
Gütersloh. Das Aufatmen ist fast zu hören. Nach einer bewegenden Phase findet Miele, so scheint es, den Weg in die Normalität zurück. Das 125-jährige Bestehen ist gefeiert, der Personalabbau ist eingestielt, das Effizienzprogramm läuft. Nicht von ungefähr lautete das Schlüsselwort, das Miele am Mittwoch bei seiner Jahres-Pressekonferenz hervorhob, „gefestigt“. Es deckt sich mit den Zahlen.
So ist es dem Unternehmen gelungen, seinen Umsatz im vergangenen Jahr leicht zu steigern. Er kletterte um 1,7 Prozent auf 5,04 Milliarden Euro, vor allem dank eines guten zweiten Halbjahres. Das ist zwar noch ein gutes Stück von den 5,43 Milliarden Euro in 2022 entfernt, aber darin steckte auch der Corona-Boost. Drei Viertel seines Umsatzes macht Miele mittlerweile im Ausland.
Macht es dabei auch Profit? Trotz aller Investitionen, trotz aller Sonderanstrengungen? Ja, macht es, sagt Reinhard Zinkann. „Wir haben ein positives Ergebnis“, so der geschäftsführende Gesellschafter. Es sei „ertragsauskömmlich“. Die Höhe des Gewinns nannte er nicht, wie immer. Zinkann ließ aber durchblicken, wie wertvoll das im Juni vollzogene Joint Venture von Steelco und Belimed war. „Das war ein strategischer, wesentlicher Schritt, um uns in der Medizintechnik zu etablieren“. In vier Werken (zwei in Italien, eins in Slowenien, eins in der Schweiz) produziert das Joint Venture, an dem Miele 67 Prozent hält, Reinigungs- und Desinfektionsgeräte für Krankenhäuser und die Pharmabranche.
Hintergrund: Gütersloher Miele Unternehmen verzichtet auf betriebsbedingte Kündigungen
Weltweit will Miele 2.000 Stellen streichen
Ohne SteelcoBelimed wäre nicht nur der Umsatz einige hundert Million Euro niedriger gewesen, sondern auch die Zahl der Beschäftigten. Sie hätte bei 22.221 gelegen. Nun sind es 23.525 – was einem Zuwachs von 3,4 Prozent entspricht. In Deutschland beschäftigt Miele 11.300 Menschen, 4,2 Prozent weniger als im Vorjahr. Der Großteil davon arbeitet in den Werken in Ostwestfalen, allein die Hälfte sind es am Stammsitz Gütersloh.
Bei seinem Umbau kommt das Unternehmen voran. „Wir haben im Prinzip Halbzeit“, sagt Geschäftsführerin Rebecca Steinhage. Vor einem Jahr hatte Miele Schlagzeilen gemacht, als es ankündigte, weltweit 2.000 Stellen zu streichen und 700 aus Gütersloh nach Polen zu verlagern.
Bis Ende 2028 will Miele auf diese Weise und über höhere Effizienz 500 Millionen Euro sparen. Dank dieser „Transformation“ (Miele Performance Programm, MPP) seien die Weichen für langfristigen Erfolg gestellt, so Zinkann.
Erhalt der deutschen Miele-Standorte bis Ende 2028 gesichert
Es sei nötig gewesen, dafür harte Entscheidungen zu treffen, sagt Steinhage. Von den 500 Millionen Euro seien 50 Prozent bereits realisiert. Ein „Meilenstein“ sei gewesen, dass man inzwischen die Gewissheit habe, ohne betriebsbedingte Kündigungen auszukommen.

„Nun machen wir uns daran, mit unseren Sozialpartnern Zielbilder für jedes Werk zu entwickeln.“ Ende des Jahres soll dieser Prozess abgeschlossen sein. Es gehe darum, Beschäftigung und wirtschaftliche Perspektiven zu sichern. Der Erhalt aller deutschen Standorte ist ohnehin bis Ende 2028, der Laufzeit des Tarifvertrages, gewährleistet.
An der Entwicklung dieser Zielbilder beteiligt zu sein, finde er gut, sagt Thomas Wamsler von der IG Metall. „Das ist neu und freut uns. Es spricht für eine gute Unternehmens- und Gesprächskultur“, lobt der Gewerkschafter. „Wir wollen mitwirken, dass Miele eine gesicherte Zukunft hat.“ Auch die Gespräche über Personalabbau und -verlagerung seien konstruktiv verlaufen.
Unter dem Stichwort Investitionen listet Miele fünf Vorhaben auf
Dass die Waschmaschinenfertigung weitgehend ins Werk Ksawerow nach Polen abwandert, dabei bleibt es indes. Steinhage pries die Bedingungen dort. Von Vorteil seien nicht nur die niedrigeren Löhne, sondern auch: schnellere Genehmigungen, Zugriff auf qualifizierte Arbeitskräfte, moderne digitale Infrastruktur, Lösungen für erneuerbare Energien. Mehrfach betonte sie, es handele sich nur um eine Teilverlagerung - „in Gütersloh werden auch künftig Waschmaschinen gebaut.“ Gemeint sind damit Kleingewerbemaschinen und Waschtrockner, außerdem die neue Modelllinie W2, die Miele kürzlich auf der IFA als Weltneuheit präsentierte, als erste Waschmaschine mit rippenloser Trommel. Die Produktion dieses Gerätes sei in Gütersloh angelaufen, so Steinhage. Miele setzt darin große Hoffnungen: Kommt das Gerät bei den Kunden an, könne es erheblich zur Auslastung des Standortes beitragen.
500 Millionen Euro soll in deutsche Standorte investiert werden
Teil des Tarifabkommens mit der Gewerkschaft ist, 500 Millionen Euro in die deutschen Standorte zu investieren. Wohin sie fließen, kann Miele vorerst nur vage konkretisieren.
Miele-Geschäftsführerin listet fünf Vorhaben auf:
Investitionen in die Werke Gütersloh und Oelde sowie in die Bereiche Cooking und KI-Anwendungen
Erweiterung der IT-Infrastruktur
ein „Prototyping-Center“ für Design und Musterbau in Gütersloh
die Stärkung des Kundenservice durch den Bau eines Schulungszentrums in Lehrte
die Fertigstellung der neuen Entwicklung in Bünde.
Vieles von diesem Geld könnte nach Gütersloh fließen. Steinhage machte klar, dass ab 2027, mit der vollzogenen Verlagerung nach Polen, „Flächen in Gütersloh frei werden, die wir sinnvoll nutzen wollen“ - etwa für das Thema Zirkularität. 48 Projekte verfolge Miele zur Zirkularität, sie seien entweder schon abgeschlossen oder im Stadium der Forschung.
„Dafür brauchen wir Platz.“ Auch in das „Prototyping-Center“ sollen erhebliche Mittel fließen. Aktuell, so der geschäftsführende Gesellschafter Markus Miele, seien Design und Musterbau auf zwei Gebäude verteilt; „das wollen wir zusammen legen“.
Schon jetzt stecken in vielen Produkten KI-Anwendungen
Dass Miele auch in Oelde investiert, liegt wesentlich am Hochfahren des neuen Werkes in den USA. Noch laufe die Fertigung der 30-Zoll-Backöfen in Alabama auf kleiner Flamme, so Markus Miele, „aber bis Ende des Jahres wollen wir komplett verlagert haben.“ Der Platz in Oelde werde „für etwas anderes“ gebraucht.
Geschäftsfelder mit hohem Wachstumspotenzial hat Miele einige ausgemacht: Neben der Medizintechnik sei das die neue „appWash“ – das erste, aus dem eigenen Haus hervor gegangene Start-up. Es sei ideal für Waschküchen in Mehrfamilienhäusern oder Studentenwohnheimen: Die Nutzer buchen, starten und bezahlen die Waschmaschine online per App.
Ferner der „SneakerWash“: ein Waschbeutel, der das Schuheputzen in der eigenen Waschmaschine ermöglicht; oder der Chatbot, der mit dem Kunden spricht und ihn beim Kauf eines Staubsaugers oder einer Reparatur berät; oder die Software, die beim Backofen punktgenau erkennt, wann das Gericht fertig ist.
An Ideen - zumal solchen, die mit KI agieren - mangelt es nicht. „Wir haben eine Menge Sachen in der Pipeline“, sagt Markus Miele. „Ich verspreche nicht zu viel, wenn ich sage, 2028 werden wir 60 Prozent unseres Produktportfolios erneuert haben.“ Auf das Geschäftsjahr 2025 blicke er mit Zuversicht. Sollte es - im positiven Sinne - wieder ein unnormales Jahr werden, wäre er vermutlich nicht böse.