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"Dark Pictures: House of Ashes" im Test: Die Grabkammer der Abenteuer

Nach "Man of Medan" und "Little Hope" ist dies der dritte Teil der "Dark Pictures"-Reihe. Wir haben das Spiel ausführlich getestet.

Christian Lund
29.10.2021 | 23.06.2022, 08:32

"Ist das Blut?" Grundsätzlich eine gute Frage, wenn man vor einer roten Lache steht, bei der noch nicht ausgeschlossen wurde, dass es sich um Granatapfelsaft handelt. Hier aber fragt das nicht irgendwer, sondern Oberstleutnant Eric King der US Air Force, der sicherlich schon manche Blutlache gesehen hat. Er wird als rational und unsicher beschrieben. Und er ist sicher nicht die hellste Kerze auf der Torte. Willkommen bei "House of Ashes", dem dritten und damit neuesten Teil der "Dark Pictures"-Reihe.

Nachdem wir uns in "Man of Medan" durch ein verlassenes Schiff geschlagen haben und mit Piraten aneinander geraten sind und in "Little Hope" durch Nebel gestochert sind und ein Dorf mit Hexenvergangenheit besucht haben, führt uns "House of Ashes" jetzt im Jahr 2003 in den Irak. Wenige Wochen nach dem Einmarsch der USA in den Irak sollen wir als kleiner Trupp von fünf Leuten ein unterirdisches Höhlensystem untersuchen, in dem das Versteck von Saddam Husseins geheimen Massenvernichtungswaffen vermutet wird.

Worum geht's genau?

Die "Until Dawn"-Macher Supermassive bleiben auch im dritten Teil ihrer Linie treu: "House of Ashes" erzählt eine eigenständige Geschichte, für die das Spielen der beiden Vorgänger nicht notwendig ist. Entweder allein, in einer Couch-Party oder aber zu zweit im Online-Koop-Modus steuern wir abwechselnd die wesentlichen fünf Personen aus der Third-Person-Perspektive.

Die eigentlich lineare Geschichte können wir durch Dialogentscheidungen und Quick-Time-Events verändern - und wir haben in diesem Teil endlich einen Eindruck davon gewonnen, wie unterschiedlich das sein kann (wir wollen aber nicht spoilern!). Wir beeinflussen damit nicht nur die Beziehung der Personen zueinander, sondern vor allem ihre sehr persönliche Beziehung zum Tod. Denn wenn wir falsche Entscheidungen treffen oder zu langsam auf die Aktionstaste hämmern, kommt Gevatter Tod und reißt denjenigen jäh aus dem Leben. Dadurch wiederum verändern sich spätere Szenen und Dialoge.

Was hat uns gefallen?

"Ganz schöne Wundertüte hier", sagt einer unserer Helden später. Tja, tatsächlich waren wir anfangs sehr skeptisch, ob uns die Geschichte von Saddams Geheimversteck unter der Erde auf einem ähnlichen Level wie die Vorgänger unterhalten könnte. Die ehrliche Antwort ist: "House of Ashes" ist der bisher beste Teil der Reihe. Vom eher langweiligen Vorgeplänkel im Tageslicht sollte man sich nicht täuschen lassen. Hier lernen wir die Figuren kennen, deren Schicksal wir bald in den Händen haben.

Da ist zum einen der schon oben erwähnte Eric King, der per Hubschrauber in das Lager kommt und dort nach einem Jahr auf seine Ehefrau Rachel trifft, die dort als befehlshabende Stabsoffizierin keinen leichten Stand hat. Unter den Männern kursiert für sie ein deutlicher Spitzname: Queen Bitch. Einer ihrer Untergebenen aber findet nur schöne Worte für sie: Sergeant Nick Kay. Seit einiger Zeit führt er mit Rachel eine Liebesbeziehung. Und ausgerechnet jetzt kommt ihr Mann Eric, um mit ihnen zu einem Spezialeinsatz aufzubrechen.

Über der Erde fühlt es sich zunächst so an, als wären wir in einem Shooter gelandet, denn die irakischen Hirten, die wir befragen müssen, bekommen unweigerlich Unterstützung von irakischen Soldaten. Nach einer heftigen Schießerei, die bereits erste Schicksale klärt, tut sich der Boden unter uns auf. Was wir vorfinden, ist ein vergrabener sumerischer Tempel.

Der Weg nach oben ist versperrt, also müssen wir einen anderen Weg finden. Vor uns waren offenbar schon andere da, denn wir finden Überreste einer Expedition. Schnell kommt der Argwohn, denn an Säulen hängen ungezündete Sprengladungen, über einige Wege sind Stolperdrähte mit Granaten gespannt, Durchgänge mutwillig versperrt. Wer oder was soll hier aufgehalten werden?

Schon vorher hatte ein Soldat die Marschrichtung vorgegeben: "Marines können sehr abergläubisch sein." So dürfe man sich beim Aussteigen nicht nach dem Heli umsehen, sonst sei der ganze Trupp verflucht. Was macht sich also der Soldat für ein Späßchen? Nun...

Je tiefer wir vordringen, desto schauerlicher wird es, denn die seltsamen Gestalten, die wir dann und wann vorbeihuschen sehen, entpuppen sich bald als antike und schauerliche Kreaturen, die nur auf Frischfleisch gewartet haben. Sagen wir mal so: Wenn Sie "Midnight Mass" bei Netflix mochten, könnte Ihnen auch "House of Ashes" gefallen.

Anders als bei den Vorgängern haben wir bei "House of Ashes" Lust, das Spiel wieder und wieder zu spielen, um herauszufinden, wie man den Ausgang beeinflussen kann oder um alle Geheimnisse zu entdecken. Denn auch in diesem Teil dauert ein Spieldurchgang maximal fünf bis sechs Stunden. Wir wissen aber, dass wir zum Beispiel nicht alle Bereiche der Katakomben gesehen haben, weil wir an einer Stelle den Schwanz eingezogen haben, um überhaupt noch mit irgendeiner Person lebend zu entkommen. Wir wissen auch, dass wir endlich mal eine Gruppe von Helden haben, die zwar immer noch klischeehaft ist, aber uns dennoch teilweise sehr ans Herz wächst.

In diesem Zusammenhang: Supermassive hat auf die Fans gehört und hat erstmalig drei unterschiedliche Schwierigkeitsstufen eingebaut. Logischerweise kann man die Schwierigkeit während des Spiels nicht ändern. Das wäre ja zu einfach.

Ohnehin gibt es auch in "House of Ashes" wieder die Möglichkeit, Vorahnungen zu entdecken, mit denen wir sozusagen für zwei bis drei Sekunden in die Zukunft schauen und erahnen können, wie eine kommende Todesszene aussehen und wie man sie vielleicht verhindern könnte.

Die deutsche Sprachausgabe ist durch die Bank gelungen, Sprachaussetzer, wie wir sie in den Vorgängern erlebt haben und wie sie noch einige Rezensionen von "House of Ashes" erwähnen, haben wir nicht erlebt - vermutlich ist hier bereits gepatcht worden.

Was hat uns nicht gefallen?

Ja, auch "House of Ashes" hat noch ein paar Mankos. Die fallen vor allem auf den Next-Gen-Konsolen auf, bei uns auf der PS5. Während "Little Hope" kurz vor dem Launch von PS5 und Xbox Series X/Sauf den Markt kam und ausschließlich für die damals aktuelle Generation gemacht war und auch kein Next-Gen-Update bekam, ist "House of Ashes" für die Next Gen optimiert worden. Die Leistung dieser Generation ruft das Spiel dennoch kaum ab, allenfalls bei den schnellen SSDs. Dennoch sehen wir immer noch Ladebalken kurz aufblitzen, was eher stroboskopische Effekte hat. Und ein bisschen nervt.

Optisch sieht "House of Ashes" auf allen Plattformen gut aus, aber auch hier hätte man auf den Next-Gen-Konsolen mehr rausholen können. Zeitgemäß ist Supermassive damit leider noch nicht, auch wenn es Fortschritte gibt.

Was uns immer noch kolossal nervt, ist, dass diese Figuren nicht rennen können. Wir sind gezwungen, langsam durch die Gänge zu stapfen und haben uns allzu oft gewünscht, auf den linken Analogstick drücken zu können, um ins Rennen zu kommen. Pustekuchen. Stattdessen: Stapf, stapf, latsch, latsch.

Zwischensequenzen können wir nicht überspringen. In der ersten Runde macht das ja noch Sinn, aber in der zweiten Runde wäre es nicht schlecht, wenn wir Sequenzen, die wir schon kennen, überspringen könnten. Stattdessen greifen wir halt zum Second Screen und sind erstmal raus aus der Geschichte.

Unser Fazit

Wir haben zum ersten Mal in dieser Reihe Lust darauf, heute Abend wieder mit unserer Schicksalsgemeinschaft hinab in die Erde zu steigen, um zu sehen, wie es läuft, wenn es anders läuft. Wenn wir alle Entscheidungen mit dem Kopf treffen. Oder wir ein Ehepaar wieder zusammenführen. Oder wir vielleicht alle Geheimnisse finden. Nach einem Kampf mit den garstigen Biestern sagt einer der Soldaten, wonach er sich am meisten sehnt: "Sonne und ein kaltes Bier."

Wir dagegen sind unerbittlich und schicken die Gemeinschaft gleich wieder runter. Und außerdem müssen wir unbedingt unseren Eindruck überprüfen, ob wir nicht vielleicht einen Hinweis gefunden haben, wie alle "Dark Pictures"-Teile vielleicht zusammenhängen könnten, denn wir haben da etwas entdeckt.

"House of Ashes" bietet die bisher beste Geschichte der ganzen Reihe mit einem passenden mythologischen Setting, einem spannenden Rätsel und der Erkenntnis, dass Supermassive immer nochmal eine Überraschung im Ärmel hat.

Wer allerdings einen Horror-Schocker erwartet, wird wie bei den beiden Vorgängern enttäuscht. Zwar gibt es ein paar Jumpscares, allerlei gruselige Gestalten und beklemmende Situationen, aber der pure Horror im Schocktober ist das nicht.

"Dark Pictures: House of Ashes" ist seit dem 22. Oktober 2021 für PC, Playstation 4, Playstation 5, Xbox One und Xbox Series X|S verfügbar und kostet rund 30 Euro. Das Spiel hat keine Jugendfreigabe.