
Bielefeld/Münster. „Niemals geht man so ganz", heißt ein unvergessener Song der rheinischen Schauspielerin Trude Herr. Eine Aussage, die auch für das ostwestfälische Urgestein Theo Windhorst gilt. Als der Bielefelder Chirurg Anfang März 2016 als langjähriger Chefarzt vom Klinikum Bielefeld verabschiedet wurde, ging er nicht so ganz, denn er blieb drei weitere Jahre an der Spitze der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Und an diesem Wochenende verabschiedet die Ärztekammer in Münster ihren langjährigen Präsidenten. Und wieder ahnen wir: Windhorst geht nicht so ganz. Denn es könnte gut sein, dass er sich nach dem Ausscheiden in Münster weiter um eines seiner Steckenpferde kümmert, nämlich die Krankenhaus-Planung in NRW.
Inzwischen ist Windhorst 69 Jahre alt. Fast sein gesamtes Berufsleben lang, nämlich seit 30 Jahren, hat er sich für die Belange seiner Berufskollegen eingesetzt, seit 2005 als ihr höchster Repräsentant in Westfalen-Lippe. Dreimal wählte ihn die Kammerversammlung in Münster zum Präsidenten der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Jetzt macht er Platz für jüngere und kann mehr Zeit mit seiner Familie verbringen. Windhorst, der seit Jahrzehnten in Bielefeld-Brake lebt, ist seit 1984 verheiratet und Vater von drei inzwischen erwachsenen Kindern. Zwei von ihnen sind, wie der Vater, Ärzte geworden.
Unermüdlicher Einsatz für Fakultät in Bielefeld
Es dürfte eine große Befriedigung für Windhorst sein, dass eines seiner größten Anliegen, nämlich die Gründung einer medizinischen Fakultät an der Universität Bielefeld, am Ende seiner Amtszeit Realität wird. Seit mehr als zehn Jahren hat sich der Kammer-Chef unermüdlich dafür eingesetzt, hat versucht, die Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP, 2005 bis 2010) und Svenja Schulze (SPD, 2010 bis 2017) von der Notwendigkeit zu überzeugen und die Bedenken der Bielefelder Universitätsleitung zu zerstreuen – bis er im heutigen NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) endlich den entscheidenden Verbündeten fand.
Und inzwischen forciert auch Uni-Rektor Gerhard Sagerer vehement die Gründung der Fakultät. Sie bedeutet nicht nur eine starke Aufwertung der Bielefelder Alma Mater, sondern ist auch von großer Bedeutung im Kampf gegen den immer größer werdenden Ärztemangel in ländlichen Räumen, wie Ostwestfalen-Lippe einer ist.
Wenn er nach den Herausforderungen der Ärztepolitik für die weitere Arbeit der Kammer gefragt wird, dann sprudelt es nur so heraus aus Windhorst. Digitalisierung, Krankenhaus-Planung, Weiterbildung der Ärzte und Kampf gegen die Verdrängung ärztlicher Leistungen durch Gesundheitsfachberufe. Vor allem beim Thema Digitalisierung spricht Windhorst von Versäumnissen der eigenen Zunft. Hier sieht er einen zehnjährigen Rückstand in Krankenhäusern und Arztpraxen gegenüber anderen Ländern wie den skandinavischen.
Digitalen Rückstand möglichst schnell aufholen
„Wir sind selbst mit schuld", sagt Windhorst. Ärzte und Politik hätten das Thema verschlafen. Jetzt gelte es, beim Einsatz der digitalen Technik zur Unterstützung der Ärzte und bei der Entwicklung der elektronischen Akte sowie bei der Bearbeitung der Patientendaten den Rückstand möglichst schnell aufzuholen.
Bei der Krankenhaus-Planung sieht Windhorst NRW auf dem richtigen Weg. Bei der Planung gehe es künftig nicht mehr um Betten, sondern um Fallzahlen in medizinischen Fachbereichen. An einer Reduzierung der Häuser führe wohl kein Weg vorbei, schon um die finanziellen Ressourcen gezielter einsetzen und den Personalengpässen in der Pflege besser begegnen zu können. Allerdings glaubt er, wie auch NRW-Gesundheitsminister Laumann, dass überschüssige Kapazitäten eher in den Ballungsräumen an Rhein und Ruhr als in den ländlichen Gebieten abgebaut werden müssen.
Im Gespräch mit dieser Zeitung räumt Windhorst augenzwinkernd ein, dass auch er mehr als einmal die erfolgreichste Krankenhausserie des deutschen Fernsehens, „In aller Freundschaft", gesehen habe. Und sein Urteil über die Episoden rund um die Leipziger „Sachsen-Klinik" ist überraschend gut. Das Krankenhaus werde in der Serie nicht als Moloch dargestellt. „Jedenfalls lernt der Zuschauer, dass es auch in der Klinik und bei den Ärzten menschelt", sagt Windhorst. Und damit sei klar, dass Ärzte, vor allem auch Chefärzte, eben keine „Götter in Weiß" seien.