Medizin-Fakultät: Die Universität Bielefeld nimmt Kliniken an die Kandare

Bielefeld. Bei der geplanten Kooperation der neuen Medizin-Fakultät in Bielefeld will die Universität aus den Fehlern des Bochumer Modells lernen und die Kooperationskliniken eng an sich binden. Wie Rektor Gerhard Sagerer, die Dekanin der künftigen Fakultät, Claudia Hornberg, und Fakultätsgeschäftsführer Frank Lohkamp im Gespräch mit dieser Redaktion erläutern, erfolge die Zusammenarbeit von Fakultät und Krankenhaus in der um die Fakultätsleitung erweiterten Geschäftsführung der Kliniken. Außerdem werde der Einfluss der Universität auf die Berufung von Chefärzten gesichert sein. Vertraglich sei zudem der Aufbau gemeinsamer Patientendatenbestände zu Forschungszwecken vereinbart. Das alles sind Kooperationsformen, deren Fehlen der Deutsche Wissenschaftsrat in seiner Begutachtung der Hochschulmedizin in NRW beim Bochumer Ausbildungsmodell, an dem auch fünf Kliniken von drei Trägern in OWL beteiligt sind, moniert hatte. Bei der Berufung der Chefärzte soll eine von der Fakultät eingesetzte Auswahlkommission die Personalentscheidungen treffen und die Kooperationskliniken lediglich ein Vetorecht haben, so Rektor Sagerer. In den Klinikgeschäftsführungen müssten die Klinikvertreter bei allen für den Forschungs- und Lehrbetrieb wichtigen Entscheidungen Einvernehmen mit den Vertretern der Fakultät herstellen, erläutert Fakultätsgeschäftsführer Lohkamp. Ziel der Uni ist eine gemeinsame Wirtschaftsplanung mit den Kliniken Ziel ist eine gemeinsame Entwicklung- und Wirtschaftsplanung von Universität und Kliniken. Dekanin Hornberg ergänzt, dabei dürfe es sich nicht allein um betriebswirtschaftliche Kriterien drehen. Es gehe vor allem um den Aufbau einer universitätsmedizinischen, also akademischen Einrichtung. Doch die betriebswirtschaftliche Arbeit hat in allen Krankenhäusern aktuell oberste Priorität, weil sich die wirtschaftliche Lage vieler Häuser in den vergangenen Jahren extrem verschlechtert hat, auch in OWL. Laut dem aktuellen Krankenhaus-Rating-Report droht fast jedem fünften deutschen Krankenhaus bis 2025 die Insolvenz. &bdquo;Aus Unternehmersicht sind die Pläne problematisch" Aus diesem Grund gibt es in der Krankenhauslandschaft in OWL auch Kritik an den Plänen der Universität Bielefeld, die Kooperationskliniken für den Aufbau der Medizin-Fakultät an die Kandare zu nehmen. &bdquo;Aus Unternehmersicht sind die Pläne problematisch. Kein Aufsichtsrat eines Krankenhauses kann der Geschäftsführung empfehlen, mit der Universität Bielefeld zu kooperieren, weil man einen Großteil der unternehmerischen Gestaltungsmöglichkeiten abgibt", erklärt der Geschäftsführer eines Krankenhauses in OWL, der anonym bleiben möchte. &bdquo;Eine gemeinsame Wirtschaftsplanung mit der Universität ist ein Etikett für ein permanentes Defizit." Problematisch sei auch die Berufung von Chefärzten durch die Universität, erklärt der Geschäftsführer. &bdquo;Chefärzte sind die Aushängeschilder eines Krankenhauses und müssen neben herausragenden Qualifikationen und Leistungen auch zum jeweiligen Haus und seiner Ausrichtung passen. Da gehen die Interessen von Krankenhäusern und der Universität Bielefeld schnell weit auseinander." "Die Führungsetage der Universität hat Maulkörbe verteilt" Ein weiterer Klinik-Chef aus Ostwestfalen-Lippe moniert, dass die Kritik an der Universität Bielefeld aktuell von keinem Haus öffentlich gemacht wird, weil die Angst besteht, bei der Suche nach Kooperationskliniken nicht mehr berücksichtigt zu werden. &bdquo;Uns wurde deutlich gemacht, dass die Kommunikation ausschließlich über die Universität Bielefeld laufen muss. Die Führungsetage hat Maulkörbe verteilt." Die Universität hat bislang Kooperationsverträge mit dem Klinikum Bielefeld, dem Klinikum Lippe und dem Evangelischen Klinikum Bethel abgeschlossen. Wie Sagerer erklärt, sollen diese Krankenhäuser aber nicht als Ganzes das künftige Universitätsklinikum OWL bilden, sondern nur bestimmte ausgewählte Fachkliniken der Häuser. Das bedeutet offenbar aber auch, dass, erst wenn die Uni in einem für die medizinische Ausbildung erforderlichen Fachbereich in den genannten drei Kliniken nicht fündig wird, andere Häuser ins Spiel kommen. "Die Kooperation mit dem HDZ würde jede Universität schmücken" Die Kritik des Wissenschaftsrates an der Erweiterung der Kooperation des Bochumer Modells nach OWL und die Anregung der Experten, diese Erweiterung noch einmal zu überprüfen, sowie die Frage, ob die bisherigen Partner des Bochumer Modells künftig Bielefeld zugeordnet werden sollten, will Sagerer nicht kommentieren. &bdquo;Es ist Sache der Universität Bochum und des Landes, sich damit auseinanderzusetzen." Es bleibe bei seiner früheren Aussage, dass er sich eine spätere Anbindung exzellenter Fachkliniken weiterer Krankenhäuser der Region vorstellen könne. Zum bisherigen Bochumer Kooperationspartner, dem Herz- und Diabeteszentrum NRW (HDZ) in Bad Oeynhausen, sagt Sagerer: &bdquo;Das HDZ ist eine herausragende Klinik. Die Kooperation mit dem HDZ würde jede Universität schmücken."