
Wenn wir Journalisten bildlich eine Schere im Kopf haben, ist das nie gut. Dann legen wir uns innerlich schon Fesseln an, bevor wir mit dem Schreiben beginnen. Wenn wir aber im Horrormonat Oktober ein Horror-Survival-Spiel zocken und die fiese Haushälterin unserer Figur immer wieder mit Wucht eine Schere in den Kopf jagt, dann ist auch das nie gut. Ohne Fesseln im Kopf beschreiben wir in diesem Text, warum "Remothered: Broken Porcelain" das wohl schlechteste Horror-Spiel des Jahres ist - obwohl es wirklich auch gute Ansätze hat. Und wir klären auch das mit der Schere auf.
Worum geht's?
"Remothered: Broken Porcelain" ist der lang erwartete Nachfolger von "Remothered: Tormented Fathers", einem Überlebens-Horror-Spiel aus dem Jahre 2018, das vom italienischen Studio Stormind Games entwickelt und von Darril Arts für PlayStation 4, Xbox One und Microsoft Windows veröffentlicht wurde. Wer - so wie wir - den Vorgänger nicht gespielt hat, kann nach Angaben des Publishers trotzdem beherzt zugreifen, weil "Broken Porcelain" zugleich Sequel und Prequel ist. Bevor wir in die neue Geschichte eintauchen, können wir außerdem die Kurzzusammenfassung ansehen, was ein bisschen hilft.
Zu sehr helfen soll die Vorgeschichte jedoch vermutlich nicht, denn die Handlung von "Broken Porcelain" ist wohl absichtlich etwas verworren. Vor allem die Zeitsprünge zwischendurch vergrößern die Verwirrung. Aber wir können sagen: am Ende löst sich das verschlungene Rätsel-Knäuel auf und ist erstaunlich schlüssig - und ganz schön traurig.
Aber, ja: worum geht's eigentlich? Wir steuern aus der Third-Person-Perspektive die Hauptfigur Jennifer (übrigens eine Referenz zum PS2-Horrorspiel "Rule of Rose" und dem SNES-Klassiker "Clock Tower"), eine junge Frau mit einer sehr mysteriösen Vergangenheit, die aus dem Internat geworfen wird und nun eine Stelle als Dienstmädchen im Ashmann Inn angetreten hat. Das Ashmann Inn ist nicht die romantische Absteige für Verliebte, sondern eher das Low-Budget-Etablissement für Mutige. Jack Torrance würde sich hier vermutlich wohlfühlen.

Schnell findet Jennifer heraus, dass die Mitarbeiter im Ashmann Inn alle gehörig einen an der Waffel haben. Die erste Begegnung, die wir haben, ist die mit Andrea, der Haushälterin. Die ist wirklich nicht gut auf uns zu sprechen und hat das unbedingte Ziel, uns eine Schere in den Kopf zu jagen. Um das zu verhindern, gehen wir ihr partout aus dem Weg und verstecken uns lieber in Schränken oder Truhen.
Was nervt - was gefällt?
Leider steckt das Spiel so voller Fehler, dass wir oft vor einer Truhe stehen und verdammt nochmal den Deckel nicht aufkriegen und dann: haben wir eine Schere im Kopf. Oder wir schleichen uns um eine Flur-Ecke, stehen plötzlich Andrea gegenüber, rennen davon, wollen um die Ecke, aber die Kollisionsabfrage ist so miserabel, dass wir hängen bleiben und: naja, Schere im Kopf.
Das Ding ist: wir können Andrea nicht besiegen: Wir sammeln aus Schubladen und Schreibtischen Verteidigungsmittel wie Klappspaten oder Messerchen, womit wir Andrea zumindest anpieksen oder ihr eins überbraten können. Das aber soll uns dann nur Zeit verschaffen, um ihr einen Schlüssel abzuluchsen oder schneller in der nächsten Truhe zu sein. Die frontale Konfrontation ist nicht zu empfehlen, sonst: ihr wisst schon. Besser ist es, sich langsam anzuschleichen, sie mit dem Wurf einer zuvor eingesammelten Weinflasche abzulenken und sie dann hinterrücks zu überfallen.
Ja, man verbringt viel Zeit mit dem Schleichen. Denn Andrea ist natürlich nicht der einzige Bösewicht - es gibt sie in mannigfaltiger Form und Güte, das Spiel nennt sie "Stalker", mächtige Jäger. Sicher sind wir nur, wenn wir uns verstecken, wenn wir schleichen, aus dem Verborgenen agieren. Man verbringt aber leider auch viel Zeit mit dem Öffnen von bestimmten Schubladen oder Schranktüren oder dem Aufheben von Gegenständen, denn die Anzeige verrutscht ständig, so dass wir allzu oft die falsche Tür oder Schublade öffnen und genervt versuchen müssen, diesmal die richtige zu treffen. Im Zweifel wird dann die Schublade oben drüber wieder geschlossen. Tödlich werden diese Bugs dann, wenn die Kamera unseren Handlungen nicht richtig folgt oder eine Eingabeaufforderung nicht oder zu spät kommt. Jede Verzögerung in diesem Spiel bedeutet den sicheren Tod.
Wir wollen aber auch die guten Aspekte des Spiels nicht verheimlichen: Zum einen ist da die wirklich gute, angespannte Atmosphäre. Die Musikuntermalung, die Geräusche, die Farben - all das sorgt für die richtige düstere, bedrückende Stimmung. Es ist nicht erstklassig, vor allem keine AAA-Grafik, aber es atmet den Charme der 1970er Jahre sehr passend.
Gut gefallen hat uns auch, dass wir unsere kleinen Nahkampfwaffen in einem Menü selber craften können. Leider ist das Menü aus unserer Sicht wiederum etwas kompliziert und nicht gerade intuitiv bedienbar. Eine gute Entscheidung war es wohl auch, die von vielen Spielern kritisierten Quick-Time-Events aus dem Vorgänger nicht in das neue Spiel zu übernehmen. Stattdessen können wir selbst aktiv werden.
Es gibt keine deutsche Tonspur, nur deutsche Untertitel. Wir empfehlen, die Untertitel mitlaufen zu lassen, weil das Englisch oft schwer zu verstehen ist, mitunter auch deshalb, weil die alle sehr schnell sprechen. Geradezu gehetzt. Was natürlich auch ein Stilmittel sein könnte - wir wissen es nicht.
Fazit
Begrenzte Ressourcen und eine begrenzte Umgebung - das sind einfach die besten Settings für gute Horrorspiele. Mit Freude denken wir da etwa an den Auftakt der "Dark Pictures"-Reihe, die mit "Man of Medan" (zur nw.de-Rezension) hauptsächlich auf und in einem düster-bedrohlichen Geisterschiff spielte. Gerade ist der zweite Teil "Little Hope" erschienen.
Trotz des Potentials ist "Broken Porcelain" vor allem wegen der vielen Bugs und Glitches für uns das schlechteste Horror-Spiel des Jahres. Zu den oben schon erwähnten Fehlern haben wir bizarre Audiofehler gehört und interessant fehlerhafte Lippensynchronisation gesehen. Es ist nicht zu begreifen, warum die Entwickler lieber schlechte Kritiken riskieren, statt die diversen Bugs vor dem Release auszumerzen.
Da hilft es einfach auch nicht, dass jetzt Patch um Patch nachgeliefert wird. Das Erstaunliche ist ja, dass das Spiel ursprünglich erst am 20. Oktober erscheinen sollte, man sich dann aber entschieden hat, es um eine Woche vorzuverlegen. Begründung: "Wir möchten allen Fans von Horror-Titeln die Möglichkeit geben, 'Broken Porcelain' früher zu genießen, bevor um Halloween herum all diese großartigen Titel veröffentlicht werden."
Nun, hätten sie sich doch einfach noch ein bisschen in einer Truhe versteckt... und das Spiel zu Ende gecraftet.
"Remothered: Broken Porcelain" ist seit dem 13. Oktober 2020 für PlayStation 4, Nintendo Switch, Xbox One und PC ab rund 30 Euro erhältlich.