Schloß Holte-Stukenbrock

Die dreifache Vergangenheit von Stalag 326

Historie des Stukenbrocker Lagers: In einer Konferenz an der Uni Bielefeld befassen sich Historiker mit der Internierung von NS-Funktionären durch die Briten nach dem Ende des Krieges

Historische Grabsteine: Auf dem Friedhof Hövelhof sind 94 Insassendes britischen Internierungslagers Staumühle begraben. Wie in Stukenbrock entstand auch dieses Lager dort, wo vorher tausende sowjetische Kriegsgefangene festgehalten wurden und starben. | © Foto: Kerstin Schulte

Lothar Schmalen
27.09.2019 | 27.09.2019, 22:47

Bielefeld. Die geplante Gedenkstätte Stalag 326 in Stukenbrock nimmt immer konkretere Formen an. An der Bielefelder Uni hat am Freitag eine Konferenz von Historikern zur Geschichte der unmittelbaren Nachkriegszeit auf dem Gelände des großen NS-Lagers für sowjetische Kriegsgefangene begonnen. Im Mittelpunkt des Symposiums stehen die Internierungslager der Alliierten für NS-Funktioniere in Stukenbrock auf dem Stalag-Gelände („Eselheide") und in Hövelhof („Staumühle") und die Heimführung der überlebenden sowjetischen Soldaten in die damalige UdSSR.

Nach Wissenschaftstagungen zur Geschichte des Kriegsgefangenenlagers und zur späteren Nutzung als Lager für Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten steht damit nun die dritte historische Dimension im Fokus, die in einer Ausstellung der geplanten Gedenkstätte dargestellt werden soll.
Die Bielefelder Historikerin Kerstin Schulte (31) und der australische Historiker Andrew Beattie (per Skype aus Sidney mit der Konferenz in Bielefeld verbunden) referierten über die Zeit der alliierten Internierungslager.

Vielschichtige Historie der Lager

In der Eselheide und in Staumühle saßen unter anderem Wirtschaftsführer aus Ostwestfalen-Lippe, die dem Nationalsozialismus sehr nahe standen, wie beispielsweise Georg Barthel von den Dürkopp-Werken. Beattie befasst sich vergleichend mit KZ-Gedenkstätten in Deutschland. Sein wichtiger Hinweis: Die vielschichtige Historie der Lager (erst Kriegsgefangenenlager oder KZ, dann Internierungslager für NS-Funktionäre und deutsche Kriegsverbrecher) ist keine Seltenheit.

Der Geschichtsdidaktiker Jörg van Norden (Universität Bielefeld) trug außerdem erste Überlegungen vor, wie man die Geschichte der drei Gruppen von Lagerinsassen (und damit von Opfern und Tätern) in einer Ausstellung zusammenbringen kann, ohne die Kausalitäten der Abläufe und die Rolle von Tätern und Opfer zu verwischen. Van Norden plädierte auch dafür, die Vorgeschichte der Gedenkstätte mit allen ihren Konflikten darzustellen. Bekanntlich war das Gedenken an die sowjetischen Kriegsgefangenen in Stukenbrock über Jahrzehnte – vor allem in Zeiten des kalten Krieges – hochumstritten.

INFORMATION


Ambitionierter Zeitplan


Falk Pingel von der Regionalen Arbeitsgruppe OWL Stalag 326 erläuterte den ambitionierten Zeitplan für die Umwandlung der bisherigen Dokumentationsstätte in eine Gedenkstätte. Bis zum Jahresende soll die Machbarkeitsstudie ausgeschrieben werden. Bis Juni 2020 soll die Studie vorliegen, die als wichtigster Beitrag für den Antrag an den Bund auf finanzielle Mittel für die Einrichtung der Gedenkstätte (neuer Zugang zum Stalag-Gelände, Neubau von Ausstellungsräumen und Gestaltung der Ausstellung) gilt. Der Antrag soll im August 2020 gestellt werden. Bei einer Genehmigung könnte es noch „drei bis fünf Jahre" bis zur Eröffnung dauern. Experten schätzen die Einrichtungskosten auf fünf Millionen und die jährlichen Betriebskosten auf 500.000 bis 1 Million Euro.