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Millionenbetrug bei Schieder-Möbel: Firmenchef belügt Banken

In der aktuellen Folge von „OstwestFälle“ geht es um einen Finanzskandal bei einem europaweit erfolgreichen Möbelhersteller. Firmengründer Rolf D. muss sich vor Gericht dem Vorwurf des schweren Betrugs stellen.

Der Firmengründer des Möbelherstellers "Schieder" beging schweren Betrug, um sein Unternehmen zu retten. | © Michael Gottschalk, oc/abs

Pauline Maus
13.06.2024 | 14.06.2024, 09:16

Schieder-Schwalenberg. Es ist das Jahr 2007, als etliche Medien über die Pleite des europaweit größten Möbelhersteller „Schieder" berichten. Dem Firmengründer Rolf D. wird besonders schwerer Betrug vorgeworfen. Durch manipulierte Bilanzen soll ein Gesamtschaden von 234 Millionen Euro entstanden sein. Ein Wirtschaftsskandal, dessen Aufklärung die Justiz über Jahre beschäftigt.

In der neuesten Folge von Ostwestfälle, dem True-Crime-Podcast der Neuen Westfälischen, sprechen Birgit Gottwald und ihr Gast, Prof. Dr. Tido Park, Rechtsanwalt für Wirtschaftsangelegenheiten in Dortmund, über den Millionenbetrug bei Schieder-Möbel. Park vertrat den Firmengründer Rolf D. vor Gericht und steht noch heute mit ihm in Kontakt.

Der Betrug bei Schieder-Möbel – Alle Fakten im Überblick

  • Firmengründer Rolf D. soll zusammen mit drei weiteren Managern des Möbelherstellers „Schieder" einen Millionenbetrug begangen haben, um eine Insolvenz abzuwenden.
  • Lagerbestände wurden überbewertet oder falsch erfasst, Banken und Kapitalgeber belogen, Bilanzen manipuliert.
  • 2007 meldet das Unternehmen trotzdem Insolvenz an, daraufhin beginnen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Drei Jahre später werden die Männer angeklagt.
  • Es soll ein Gesamtschaden von 234 Millionen Euro entstanden sein.
  • Der ehemalige „Möbelkönig" Rolf D. und die anderen Angeklagten werden zu Freiheitsstrafen beurteilt.

Größter europäischer Möbelhersteller macht pleite

1964 gründete Rolf D. die Schieder-Möbel Holding GmbH mit Sitz im lippischen Schieder-Schwalenberg. Das Unternehmen produzierte Möbel, auch für andere große Namen in der Branche – darunter etwa „Billy"-Regale für die schwedische Möbelhauskette Ikea. Zu Spitzenzeiten zählte der Möbelhersteller 41 Standorte in Europa und Asien sowie fast 11.000 Mitarbeitern europaweit. Bis das Imperium von Rolf D. 2007 Insolvenz anmeldet und zerschlagen wird.

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Europas umsatzstärkster Möbelhersteller "Schieder" ist 2007 zerschlagen worden. - © Oliver Krato/dpa
Europas umsatzstärkster Möbelhersteller "Schieder" ist 2007 zerschlagen worden. | © Oliver Krato/dpa

Knapp drei Jahre nach der Millionenpleite des einst größten europäischen Möbelherstellers „Schieder" in Ostwestfalen-Lippe erhebt die Staatsanwaltschaft Bielefeld Anklage. Sowohl der „Möbelkönig", als auch drei weitere Manager müssen sich vor Gericht verantworten.

Als das Unternehmen bereits Anfang der 2000er-Jahre in Schieflage gerät, soll Rolf D. zusammen mit anderen, darunter der Buchhalter und sein Nachfolger als Geschäftsführer, auf illegalem Wege „frisches" Geld besorgt haben, um sein Lebenswerk zu retten. Falsche Bilanzen für die Geschäftsjahre 2004 und 2005, Bankentäuschung und Kreditbetrug stehen im Raum. Der Schaden wird auf mindestens 234 Millionen Euro geschätzt.

„Möbelkönig" muss mit über 70 ins Gefängnis

Das Kartenhaus bricht über Rolf D. zusammen. Und vor Gericht wird ihm bewusst, was das bedeutet. Als der Vorsitzende Richter Michael Reineke ihm im Landgericht Detmold unvermittelt eine Haftstrafe in Aussicht stellt und ihn fragt, ob er die Strafe ertragen werde, da muss der damals 72-Jährige schlucken. „Ja", antwortet D. leise. Er hatte zuvor zwar Kenntnis bestimmter Manipulationen eingeräumt, zugleich aber jede Betrugsabsicht abgestritten.

Der Angeklagte Rolf D. mit seinem Verteidiger Prof. Dr. Tido Park. - © Sarah Jonek
Der Angeklagte Rolf D. mit seinem Verteidiger Prof. Dr. Tido Park. | © Sarah Jonek

Im April 2011 wird der Firmengründer wegen Kreditbetruges in dreistelliger Millionenhöhe zu 3 Jahren und sechs Monaten verurteilt. Er muss seine Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bielefeld-Senne absitzen. Die fast sechsmonatige Untersuchungshaft wird ihm angerechnet.

Läuterung im Knast: Rolf D. gibt Häftlingen Englischunterricht

Seine Zeit im Gefängnis nutzt der Senior, um anderen Häftlingen Englischunterricht zu geben. „Er ist sehr engagiert", lautet das damalige Urteil des stellvertretenden JVA-Leiters, Friedhelm Sanker. Zudem arbeitet er während seiner Inhaftierung als Bücherwart in der JVA-Bibliothek – für 11 Euro Lohn am Tag. Eigentlich ist D. zu diesem Zeitpunkt schon Rentner, den Job macht er freiwillig.

Doch es gibt auch Stimmen, die bestimmte Hafterleichterungen kritisch sehen. Beispielsweise ist die Begründung für einen Parkplatz direkt vor der JVA nicht für jeden nachvollziehbar. Im offenen Vollzug dürfen sonst nur Gefangene direkt vor dem Eingang parken, die morgens früh die JVA verlassen und zur Arbeit müssen. D. brauche den Parkplatz, weil er Materialien, etwa eine Zeitung für seinen Englisch- und Italienischunterricht, den er Mitgefangenen gibt, am Bahnhof besorgen müsse, begründet Sanker.

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Bereits nach gut zwei Jahren und vier Monaten darf er die Justizvollzugsanstalt (JVA) Bielefeld-Senne im Juli 2013 nach Verbüßung von zwei Dritteln seiner Strafe vorzeitig wegen guter Führung verlassen.

Erneutes Ermittlungsverfahren wegen „Nicht-Aussage"

Bereits im Februar 2013 wird gegen Rolf D. ein neues Ermittlungsverfahren wegen versuchter Strafvereitelung eingeleitet. Auf Anraten seiner Verteidiger verweigerte er, als Zeuge gegen den angeklagten Ex-Schieder-Finanzchef Heinrich G. auszusagen. Er muss eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 100 Euro bezahlen.