Zweiter Weltkrieg: Der Weg ins Unheil des Stalag führt über Hövelhof

Hövelhof. Mit jedem Zug sind es bis zu 3.000 Menschen. Eingepfercht in Viehwaggons schickt Hitlers Wehrmacht sie quer durch Europa – bis nach Hövelhof. Die Waggons, so schildern es Augenzeugen später, reihen sich vom heutigen Bahnübergang Sennestraße bis zum Übergang an der Bielefelder Straße. Manchmal kommen zwei Züge am Tag. Der deutsche Angriff auf Stalins Russland, das &bdquo;Unternehmen Barbarossa“, ist gerade drei Wochen alt, da werden am 10. Juli 1941 die ersten Kriegsgefangenen in die Senne gebracht. Hövelhof ist nach rund 1.500 Kilometern Endstation des Zuges. Endstation für die sowjetischen Männer ist das nahe &bdquo;Stammlager 326 (VI K) Senne“ (Stalag) im heutigen Stukenbrock-Senne. Wie Vieh werden sie dorthin getrieben. Fast alle nehmen den gleichen Weg. Noch heute wird die Strecke ins Lager im Volksmund &bdquo;Russenpatt“ genannt. Im Stalag herrschen Elend, Hunger und Tod. Vier Jahre lang bis zum 2. April 1945. Vor 80 Jahren wird es durch amerikanische Soldaten befreit. Die Waggontüren sind fest verriegelt Die Vorbereitungen für das Lager hatte das Nazi-Regime rechtzeitig vor dem Russlandfeldzug getroffen. Im Mai 1941 starten Vorarbeiten. Hövelhofs Ortsheimatpfleger Carsten Tegethoff und sein Schloß Holte-Stukenbrocker Pendant Günter Potthoff kennen die Berichte vom Aufbau des Stalag. Hövelhof bot sich für die Logistik an. Der Bahnhof liegt nur sechs Kilometer vom Stalag entfernt, die Bahnstrecke weist einen gut begehbaren 15 Meter breiten und unbebauten Brandschutzstreifen neben den Gleisen auf. Er existiert heute noch. Lesen Sie auch: Wanderung zwischen Hövelhof und Stukenbrock erinnert ans Stalag 326 und den &bdquo;Russenpatt“ Der Hövelhofer Ferdy Schier, während der Kriegszeit im Jugendalter, erinnert sich 1983 in der &bdquo;Hövelhofer Rundschau“ an die Gefangenentransporte: &bdquo;Die kleinen Luftklappen oben an den Waggons waren mit Stacheldraht vernagelt. Die Waggontüren waren von außen fest verriegelt. Eine zerbeulte Konservendose war für die meisten Kriegsgefangenen die einzige Habseligkeit. Bei den ersten Transporten, die in Hövelhof eintrafen, fand sich weder Stroh noch sonst ein Belag auf den Waggonböden.“ Der Weg zum Lager, so berichtet Tegethoff, führte die Gefangenen dann entgegen mancher Annahmen nicht auf dem Waldweg neben der heutigen L756 entlang: &bdquo;Sie wurden wohl meist nebenan auf der Reichsstraße 68 zum Lager getrieben, wie Zeitzeugen berichten.“ Heute wird der Wander- und Radweg neben der Straße als &bdquo;Russenpatt“ bezeichnet. Nazis sichern Hövelhofer Bahnhof 1941 ist es der Weg ins Unheil. &bdquo;Bevor erste Kriegsgefangene aus Russland kommen, müssen andere Gefangene das Lager einzäunen“, sagt Potthoff. Das Gelände am Rande der Senne sei ausgewählt worden, weil es als Ödland sonst nicht zu gebrauchen ist – auch die Nähe zum Militär des Truppenübungsplatzes habe eine Rolle gespielt. Auch interessant: Einstimmiges Votum im Kreis Paderborn zum Stalag-Projekt Wenn die Gefangenen nach einer Woche Fahrt in Hövelhof aus den Waggons getrieben werden, sind sie körperlich am Ende. Wenig Essen, für die Notdurft ist auf der Strecke ein Eimer das höchste der Gefühle. &bdquo;Es waren wohl 50 bis 60 Menschen in jedem Waggon, und Zeitzeugen sprechen von mindestens 45 Wagen pro Zug“, weiß der Hövelhofer Tegethoff. Der Senne-Bahnhof ist den Nazis so wichtig, dass er eigens mit einer Vierlings-Flak (Flugabwehrkanone) geschützt wird, bald führt von hier sogar eine Schmalspurbahn zum Lager. Augenzeuge Schier schreibt 1983: &bdquo;Das Verladen der Gefangenen geschah nur bei Tageslicht. Offensichtlich sollten Fluchtversuche bei Dunkelheit ausgeschlossen werden.“ Regelmäßig seien Tote an Bord gewesen. Geschwächte überstanden die Zugfahrt nicht. Für manche führt der Weg ins Konzentrationslager Zu Beginn der Gefangenentransporte, so wissen die Ortsheimatpfleger heute, werden Sowjets mitten durch Hövelhof getrieben – vorgeführt als Trophäen des erfolgreichen Feldzugs. &bdquo;Dabei soll es aber auch so manche Mitleidsbekundung gegeben haben und kurz darauf werden die Gefangenen nicht mehr durch den Ort geschickt“, sagt Tegethoff. Fest steht jedoch: Nicht nur bei der Ankunft am Bahnhof sind die Kriegsgefangenen in Hövelhof sichtbar. Die Männer, meist Mannschaftsgrade und keine Offiziere, werden im Durchgangslager sortiert. .responsive23-zmrrpIGZUoovBRsK-map-stalag-wanderung-hoevelhof { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-zmrrpIGZUoovBRsK-map-stalag-wanderung-hoevelhof { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-zmrrpIGZUoovBRsK-map-stalag-wanderung-hoevelhof { padding-top: 142.86%; } } Arbeitsfähige kommen in den Bergbau, andere etwa auf Bauernhöfe. Nicht Brauchbare werden in Konzentrationslager weitertransportiert. &bdquo;Gefangene arbeiten auch in Hövelhof. Wer sie will, muss dafür zahlen“, weiß Tegethoff. Bei den Hövelhofer Geha-Werken gibt es zeitweise sogar ein eigenes &bdquo;Russenlager“ für Arbeitskräfte. Tegethoff: &bdquo;Geha-Gründer Josef Henrichsmeyer hat sie gut behandelt. Es wurden eigens für sie auch Schweine geschlachtet.“ Zum Thema: Erinnerung an das Leid russischer Kriegsgefangener in Hövelhof Im großen Stalag hingegen sind die Zustände verheerend. Zwischen 1941 und 1945 werden 180.000 bis 200.000 Kriegsgefangene registriert, sagen Historiker. Die meisten Gefangenen leiden unter Mangelernährung, unzureichender medizinischer Versorgung, miserablen hygienischen Verhältnissen und Ausbeutung durch Zwangsarbeit. Neben Sowjets sind im Lager vereinzelt auch französische, polnische, serbische, italienische und belgische Kriegsgefangene untergebracht. Plünderungen und Mord in Hövelhof Die Gefangenen hausen in den ersten Monaten nur in Erdlöchern. &bdquo;Baracken wurden erst im Herbst und Winter gebaut“, weiß Potthoff. Als die Wehrmacht an der Ostfront später in die Defensive gerät, treffen im Stalag auch Gefangene ein, die zuvor als Zwangsarbeiter im Ruhrgebiet ausgebeutet worden waren. &bdquo;Sie waren oft nicht gut behandelt worden und manche haben hier nach der Befreiung Rache an der deutschen Bevölkerung genommen“, weiß Tegethoff von Berichten aus Hövelhof, die von Plünderungen bis zum Mord reichen. Von den etwa 5,3 bis 5,7 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen, die insgesamt in deutsche Gefangenschaft gerieten, starben laut Stalag-Gedenkstätte zwischen 2,3 und 3 Millionen. Auf dem Gräberfeld in Stukenbrock-Senne sollen laut Historikern über die vier Lager-Jahre bis zu 65.000 Tote verscharrt worden sein – also etwa die vierfache Einwohnerzahl des heutigen Hövelhofs.

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