
Berlin/Paderborn. Der tödliche Messerangriff auf ein homosexuelles Paar in Dresden, die Enthauptung des Lehrers Samuel Paty bei Paris, der Angriff in einer Kirche in Nizza und der Anschlag auf ein beliebtes Ausgehviertel in Wien - eine ganze Reihe islamistischer Terroranschläge hat Europa in den vergangenen Wochen erschüttert. Viele sprechen nun von einer Rückkehr des Islamismus, doch für die deutschen Sicherheitsbehörden steht fest: Der war nie weg. Vielmehr breite sich Islamismus in muslimischen Gemeinden aus. 16 Wissenschaftler, Politiker und andere Persönlichkeiten fordern deshalb, dass Deutschland den politischen Islam stoppt. Mit dabei ist auch Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann (CDU) aus Paderborn.
„Trotz der Allgegenwart des islamistischen Terrors ging man in Deutschland nach kurzen Betroffenheitsbekundungen bislang stets zur Tagesordnung über", kritisieren Linnemann und seine Mitstreiter in dem Aufruf. Schlimmer noch: Das Aussprechen der Wahrheit werde zusehends mit Rassismus-Beschuldigungen von Islamisten und Teilen der politischen Linken beantwortet. „Doch wer schweigt, kann nichts verändern, sondern bleibt Zuschauer bei einer Entwicklung, die schon jetzt eine Zerreißprobe für unsere Gesellschaft darstellt. Der politische Islam ist eine ernsthafte Gefahr für unser Land. Er ist ein Integrationshindernis mit unabsehbaren Folgen."
„Wir haben noch keine französischen Verhältnisse, aber wir sind auf dem Weg"

Linnemann kritisiert, dass die Politik in Deutschland, auch Teile seiner Partei, die Gefahr des politischen Islam noch immer unterschätzen. „Wir haben noch keine französischen Verhältnisse, aber wir sind auf dem Weg dahin, denn der politische Islam beginnt nicht erst beim Morden. Deutschland zählt aktuell etwa 630 islamistische Gefährder, doch das ist nur die Spitze des Problems, das im Kleinen beginnt."
Ein verweigerter Handschlag für eine Frau könne bereits ein Indiz sein, ebenso wie fehlende Mädchen im Schwimmunterricht, Drohungen gegen Andersgläubige, Eltern, die ihre Töchter verhüllen und Jugendliche, die die Enthauptung des französischen Lehrers Samuel Paty als gerechte Strafe feiern, weil er im Unterricht Mohammed-Karikaturen zeigte.
Und das nicht nur in sozialen Netzwerken, sondern auch in Schulen, wie aktuell ein Fall aus Berlin zeigt, den der Tagesspiegel aufgedeckt hat. Ein muslimischer Grundschüler erklärte nach der Schweigeminute für den ermordeten französischen Lehrer Samuel Paty, dass Mord an Menschen erlaubt sei, wenn sie den Propheten beleidigt haben. Eine Woche später drohte er seiner Lehrerin mit Enthauptung, nachdem diese erklärte, dass Konsequenzen drohen, wenn Eltern nicht an Elterngesprächen teilnehmen.
„Wir brauchen andere Antworten als Burkini als genehmigte Schulkleidung"
„Das sind keine Einzelfälle, wir haben bereits 1.000 junge Menschen an den IS verloren, die in Deutschland aufgewachsen sind", erklärt der Berliner Psychologe Ahmad Mansour. „Deshalb dürfen wir nicht länger wegsehen und müssen andere Antworten finden, als runde Tische und den Burkini als genehmigte Schulkleidung", ergänzt Linnemann. „Denn der politische Islam ist keine Privatsache." Vielmehr gehe es um die Verteidigung von Demokratie, Menschen- und Frauenrechten, Religionsfreiheit sowie Meinungsfreiheit und Pressefreiheit. „Den Grundfesten unserer Verfassung."

Als Bundestagsabgeordneter fühlt sich Linnemann für den Schutz der Bevölkerung verantwortlich. „Wir sind es gerade den vielen muslimischen Befürwortern von Demokratie und Freiheitsrechten schuldig, den politischen Islam als Extremismus beim Namen zu nennen." Diese Verantwortung gelte auch für all jene, die die Integrationsarbeit in Gesellschaft, Schule und anderen Institutionen leisten und dafür um Leib und Leben fürchten müssen. „Tatsächlich werden Lehrer und vor allem Lehrerinnen mit dieser Problematik im Stich gelassen und Kritiker des politischen Islam benötigen schon heute Polizeischutz in Deutschland."
„Jede Religionsgemeinschaft muss Kritik, Humor und Satire hinnehmen"
Das gilt auch für viele der Autoren des Aufrufs, wie Mansour, Rechtsanwältin Seyran Ates, Gründerin der liberalen Ibn Rushd-Goethe-Moschee in Berlin, Soziologin Necla Kelek, Vorstand von Terre des Femmes sowie Ethnologin Susanne Schröter, Leiterin Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam.
Einschüchtern lassen sie sich von Morddrohungen und anderen Versuchen der Einschüchterung jedoch nicht. „Es wird höchste Zeit, den Problemen der Zuwanderungsgesellschaft offen ins Auge zu sehen und sich nicht durch haltlose Vorwürfe einer angeblichen Islamfeindlichkeit, Islamophobie oder des antimuslimischen Rassismus einschüchtern zu lassen. Wie jede andere Religionsgemeinschaft muss auch der Islam in einem säkularen Staat berechtigte Kritik und sogar Humor oder Satire hinnehmen lernen", schreiben Linnemann, Ates, Kelek, Schröter und die anderen Mitstreiter in ihrem Aufruf.
Gemeinsam fordern sie die Politik in Deutschland zum Handeln auf. „Gerade weil wir eine Gesellschaft sind, die auf eine gelungene Integration von Zuwanderern aus verschiedenen Nationen, Kulturen und Religionen nicht verzichten kann, doch wir benötigen dafür ein gemeinsames Wertefundament. Das ist nicht verhandelbar." Religionsfreiheit bedeute, dass jeder seinen Glauben ausüben kann ohne Angst, in seinem Gotteshaus deswegen angegriffen zu werden.
Autoren fordern Ende der Zusammenarbeit mit Ditib
Als erste wichtige Schritte fordern die Autoren wissenschaftliche Grundlagenforschung zum politischen Islam, darunter eine Studie über die Erfahrungen von Lehrern, die Einrichtung einer Dokumentationsstelle „Politischer Islam" nach österreichischem Vorbild, in der die Strukturen, Strategien und Finanzierungen des politischen Islams analysiert und offengelegt werden und die Errichtung von zehn Lehrstühlen zur Erforschung der Strukturen des politischen Islam in Deutschland.
Zudem fordern sie die Einrichtung eines Expertenkreises „Politischer Islam" im Bundesinnenministerium, der auf Grundlage der Erkenntnisse von Wissenschaft und Verfassungsschutz Empfehlungen erarbeitet und der Bundesregierung berichtet, und die Beendigung von Kooperationen staatlicher und politischer Institutionen mit Vertretern und Organisationen des politischen Islam und. „Deutschland darf nicht länger mit Ditib und anderen Organisationen arbeiten, die seit Jahren zeigen, dass sie unsere Werte ablehnen", sagt Mansour.
INFORMATION
Unterzeichner des Aufruf "Stoppen wir den politischen Islam"
KOMMENTAR DER REDAKTION
Islamismus schon bei Kindern stoppen
Als Antwort auf den Terror reicht es nicht aus, wenn Kanzlerin Merkel einen verbesserten Austausch mit Nachbarstaaten vereinbart. Es reicht auch nicht aus, für eine Islamkonferenz Verbände an einen Tisch zu holen, die mitunter vom Verfassungsschutz beobachtet werden und nur einen Bruchteil der Muslime in Deutschland repräsentieren. Denn diese Verbände haben in den vergangenen Jahren alles dafür getan, um kontroverse Themen wie die Radikalisierung von Jugendlichen, die Unterdrückung von Frauen, die Verhüllung von Mädchen, Angriffe auf die Meinungsfreiheit oder den Einfluss ausländischer Autokraten wie Erdogan und Rohani von der Tagesordnung zu verbannen.
Die Politik ist es den Menschen in Deutschland schuldig, alles dafür zu tun, um sie und ihre Rechte und damit die Grundwerte unserer Demokratie zu verteidigen. Das gilt insbesondere für die vielen Muslime in Deutschland, die den säkularen Staat, der Freiheit wie Religionen gleichermaßen schützt, verteidigen.
Dieser Kampf darf jedoch nicht erst bei Terroranschlägen, sondern muss im Alltag beginnen, wenn Kinder ihren Lehrern mit dem Tod drohen, Mädchen voll verschleiert werden oder Unterrichtsinhalte auf Druck von Eltern gestrichen werden. Sonst ist es zu spät.
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