Mit bald 34 Jahren hat man als Gamer schon so einige Meilensteine gesehen und mindestens genauso viele ignoriert. "Diablo II" aber legte bei derart vielen Spielern den Grundstein, dass es kein Wunder ist, wie groß 21 Jahre später die Vorfreude auf das Remaster "Resurrected" ist.
Doch wie schon bei "Warcraft III Reforged", das Blizzard ziemlich in den Sand setzte, hat sich der Entwickler für eine ganz bestimmte Art Remaster entschieden. Und an der wird sich entscheiden, ob man mit dem Klassiker auch heute noch Spaß hat. Der Versuch einer Erklärung.
Wer wird "Resurrected" mögen?
Die kurze Antwort: erstmal jeder, der das Original mochte. Denn Blizzard hat an der Spielmechanik grundsätzlich kaum etwas verändert. Aus der Draufsicht erkunden wir mit unserem Helden von Barbar bis Totenbeschwörer die düstere Welt Sanktuarios, um die drei großen Übel Diablo, Mephisto und Baal aufzuhalten, sammeln immer bessere Waffen und Rüstungen, leveln unsere Skills auf und erledigen eine Handvoll Quests.
Das sieht jetzt allerdings deutlich schicker aus, das Grafikupdate ist Blizzard hervorragend gelungen. Ja, man kann aus Nostalgie auch nahtlos in die alte Pixel-Ansicht wechseln - während man gerade die Giftspritze Andariel vermöbelt - aber hat man das einmal gemacht, fragt man sich: Warum sollte ich? Der Detailgrad ist fantastisch, wirkt aber trotzdem nicht wie eine Abkehr vom Design und Stil des Originals - was übrigens auch für die generalüberholten Zwischensequenzen gilt. Mein Gott, sind die gut geworden.
Nun haben sich Spiele seit dem Erscheinen von "Diablo II" weiterentwickelt. Etliche Komfortfunktionen haben den Spielfluss um alles bereinigt, was bremsen könnte. "Resurrected" pfeift da ziemlich selbstbewusst drauf. Mal abgesehen davon, dass wir Gold nun automatisch aufsammeln und deutlich mehr Stauraum für unsere Beute in der Schatztruhe haben, lässt sich das Remaster praktisch genauso spielen, wie das Original. Heißt also: regelmäßige Rückkehr zu Händlern per Stadtportal, magische Objekte bei Deckard Cain identifizieren und zwischendurch den Ausdauerbalken aufladen lassen.
Blizzard konserviert erkennbar das Spielgefühl von damals. Und Veteranen merken, dass sich die Finger erstaunlich schnell wieder an die damaligen Routinen erinnern. Der Wiedereinstieg geht so reibungslos, das man sich ratzfatz auf alles eingestellt hat, was das Spiel von einem verlangt. So gesehen ist "Resurrected" die Entwicklerantwort auf den immer gleichen Spielerwunsch: "Mit neuer Grafik würde ich das sofort wieder spielen." Doch man kann das auch anders sehen.
Wer wird (auch als Veteran) Probleme bekommen?
Jeder, der Auto-Gold, geräumige Inventare und mehr als 24 Quests pro Rollenspiel nicht für neumodischen Quatsch, sondern für lobenswerte Fortschritte im Rollenspielgenre hält. Denn so gut das Spielprinzip im Jahr 2000 funktionierte, so viel mehr leisten Games heutzutage, um uns nicht mit Umständlichkeit zu verprellen.
Und an manchen Stellen merkt man in "Resurrected" eben, dass "Diablo II" uns damals wie das Ultimo vorkam, weil es einfach noch kein Spiel gab, dass es besser gemacht hatte. "Titan Quest", "Torchlight", ja auch "Diablo 3" sind, was Präsentation, Gameplay-Wucht und Loot-Spirale angeht, dem Urvater "Diablo" heute etliche Schritte voraus.
Und wer so manchen Entwicklungsschritt des Genres mitgemacht hat, der wird sich fragen, warum er Ausdauertränke saufen, Heiltränke sortieren oder langsam dahinkriechenden Bildschirmtext nicht einfach wegklicken soll. Auch dürfte nicht mehr jedem Spieler zu vermitteln sein, dass er nur zwei Fähigkeiten gleichzeitig einsetzen kann - und diese auch noch umständlich über die F-Tasten belegen muss. Die Konsolenversion löst das eleganter - wäre das nicht auch auf dem PC zumindest optional möglich gewesen?
Wir würden auch wirklich gern all den nutzlosen Kram, den das Spiel uns als Beute hinwirft, beim Aufsammeln ausblenden können. Das Tetris im unverändert kleinen Inventar des Helden, in dem wir händisch und ohne Auto-Anordnung Gegenstände verschieben, um Platz für die Goldene Axt zu schaffen, die da noch rumliegt, bevor wir zum Verkaufen wieder ins Lager der Jägerinnen müssen - geschenkt, darauf könnte man verzichten. Auch wenn es uns früher vermutlich überhaupt nicht gestört hat.
Fazit
Was meinen wir also, wenn wir sagen, es könnte von Eurem Alter abhängen, ob Ihr das Spiel mögt? Fest steht: "Diablo II: Resurrected" ist ab sofort unbestreitbar die beste Art, diesen Meilenstein zu erleben, egal ob man Fan der ersten Stunde oder Nachgeborener ist.
Doch Neulinge könnten schlicht und einfach den Level an Komfort vermissen, den ihnen Genrenachfolger beigebracht haben. Sprich: Wer zu jung ist, um das Original je angefasst zu haben, dem könnte es bei allen verdienten Lorbeeren der Vergangenheit zu sperrig sein. Wer kein wohliges Gefühl à la "Ach ja, so war das" in sich findet, dem könnte die tolle neue Optik eventuell einfach nicht reichen.
Wer allerdings alt genug ist, die Jagd nach den Herren der Hölle als das erlebt zu haben, was sie vor 20 Jahren war - nämlich ein stimmig designtes Abenteuer mit unverwüstlichem Gameplay-Kern - der wird auch jetzt wenig Gründe finden, "Diablo II" doof zu finden. Ob man dann bereit ist, für ein sanft modernisiertes Spiel aus dem Jahr 2000 rund 40 Euro zu bezahlen, ist aber nochmal eine andere Frage. Und zwar unabhängig davon, wie alt man ist.
"Diablo II: Resurrected" ist am 23. September für PC und Konsolen erschienen, ab 16 Jahren freigegeben und kostet rund 40 Euro.
INFORMATION
Zum Launch des Spiels haben die Server dem Ansturm der Diablo-Fans offenbar nicht standgehalten. Entwickler Blizzard musste die Technik neu starten, seitdem berichten Spieler von verlorenem Spielfortschritt oder Charakteren. Das Problem sei aber bekannt, man arbeite an einer Lösung, hieß es am Abend bei Twitter.
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