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"Dark Pictures: Little Hope" im Test oder: Das Dorf der Abenteuer

Nach "Man of Medan" ist dies der zweite Teil der vielversprechenden "Dark Pictures"-Reihe. Ob sie die Spannung und Dramatik aus dem ersten Teil halten kann, haben wir getestet.

Vier Studenten und ein Professor (Mitte), das sind die mehr oder minder glorreichen Fünf, mit denen wir uns durch "Little Hope" spielen.  | © Bandai Namco

Christian Lund
17.11.2020 | 23.06.2022, 10:19

Bielefeld. "Der Nebel entscheidet, wohin wir gehen sollen? Scheiß drauf, ich geh woanders lang." Was nach pubertierendem Teenager klingt, ist leider tatsächlich eine erwachsene (ok, etwas nervige und naive) Studentin, die sich mit drei Kommiliton*innen und ihrem Professor nach einem Busunfall in einer verlassenen Stadt wiederfindet, die vor allem wegen ihrer Hexenprozesse historisch bekannt ist. Und dieser Nebel, der überall herumwabert, erlaubt seltsamerweise kein Entkommen: Wer ihn betritt, kommt immer wieder an derselben Stelle heraus. Willkommen in "Little Hope", dem verhexten Ort im zweiten Ableger der "Dark Pictures"-Reihe aus der Feder der "Until Dawn"-Macher Supermassive.

Nachdem wir im ersten Teil ("Man of Medan") auf einem verlassenen Schiff unterwegs waren, ist es jetzt also ein verlassenes Dorf mit Hexen-Vergangenheit. Kann die "Dark Pictures"-Reihe ihre Spannung aus dem ersten Teil halten? Oder ist "Little Hope" ein ideenloser "Silent Hill 2"-Abklatsch? Das haben wir getestet.

Andrew, sehr überzeugend gemimt von Schauspieler Will Poulter, muss sich entscheiden, wie er reagiert. Oder vielmehr: wir müssen entscheiden, wie er reagiert. Warten wir zu lange, sagt er nichts. Ist auch ok. - © Bandai Namco
Andrew, sehr überzeugend gemimt von Schauspieler Will Poulter, muss sich entscheiden, wie er reagiert. Oder vielmehr: wir müssen entscheiden, wie er reagiert. Warten wir zu lange, sagt er nichts. Ist auch ok. | © Bandai Namco

Worum geht's?

Ein Bus mit vier StudentInnen und ihrem Professor fährt durch die Nacht. Wegen einer gesperrten Straße muss der Busfahrer unglücklicherweise einen kleinen Umweg nehmen - und legt den Bus wenig später durch ein plötzliches Ausweichmanöver auf die Seite. Mitten in der Nacht finden sich die StudentInnen mit ihrem arroganten Prof auf einer kaum beleuchteten Straße wieder. Der Busfahrer ist verschwunden, und dichter Nebel zieht auf. Doch in der Nähe soll es einen Ort namens Litte Hope geben. Dort wird es ja wohl ein Telefon geben, mit dem man Hilfe holen kann.

Doch der Weg dorthin ist schon mit Seltsamkeiten gepflastert. Der Nebel scheint ihnen zu folgen und sie vor sich herzutreiben, eine Umkehr ist nicht möglich, denn wer den Nebel betritt, sieht nur noch eine weiße Wand - und steht dann wieder an derselben Stelle wie zuvor. Als Spieler ahnt man natürlich, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugeht. Wie die Figuren darauf reagieren, geben wir ihnen vor.

Dazu übernehmen wir abwechselnd einen der fünf Charaktere und müssen in Dialogen entscheiden, wie sie antworten. Wenn wir in der einigermaßen langen Entscheidungsphase keine Idee haben, können wir auch schweigen. Das Prinzip ist bekannt. Angeblich sollen sich so Szenen und Erzählstränge anders entwickeln. Wir konnten das allerdings nicht nachvollziehbar beobachten.

Wesentlich intensiver geraten wieder die Quick-Time-Events, also Passagen, in denen wir in schneller Abfolge bestimmte Tasten drücken müssen. Wer nicht schnell genug ist, stirbt. Wer fleißig Schubladen öffnet und herumliegende Fotos auch von der Rückseite begutachtet, kann Vorahnungen erleben, welchem Charakter es möglicherweise wie an den Kragen geht. Entsprechend vorsichtig kann man dann agieren.

Über die Geschichte des Örtchens Little Hope wollen wir nicht zu viel verraten, damit nicht zu viel verloren geht. Es sei aber so viel gesagt, dass es nicht nur um Hexerei geht, sondern auch um Parallelwelten und drei unterschiedliche Zeithorizonte. Das klingt verwirrend, hat aber einen großen Überbau. So richtig schlüssig ist der nicht in allen Bereichen, und der passende Aha-Effekt hat uns letztendlich auch gefehlt.

Was hat uns gefallen?

Die kleine Mary ist ein Mädchen aus der dunklen Vergangenheit von Little Hope, als dort Frauen wegen Hexerei zum Tode verurteilt wurden. Der Priester (l.) spielt dabei eine besondere Rolle. - © Bandai Namco
Die kleine Mary ist ein Mädchen aus der dunklen Vergangenheit von Little Hope, als dort Frauen wegen Hexerei zum Tode verurteilt wurden. Der Priester (l.) spielt dabei eine besondere Rolle. | © Bandai Namco

Dass die "Until Dawn"-Macher auch den zweiten Teil wieder filmisch gut umsetzen würden, daran hatten wir keinen Zweifel. Auch "Little Hope" ist wieder ein optisch toller, spielbarer Film, den man bequem im Liegen auf dem Sofa zocken kann. Wir haben kein riesiges Open-World-Spiel, das wir erkunden müssen, sondern enge, lineare Levels. Das ist zur Abwechslung echt angenehm.

Die Settings sind atmosphärisch der Knaller. Das hat Supermassive echt drauf. So betreten wir eine einsame Kneipe, in der nur ein einziger Gast am Tresen sitzt, ein verstaubtes Museum oder einen Friedhof, auf dem die Grabsteine schon vom Moos überwuchert sind. Zugleich ist es ein fantastisches Spiel von Licht und Schatten.

Das Spielprinzip, nach dem wir entscheidend dafür sorgen, wie unsere Charaktere den Spuk überleben oder sich zueinander verhalten, gefällt uns übrigens nach wie vor. Vor allem erhöht das die Lust, das Spiel mehrmals durchzuspielen, denn mit nur einem Durchgang braucht man nicht mehr als fünf bis sieben Stunden. Wir empfehlen außerdem, den Couch-Koop auszuprobieren. Bis zu fünf Leute teilen sich dann den Controller und spielen abwechselnd eine Rolle. Hier können sich zum Beispiel zwei Couchspieler gegeneinander ausspielen. Das schafft ganz neue Herausforderungen.

Was hat uns nicht gefallen?

Im Gegensatz zum Vorgänger werden Quick-Time-Events jetzt vorher mit einer Anzeige angekündigt. Man kann sich also darauf vorbereiten. In "Man of Medan" wurden wir noch mit einer plötzlich akuten Bedrohungslage überrascht - das gefiel uns wesentlich besser und hat für heftigere Adrenalinschübe gesorgt als in der jetzigen "leichten" Version. Nicht beirren lassen: Es ist dadurch nicht leichter geworden, die Quick-Time-Events zu überstehen, aber die ersten zwei bis drei Tasten sollte man jetzt schon richtig erwischen. Ansonsten kommt Gevatter Tod.

Hello! Is it my, you're looking for? Andrew steht plötzlich ganz allein im nebligen Wald von Little Hope. Die Stimmung ist oft grandios eingefangen. (Wir haben das Foto ein wenig aufgehellt, tatsächlich ist es im Spiel wesentlich dunkler.) - © Bandai Namco
Hello! Is it my, you're looking for? Andrew steht plötzlich ganz allein im nebligen Wald von Little Hope. Die Stimmung ist oft grandios eingefangen. (Wir haben das Foto ein wenig aufgehellt, tatsächlich ist es im Spiel wesentlich dunkler.) | © Bandai Namco

Apropos Tod und Adrenalin: "Little Hope" übertreibt es leider ein wenig mit der Jumpscare-Dichte. Wo am Anfang noch - von einem Orchestertusch begleitet - plötzlich Wildtiere über die Straße springen (ernsthaft!), sind es später gruselige Fratzen und Zombies, die immer wieder auf ähnliche Art und Weise nach uns haschen. Irgendwann waren wir im "Ach, schon wieder so'ne Fratze"-Modus. Das darf in einem Horrorfilm oder -spiel nicht passieren.

Was uns in sehr, sehr vielen Spielen nervt, geht uns auch in "Little Hope" auf den Keks: man kann nicht ordentlich rennen. Wir können entweder angemessen langsam gehen oder einen Schleichgang höher schalten. Das war's. Wer zum Beispiel "Red Dead Redemption 2" gespielt hat, dürfte sich daran erinnern, wie toll man in seinem eigenen Lager rennen darf. Nämlich gar nicht. Man kann nur cowboyesk-cool dahinstapfen. Kaum anders fühlt es sich bei "Little Hope" an. Wenn unsere Figuren rennen sollen, sorgt das Spiel selbst dafür - wir sind in diesen Momenten dann eher mit Quick-Time-Events beschäftigt. Ansonsten wird man zur Langsamkeit erzogen.

Fazit

Der Kurator spielt keine entscheidende Rolle, ist aber das interessante Bindeglied zwischen den "Dark Picture"-Teilen. - © Bandai Namco
Der Kurator spielt keine entscheidende Rolle, ist aber das interessante Bindeglied zwischen den "Dark Picture"-Teilen. | © Bandai Namco

Technisch gerät "Little Hope" in den meisten Bereichen gut. Erlebt haben wir nur eine seltsame Situation, in der eine Figur die Lippen bewegte, aber kein Ton zu hören war, und eine weitere, in der die deutsche Tonspur plötzlich auf die englische und dann wieder zurückwechselte. Ruckler oder Glitches haben wir nicht gesehen, und die Ladezeit war vollkommen in Ordnung.

Insgesamt sind wir davon überzeugt, dass die "Dark Pictures"-Reihe eine gute ist - nur "Little Hope" ist der erzählerisch schwächere Teil, auch in der Anlage der wenig überzeugenden Charaktere. Alle sind auf rätselhafte Weise verbunden - vor allem durch den geheimnisumwobenen Kurator. Als Allwissender beobachtet er die Entscheidungen und den Fortschritt der Protagonisten und wird vom britischen Schauspieler Pip Torrens ("The Crown", "Preacher") gespielt. Wenn wir ihn bitten, gibt er Hinweise und ist dabei bestenfalls kryptisch. Ein grandioser Charakter, dem wir auch in den nächsten Teilen begegnen werden. Oder zumindest in einem weiteren, wie er am Ende von "Little Hope" ankündigt - und dann einen Blick gewährt auf "House of Ashes". Erscheinungsjahr: 2021.

Die "Dark Pictures"-Reihe ist auf acht Folgen angelegt. Eigentlich sollten jedes Jahr zwei Folgen auf den Markt kommen, jetzt lag ein Jahr zwischen Teil eins und zwei. Aus unserer Sicht kein Manko, denn in der Vergangenheit haben diverse Publisher bewiesen, dass zu schnell auf den Markt geworfene Spiele nicht die beste Idee sind. Insofern warten wir gespannt auf den dritten Teil und hoffen darauf, dass wir dann wieder charismatischere Charaktere vor dem Tode retten dürfen.

"Dark Pictures: Little Hope" ist seit dem 30. Oktober 2020 für Playstation und XBox erhältlich und kostet rund 30 Euro. Das Spiel hat keine Jugendfreigabe.