
Lübbecker Land. Für den heimischen Wald war 2020 kein gutes Jahr. Davon zeugen die Holzstapel an den Wegen im Wiehengebirge. Von September bis November wurden im Wiehengebirge allein im Lübbecker Land 70 Hektar Holz (20.000 Festmeter) geschlagen. Normalerweise sind es 30 Hektar im ganzen Jahr. Schuld ist der Borkenkäfer, der große Teile der Fichtenbestände vernichtet hat. Für Revierförster Jürgen Rolfs (62) aus Pr. Oldendorf ist der Anblick der kahlen Flächen, aus denen nur noch die Stümpfe der teils 100 Jahre alten Nadelbäume ragen, niederschmetternd.
Leichte Angriffsfläche für den Borkenkäfer
Schon Orkantief Kyrill 2007 und Sturm Friederike 2018 hinterließen ihre Spuren. Doch ebenso zerstörerische Kräfte wie der Wind setzt der nur wenige Millimeter große Borkenkäfer frei. Der bohrt sich durch die Rinde und legt dann Brutgänge für den Nachwuchs an. "Wir hatten die Schäden durch Sturm Friederike eigentlich ganz gut aufgearbeitet und waren guter Hoffnung", erzählt der Revierförster. Doch bald zeigte sich, dass die vorgeschädigten Bäume den Schädling bereits vermehrt angelockt hatten. Durch die extrem trockenen Jahre 2018 und 2019 boten die geschwächten Fichten aufgrund ihres Harzmangels dem Käfer eine leichte Angriffsfläche. Der konnte sich massenhaft fortpflanzen.
"Brutale Jahre für den Wald"
"Das waren für den Wald schon brutale Jahre", bringt es der Förster auf den Punkt. Doch was sich am Himmelfahrtstag 2020 abspielte, war für Jürgen Rolfs wie für die Waldbesitzer eine Katastrophe. An diesem 21. Mai flogen bei wunderschönem Wetter Millionen und Abermillionen von Käfern aus, die in den Bäumen überwintert hatten. Innerhalb weniger Wochen kann der Borkenkäfer ganze Waldteile vernichten, indem er die Saftstromleitungen der Bäume unterbricht und diese quasi verdursten.

Die Fichte wird verschwinden
Nahrung und Brutraum fand der Schädling, der es auf die Fichte abgesehen hat, reichlich. Rund 1.800 Hektar Wald im Wiehengebirge macht die Fichte aus. Bei den Wiederaufforstungen nach den beiden Weltkriegen war die Kiefernart beliebt, weil sie schnell wächst und die wichtigste deutsche Baumart für die holzverarbeitende Industrie ist. Doch die Fichte wird verschwinden. "Pessimisten geben ihr noch etwa fünf Jahre", sagt der Revierförster. "30 Prozent des Bestandes im Wiehengebirge haben wir bereits verloren."
Mehrere Hektar große Kahlflächen
Die Kahlflächen sind mehrere Hektar groß. Das rapide Baumsterben macht sich nicht nur im Inneren des Waldes, sondern mittlerweile auch beim Blick auf den Wiehen bemerkbar. An vielen Stellen sieht die Silhouette der Baumwipfel löchrig aus. Ein Gegenmittel gegen den gefräßigen Borkenkäfer gibt es nicht. Insektizide dürfen flächenmäßig im Wald nicht aufgebracht werden und Pheromonfallen, die mit ihren Lockstoffen die Männchen anködern, sind zwar zur Kontrolle, nicht aber zur Vernichtung, des Schädlings bei Massenbefall geeignet. Was bleibt, ist die möglichst schnelle Entfernung toter Bäume, da der gefräßige Winzling in einem Umkreis von 100 Metern weitere Bäume absterben lässt.
Baumstämme werden nach China verschifft
Doch die Lohnunternehmen mit ihren Holzerntemaschinen und den Motorsägen kommen nicht mehr hinterher. "Statt einer hatten wir bereits vier Maschinen im Einsatz", erzählt Rolfs. Auch die Abfuhr der Stämme ist schwierig. Der Bedarf der heimischen Holzindustrie ist gedeckt, die Lagerkapazitäten sind erschöpft. Mittlerweile werden die Baumstämme in Container geladen und über die Häfen in Bremen, Hamburg und Rotterdam nach China verschifft.
Umschlagplätze auf dem Weg dorthin sind der Parkplatz Kahle Wart und das Gelände des Blasheimer Marktes. Noch lagern große Mengen des geschlagenen Holzes inmitten des Waldes. "Wenn die Mengen da noch rauskommen, werden die Wege nicht mehr spazierfähig sein", prophezeit der Förster. Schon jetzt haben die schweren Maschinen und Fahrzeuge tiefe Spurrillen hinterlassen.
Der Preis für Holz ist im Keller
Das Tempo der Baumfällungen wurde vorerst gedrosselt. Aus Kostengründen. Durch das Überangebot ist der Holzpreis im Keller. Der Erlös für den Kubikmeter Holz ist von 95 Euro auf 35 Euro gefallen. Nadelholz bringt nur noch 30 Euro. "So hoch sind aber schon die Erntekosten", sagt der Förster. Unter dem Preisverfall leiden insbesondere die privaten Waldbauern, von denen es im Mühlenkreis etwa 5.000 gibt. Seit Generationen kümmern sie sich im Sinne der Nachhaltigkeit um die Pflege des Waldes, der dem Menschen als Sauerstofflieferant wichtige Dienste leistet. Und doch ist es der Mensch selbst, "der durch sein Verhalten die Schuld am Klimawandelt trägt", sagt Rolfs. Und das endlich etwas unternommen werden müsse.
"Der Klimawandel ist offensichtlich"
Der Klimawandel sei offensichtlich: Nach der großen Trockenheit 2018 und 2019 geht 2020 nach Mitteilung des Lübbecker Meteorologen Friedrich Föst als zweitwärmstes Jahr seit Aufzeichnungsbeginn 1951 an der Wetterstation Rahden-Kleinendorf in die Geschichte ein. Neun der zehn wärmsten Jahre liegen allesamt in den 2000er-Jahren. Die höheren Durchschnittstemperaturen kommen dem Borkenkäfer sehr gelegen, der mittlerweile bis zu vier Generationen in einem Jahr durchläuft.
"Auch das Wasserreservoir des Bodens ist längst noch nicht wieder aufgefüllt", sagt Rolfs. Das ist etwas, was die Waldbauern bei den Wiederaufforstungen im Blick haben müssen. So sollen jetzt Baumarten in Mischkulturen gepflanzt werden, die mit Hitze und Dürre besser zurechtkommen. Forciert werden soll die Eiche, die allerdings sehr langsam wächst und kostspielig ist. Geeignet seien zudem die Buche, Birke, die Douglasie, die Zitterpappel, die Zeder und die Küstentanne als Ersatz.
Holzpreis entäuschend für die Waldbauern
Viele Waldbauern seien aufgrund des Holzpreises enttäuscht, weiß Rolfs. Aber auch der Revierförster, der seit 40 Jahren fast täglich in der Natur unterwegs ist, zeigt sich deprimiert. "Es ist schon niederschmetternd, wenn man die vielen alten und großen Bäume unter dem Harvester aufschlagen sieht." Bis an gleicher Stelle wieder ein stattlicher Baum steht, vergehen Jahrzehnte. "Wir nehmen mittlerweile auch nicht mehr jeden toten Baum raus", sagt er.
Wiederaufforstung wird gefördert
Die abgestorbenen Fichten könnten noch gute Dienste als Wohnung für den Specht und schützendes Dach für junge Bäumchen leisten. Bei der Wiederaufforstung werden die Waldbauern nicht allein gelassen. Rund 80 Prozent der Kosten übernimmt das Land, bei der Eiche ist der Zuschuss gedeckelt. Interessierte Waldbauern können sich direkt über die Internetplattform www.waldinfo.nrw informieren oder sich über den Landesbetrieb Wald und Holz in Minden Beratung bei den Förstern einholen.
"Eine Idee wäre auch die Schaffung von Fonds"
Jürgen Rolfs könnte sich darüber hinaus auch die Schaffung von Fonds vorstellen, die über private Spenden die Rettung des Waldes als grüne Lunge, Heimat für Tiere und Pflanzen und bedeutendes Naherholungsgebiet für die kommenden Generationen mitfinanzieren.
Der Baumbestand im Wiehengebirge
Rund 4.000 Hektar Wald umfasst das Wiehengebirge von Bad Essen bis zum Kaiser-Wilhelm-Denkmal an der Porta Westfalica. Von den rund 50 Prozent Laubholz entfallen zehn Prozent auf die Eiche, etwa 30 Prozent auf die Buche und weitere zehn Prozent auf andere Laubholzarten wie Birke, Ahorn oder die Erle. Unter den 50 Prozent Nadelholz im Wiehengebirge hat die schnell wachsende Fichte insbesondere in der Region des Lübbecker Landes mit mehr als 40 Prozent den weitaus größten Anteil. Rund 80 Prozent des Waldes im Wiehengebirge ist in Privatbesitz, der Rest ist Staatsforst.