Bielefeld

Studentin entdeckt ausgehungerten Igel und päppelt ihn für den Winter auf

Igel Sally war zu klein, wog nur knapp 270 Gramm und schien auf der dringlichen Suche nach Futter. Tierschutzvereine warnen davor, Igel zu fürsorglich zu behandeln

Alexander Lange
21.11.2017 | 21.11.2017, 17:27
Als Sally gefunden wurde, war sie klein und ausgehungert. - © Lea Grundmann
Als Sally gefunden wurde, war sie klein und ausgehungert. | © Lea Grundmann

Bielefeld. Acht Tage ist es her, dass Igel Sally einsam und der Kälte schutzlos ausgesetzt über die Gartenterrasse von Familie Grundmann lief. „So hätte sie den anstehenden Winterschlaf nie überlebt", erzählt Lea Grundmann. Die 23-jährige Sportstudentin entdeckte den kleinen Igel.

Normalerweise sind Igel nachtaktive Wildtiere und schlafen tagsüber. Doch Igel Sally war zu klein, wog nur knapp 270 Gramm und schien auf der dringlichen Suche nach Futter. Bei der Wildtierhilfe und im Internet suchte Lea Grundmann nach Rat, denn um den Winterschlaf zu überstehen, müssen Igel mindestens 600 Gramm wiegen: „Und weil die Igelstationen in diesem Jahr total überfüllt seien, fragte die Dame von der Wildtierhilfe dann, ob ich ihn nicht zuhause behalten kann."

Gesagt, getan: Also fuhr Lea Grundmann zum Baumarkt, ließ dünne Bretter für ein passendes Igel-Gehege zuschneiden, baute ein Häuschen aus Pappkarton und füllte es mit Papierschnipseln – „so können sich Igel dann ihr eigenes Nest bauen". Seitdem wohnt Igel Sally bei Lea Grundmann im Wohnzimmer und wird Tag für Tag mit Katzenfutter aufgepäppelt. Auch die Untersuchung beim Tierarzt hat Igel Sally schon hinter sich.

Dass Lea Grundmann die knapp 50-Euro-hohe Tierarztrechnung und die Kosten für das Gehege selber tragen muss, findet sie jedoch etwas schade: „Ich habe schon bei der Stadt und beim Tierheim angerufen, ob es da nicht irgendwelche Fördertöpfe gibt. Für einen Studenten ist das schon viel Geld."

Inzwischen wiegt Sally 350 Gramm

In den vergangenen acht Tagen, seitdem Igel Sally bei den Grundmanns wohnt, hat das kleine Tier bereits kräftig zugelegt und wiegt inzwischen 350 Gramm. Während Lea Grundmann tagsüber für Klausuren lernt oder in den Vorlesungssälen der Bielefelder Uni sitzt, schläft Igel Sally. In der Nacht streunert sie dann aber durch ihr Gehege, kratzt und wuschelt durch ihr Papierschnipsel-Nest. „Und ehrlich gesagt riechen Igel auch nicht besonders gut", so Lea Grundmann.

Lea Grundmann hat Sally in ihrem Garten entdeckt. - © Alexander Lange
Lea Grundmann hat Sally in ihrem Garten entdeckt. | © Alexander Lange

Wichtig war Tierfreundin Lea Grundmann aber auch, stetig mit der Tierhilfe in Kontakt zu stehen, um nichts falsch zu machen oder dem Igel grundlos seinen natürlichen Lebensraum zu nehmen. „Wir füttern ihn jetzt so lange weiter, bis er ungefähr 600 oder 700 Gramm wiegt", gehört für Lea Grundmann das tägliche Igel-Wiegen zur Morgenroutine. Dann ist er schwer genug, um den Winterschlaf zu überleben.

Doch einfach im Garten ausgesetzt wird Igel Sally dann nicht. Ihr Häuschen behält die stachelige Mitbewohnerin, zieht lediglich vom Wohnzimmer in den Garten um. Es müsse richtig kalt für den Winterschalf sein, so Lea Grundmann. Dann fährt der Körper der Igel komplett runter, die Herzfrequenz sinkt und die Nahrungsaufnahme setzt völlig aus.

Im Frühjahr, wenn die Außentemperaturen steigen, wachen die Igel dann wieder aus ihrem Winterschlaf auf. Und dann gibt es für Sally auch nicht mehr nur Katzenfutter aus der Dose, sondern wieder Regenwürmer, Insekten und Schnecken in der freien Wildbahn. „Igel stehen unter Naturschutz, die darf man sich auf keinen Fall als Haustier halten", so Lea Grundmann: „Normalerweise werden Igel bis zu sieben Jahre alt, doch die Lebenserwartung liegt leider nur bei zwei Jahren." Autos seien die einzigen Feinde der Igel.

Tierschutzverein Bielefeld warnt davor, Igel zu fürsorglich zu behandeln

Auch Michael Hanke vom Tierschutzverein Bielefeld kennt sich mit Igeln aus. Er warnt davor, zu fürsorglich mit Igeln im eigenen Garten umzugehen: „Nur weil Igel klein sind, heißt es nicht, dass man sie unbedingt zufüttern muss." Viele Jungtiere, die im Sommer geboren wurden, seien eben noch nicht so weit – das Gewicht komme aber noch. Nur wenn die Tiere orientierungslos wirken, herumtorkeln und eingefallene Augen haben, solle man sie zum Tierarzt bringen, so Hanke.

Menschliche Eingriffe sind von Nachteil, sagt der Nabu. - © Lea Grundmann
Menschliche Eingriffe sind von Nachteil, sagt der Nabu. | © Lea Grundmann

Das Tierheim habe zurzeit einige wenige Igel aufgenommen, sei aber damit schon an seine Grenzen gekommen: „Igel sind eben Wildtiere, dafür haben wir nur begrenzten Platz."

Andreas Schäfferling, Vorsitzender des NABU-Stadtverbands Bielefeld, ist kein Freund von menschlichen Igel-Herbergen: „Menschliche Eingriffe sind immer nachteilig. Die Natur weiß am besten, was für einen Igel gut ist." Lediglich sichtbar kranke Tiere sollten zum Tierarzt gebracht werden. Wer den Igeln im heimischen Garten jedoch etwas gutes tun wolle, der könne Rückzugsmöglichkeiten durch Laubhaufen oder ähnliches schaffen.