Herzebrock-Clarholz. An einem Mittwoch um 7.15 Uhr. Noch schnell gießt Angelika Allerdissen die Blumen im Garten, bevor sich die angekündigte Hitze mit neuen Rekordtemperaturen ausbreitet. Auf einmal schlägt ihr Hund an. Kurz darauf bemerkt auch die 52-Jährige in einer Ecke ihres Gartens, was dieser witterte: zwei zusammengerollte Igel sind dort. Angelika Allerdissen reagiert sofort und bringt sie in ihren Igelschuppen.
Die Igelliebhaberin aus Herzebrock-Clarholz ist seit vier Jahren (auch) Igelschützerin. In einem der beiden Igel erkennt sie ein Jungtier vom Winter 2018 wieder. Die Tiere am Morgen anzutreffen, sei nicht normal. Schon zwei Wochen zuvor, bei der ersten großen Hitzewelle, hatte die Clarholzerin bemerkt, dass etwas nicht stimmt: "Igel haben in der Nacht ordentlich gefressen und getrunken! Zu ordentlich und zu oft." 16 Mal machten sich die vierbeinigen Wildtiere zu einer Futterstelle in ihrem Garten auf. Anhand von Aufzeichnungen durch eine angebrachte Wildtierkamera konnte sie das später nachverfolgen.
"In diesem Jahr laufen Igel wie bekloppt und suchen Futter"
Die Clarholzerin kennt die Gefahren für die sympathischen Gartenuntermieter. Neben den bekannten Feinden des Stacheltieres wie Eulen, Dachse, Rasenmäher, Autofahrer, Schächte und Hunde kommt nun eine neue hinzu: die Hitze. "In diesem Jahr laufen die Igel wie bekloppt und suchen Futter, auch tagsüber. Sie sind sehr abgemagert", schildert sie ihre Beobachtungen. Der Grund: Igel sind ortsgebundene Tiere. Zurzeit finden die nachtaktiven Säugetiere aber an ihren Schlafstellen beim Wühlen im Boden kein Futter und machen sich darum auf Wanderschaft nach ihrer Nahrung.
Doch verläuft sie Suche oft erfolglos: Die Böden sind vertrocknet und verbrannt, was das Wühlen erschwert. Also laufen sie weiter, verbrennen Kohlenhydrate um Kohlenhydrate, die aber nicht durch das spärliche Futter ersetzt werden können. Igel suchen nach Zwischenunterschlüpfen, weil sie es nicht mehr schaffen, zu ihrem Nest zurückzulaufen. Auch die von ihnen gesuchte Nahrung wie Regenwürmer ziehen sich immer öfter in tiefer gelegene, kühlere Erdschichten zurück. Ein Teufelskreis beginnt.
"Offene Schächte und Kellertreppen sichern"
Um diesen durchzubrechen, können Menschen Igeln ganz einfach im heimischen Garten helfen, sagt Angelika Allerdissen. Schützende Unterschlupfplätze können Tierfreunde schaffen, indem sie ein Holzbrett an eine Wand stellen oder etwas Laub unter einem Busch zu einem Haufen zusammenlegen. Auch Holzstapel oder eine -palette nutzen Igel gerne als Schlafplätze. Zudem rät Angelika Allerdissen, Gefahrenquellen im Garten zu verringern. "Vor dem Mähen einmal kurz den Rasen begutachten, die Hecke vor dem Schneiden durchschauen und offene Schächte und Kellertreppen sichern."
Wird ein Igel tagsüber aktiv bei der Futtersuche gefunden oder sieht abgemagert aus, empfiehlt sie, für ihn schnell einen Futterplatz einzurichten: Für die (Erst-)Versorgung reiche ein Trog mit Wasser sowie Trockenkatzenfutter, Regenwürmer oder hochwertiges Hundefutter, das für den kleinen Igelmund zuvor zermahlen werden müsse. Unter keinen Umständen sollten Igel mit Lebensmittelresten, Obst oder gar Milch gefüttert werden. Letztere führe sogar zum Tod der Tiere.
"Dass die Hilfe nun schon im Sommer anfängt, ist vielen nicht bekannt"
"Dass die stacheligen Säugetiere Hilfe bei der Überwinterung im Herbst benötigen, wissen Menschen, aber dass die Hilfe nun schon im Sommer anfängt, ist vielen nicht bekannt", sagt Allerdissen. Igel in den heimischen vier Wänden aufzupäppeln und zu beherbergen, davon sie ab. "Es sind Wildtiere, die in die Natur gehören. Sie sollen nur dann in menschlicher Umgebung sein, wenn sie Hilfe von uns benötigen", unterstreicht die Igelliebhaberin.
Noch haben die Auswirkungen der Trockenheit auf das Nahrungsangebot für Igel nicht ihren Höhepunkt erreicht. Denn jetzt beginnt die Paarungszeit. Ende August, Anfang September werden die Jungtiere geboren. Doch wenn die Igel jetzt nicht genügend Futter finden, können die Muttertiere ihre Nachkommen nicht füttern - oder würden sie nach der Geburt verlassen. Allerdissen hofft darum dass alle mit offenen Augen durch ihren Garten gehen und helfen, damit Igel, "die uns seit Kindertagen begleiten, nicht zu einer Erinnerung werden."
Als Angelika Allerdissen im November vor vier Jahren einen kleinen unterernährten Igel in ihrem Garten fand und Hilfe suchte, fand sie im Internet auf den Verein "Arbeitsgruppe Igelschutz Dortmund", der sich seit 20 Jahren für den Schutz der Tiere einsetzt und eine der wenigen Anlaufstellen in NRW ist. Der Verein half auch der Clarholzerin. Man erhält dort fachliche und praktische Tipps, Medikamentenempfehlungen bei kranken Tieren und in dringenden Fällen nimmt die Igelschutzstation in Dortmund die Tiere auch für eine begrenzte Zeit in Obhut. Über eine 24/7-stündige Notfallhandynummer sind ehrenamtliche Mitarbeiter erreichbar.