswirkungen der Demografie auf die Pflegeeinrichtungen“. Auch die deutlich bessere Bezahlung von Pflegekräften, erzielt durch das Tariftreuegesetz, sind in Fuhrmanns Augen Schritte in die richtige Richtung. Pflege im Kreis Höxter: Gemeinsam Lösungen erarbeiten Waschkies hätte sich für die KHWE &bdquo;von der Pflegekammer NRW gewünscht, neben der Problembenennung auch konkrete Maßnahmen zum Gegensteuern zu präsentieren“. Die Mitteilung lasse jedoch keine klaren Rückschlüsse darauf zu, wie die genannten Ergebnisse zustande gekommen seien und welche Daten dem zugrunde lägen. Sie bietet der Pflegekammer noch abschließend &bdquo;gerne einen intensiven Austausch über die von ihnen ermittelten Daten an“, um gemeinsam &bdquo;an Lösungsansätzen zu arbeiten“.

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