In diesem Werk baut das Unternehmen Miele aus Gütersloh künftig seine Waschmaschinen

Gütersloh/Ksawerów. Er hat keine Sekunde gezögert. &bdquo;Ich habe mich sofort gemeldet als ich von dem Projekt bei Miele gehört habe.“ Als Maschinenbauingenieur wollte er bei dem Aufbau eines neuen Werkes in Polen aktiv sein, wollte in dem interdisziplinären Team seine Kenntnisse einbringen. &bdquo;Ich war von Anfang an begeistert“, sagt Thomas Hommernick und ergänzt mit einem freundlichen Lächeln: &bdquo;Ohne zu wissen, was auf mich zukommt.“ Heute weiß er es. Er trägt den Titel &bdquo;Director Operational Excellence and Infrastructure“. Damit ist er verantwortlich für die konsequente Umsetzung der Produktionsstrategie im polnischen Werk Ksawerów – dem Werk, das in der Wirtschaftspresse in den vergangenen Wochen bundesweit Schlagzeilen macht. Seit fünf Jahren wird am Miele-Produktionsstandort Ksawerów gearbeitet. 500 Mitarbeiter fertigen jährlich rund 400.000 Waschmaschinen. Produziert wird das so genannte Einstiegsmodell, das mit 799 Euro deutlich günstiger ist als die übrigen Miele-Maschinen. Statt Edelstahl wird Kunststoff für die Laugenbehälter verwendet. Schon 2019 ist es der Versuch, gegen Hersteller wie Bosch oder Samsung auf dem Weltmarkt mithalten zu können. Die Sparte Wäschepflege macht nach Angaben des Unternehmens knapp ein Viertel des Gesamtumsatzes aus. 2023 bricht der Markt ein. Die verkauften Stückzahlen gehen im Vorjahresvergleich um rund 18 Prozent zurück. Eine baldige Erholung der Märkte sei nicht in Sicht. Miele hat angekündigt, weltweit 2.000 Stellen zu streichen, weitere 700 zu verlagern. Große Teile der Produktion der Haushaltswaschmaschinen soll ab 2026 aus Kostengründen in Polen produziert werden. Betroffen von der Entscheidung ist maßgeblich das Stammwerk in Gütersloh. Hier werden 700 Arbeitsplätze verloren gehen. Die Region Lódz boomt Ksawerów ist ein überschaubarer Ort. Mit gerade einmal 7.000 Einwohnern muss man ihn regelrecht suchen. Das angrenzende Lódz nicht. Es ist Polens viertgrößte Stadt. &bdquo;Es gibt wahnsinnig viele Investitionen“, sagt Thomas Hommernick (37), &bdquo;an jeder Ecke wird ein Hotel gebaut und Lódz hat als erste Stadt in Polen jetzt einen vollständigen Umgehungsstraßenring“, davon würde auch Miele profitieren. Sämtliche Autobahnen in Nord-Südrichtung laufen in Lódz zusammen. Hier ist nicht nur die Mitte Polens, hier ist quasi die Mitte Europas – seit 2017 mit einer direkten Schienenverbindung nach Chengdu in China. Die Region boomt. Philips ist vor Ort, Fujitsu, Bosch, Siemens und viele andere große Namen. Auch der amerikanische Haushaltsgerätehersteller Whirlpool lässt in Lódz produzieren. Miele besitzt 300.000 Quadratmeter Gewerbefläche in Ksawerów. Das Grundstück nebenan gehört Daikin Europe. Der japanische Hersteller von Wärmepumpen investiert 300 Mio. Euro in sein erstes europäisches Werk. Im Juli soll es den Betrieb aufnehmen. Energieversorgung ist eine der nachhaltigsten im Miele-Fertigungsbund &bdquo;Es war ein bisschen wie nach Hause kommen“, Thomas Hommernick hat 30 Jahre in Deutschland gelebt, spricht fließend deutsch, polnisch, englisch. Eine Umsiedlung in das Heimatland seiner Eltern sei für ihn nie abwegig gewesen. Seit 2012 ist der Ingenieur bei Miele angestellt. Ein Glücksfall, von dem wohl beide Seiten profitieren. Vor fünf Jahren ist er mit seiner Frau und den drei Kindern umgesiedelt, hat Versmold eingetauscht gegen Aleksandrów, nordwestlich von Lódz. Ob er geahnt hat, welche Dimension das Werk annehmen würde? Nein, sagt Thomas Hommernick, das könne man nicht. &bdquo;Es liegt in der Natur eines Greenfield-Projektes, dass man mit den Aufgaben wachsen muss.“ Das Werk überschlägt sich in Superlativen. 2023 wird eine hochmoderne Geothermie-Anlage in Betrieb genommen. &bdquo;Damit decken wir derzeit 60 Prozent unseres jährlichen Wärme-/Kältebedarfs ab“, erklärt Werkleiter Tomasz Kowalski (44). Ende des Jahres soll eine Photovoltaik-Anlage in Betrieb gehen. 3.000 PV-Module sind auf dem Werkdach installiert. Die anteilige Abdeckung des Strombedarfs: 20 Prozent. Die Energieversorgung zählt zu den nachhaltigsten im Miele-Fertigungsverbund, wie ein Unternehmenssprecher versichert. Im Werk wird mit dem Highspeed-Netz 5G gearbeitet. Daten fließen unter anderem an die Technische Hochschule Aachen mit der es eine Kooperation gibt. Millionen Daten werden analysiert. &bdquo;Wir produzieren hier wie an den anderen Standorten die besten Waschmaschinen auf der Welt“, sagt Piotr Jagoda. Der 43-Jährige leitet die Qualitätssicherung und hat keine Angst vor dem Superlativ. Zum Beweis gibt Jagoda den Blick frei auf das Daten-Board. Seit einem Jahr liegt der Scrap, der Fertigungsausschuss, bei Null. &bdquo;Hier bei Miele erhält jeder Arbeiter mehr als den Mindestlohn“ Das Werk fährt im Zwei-Schichtsystem von morgens 6 bis abends 22 Uhr. Eine dritte Schicht wird in zwei Jahren folgen, wenn die Produktion aus Gütersloh übernommen wird. Die Belegschaft in Ksawerów muss sich bis dahin verdoppeln. Ein Problem? Nein, sagt Werkleiter Kowalski. In Lódz gibt es die Technische Universität. &bdquo;Wir haben keine Sorgen, qualifizierte Arbeiter zu finden“, das liege an der Marke Miele, die in Polen einen sehr guten Ruf genieße, und an den Konditionen. Der gesetzliche Mindestlohn in Polen beträgt 4.242 Zloty im Monat, umgerechnet 991,36 Euro, Tendenz steigend. &bdquo;Hier bei Miele erhält jeder Arbeiter mehr als den Mindestlohn“, versichert der Werkleiter. Im Vertrag stehen 40 Arbeitsstunden pro Woche, Anfänger starten mit einem Urlaubsanspruch von 20 Tagen pro Jahr. Vier Tage arbeiten, einen Tag frei. Das alles im Dreischichtsystem. &bdquo;Es war eine große Belastung“, erzählt Zbigniew Kolodziej (55) über seine Arbeit – allerdings in einem anderen Betrieb. Vor fünf Jahren kam er zu Miele. Er spricht fließend deutsch obschon er sein Leben in Polen verbracht hat. &bdquo;Wir können inzwischen mehr verdienen, wenn wir hier im Land bleiben“, Polen müssten nicht mehr zwingend auf dem Bau im Ausland arbeiten, erklärt Kolodziej. Geräte mit Edelstahllaugenbehälter bleiben in der Gütersloher Produktion Für ihn sind es gute Nachrichten, dass die Produktion der Waschmaschinen ausgebaut wird. Seine Frau arbeitet inzwischen auch bei Miele. Kolodziej wirbt in seinem Bekanntenkreis gerne für seinen Arbeitgeber. Weil er das gut verantworten könne, wie er sagt. Aber wohl auch, weil Prämien gezahlt werden, wenn neue Kolleginnen und Kollegen angeworben werden. In der Gütersloher Produktion bleiben in den kommenden Jahren nach Unternehmensangaben Geräte mit Edelstahllaugenbehälter, dazu zählen Kleingewerbemaschinen und Waschtrockner sowie eine Modelllinie, die Miele zur Internationalen Funkausstellung im Herbst in Berlin vorstellen will. Andere Haushaltsgerätehersteller haben es längst vorgemacht, lassen inzwischen in Niedriglohnländern produzieren oder waren nie woanders. Das Schlagwort der Deindustrialisierung Deutschlands macht die Runde. Wird Miele zum Kronzeugen einer solchen Entwicklung? &bdquo;Weitere Verlagerungen der Produktion oder Montage in Länder außerhalb Deutschlands sind über die derzeitigen Ankündigungen hinaus nicht geplant“, sagt Unternehmenssprecher Carsten Prudent. Von 15 Werken liegen derzeit sieben im Ausland. Am 8. Juni feiert Miele Betriebsjubiläum Am 1. Juli wird Miele 125 Jahre alt. &bdquo;Wir werden an unserem Standort auch bescheiden feiern“, erklärt Thomas Hommernick. Das Miele-Betriebsjubiläum wird am 8. Juni an allen Standorten gleichzeitig begangen. Bevor in Gütersloh gute Stimmung aufkommt, muss die Zukunft der Mitarbeiter am Stammwerk geregelt werden. IG Metall und Unternehmensführung werden am Montag vor den Feierlichkeiten wieder gemeinsam am Verhandlungstisch sitzen. Vielleicht final. Alle hoffen auf konstruktive Diskussionen. &bdquo;Made in Germany“ versus &bdquo;Made in Poland“? Für alle Beteiligten ein Kraftakt.

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