
Es dauert nicht lange, und wir wissen wieder, warum uns dieses Spiel mal so begeistert hat. "Warcraft III: Reforged", das Remaster zum Meilenstein von 2003, bleibt allen Kernmechaniken treu und hat obendrein ein schickes Facelifting bekommen. Das Problem: Es ist trotzdem eine Mogelpackung.
Kleiner Flashback für alle, die entweder keine Echtzeitstrategie oder Fantasy generell so gern haben wie Kopfläuse: "Warcraft III" erfand vor 17 Jahren sein eigenes Genre neu. Wo "Age of Empires" und Co. ihre Missionen immer nach Schema F (Basisbau, Einheiten ausbilden, Gegner besiegen) aufzogen, entließ uns Blizzard in vier Kampagnen mit Orks, Menschen, Elfen und Untoten plötzlich in Ein-Mann-Schleich-Aufträge. Und das in Levels, die Dungeons aus Action-Rollenspielen ähnelten.
Die Geschichte um den buchstäblich gefallenen Prinzen Arthas erzählte das Spiel Blizzard-typisch in aufwändigen Rendersequenzen und schicken In-Game-Cutscenes. Besonders letzteres machte damals einfach niemand. Die Helden verbesserten wir mit Artefakten, die in den verwinkelten Levels versteckt waren - damals revolutionär. Eine Loot-Mechanik. In einem Strategiespiel! Daran mussten sich fortan alle Genre-Vertreter messen lassen. Und nebenbei legte das Spiel auch noch den Story-Grundstein für das erfolgreichste Online-Multiplayerspiel aller Zeiten: ein gewisses "World of Warcraft".
Grafisch top, aber sonst...
Das Gute vorab: All das ist auch in "Reforged" enthalten. Die Kampagnen, das Gameplay, alles gleich. Das Spiel enthält neben der Hauptkampagne auch das hochgelobte Add-on "The Frozen Throne". Langweilig wird hier also für bestimmt 40 Stunden keinem Fan.
Das grafische Update kann sich ebenfalls sehen lassen. Da sind nicht einfach nur die alten Modelle mit hochauflösenden Texturen beklebt worden. Alle Charaktere wurden von Grund auf neu designt und sind deutlich detailreicher ausgefallen. Klar, man sieht dem Spiel das Alter des Originals an, dennoch ist der Aufwand klar erkennbar.
Doch der mangelnde Innovationswille ist kurioserweise das, was jetzt Spieler und Fachpresse kritisieren. Und zwar zurecht. Denn Blizzard hatte 2018 so viel mehr angekündigt. Alles sah nach einem Remaster mit sinnvollen Erweiterungen aus. Cutscenes aus einer "Reforged"-Mission sollten zeigen, wie viel aufwändiger animiert es zugehen sollte. Die Fans waren entzückt. Würde das jetzt immer so aussehen?
Die Antwort lautet: Nein. Die Szenen sind dieselben wie im Original, nur mit den detaillierten In-Game-Figuren. Der Fairness halber muss man sagen, dass Blizzard bereits zugegeben hatte, etliche Ideen aufgrund von internem und externem Feedback verworfen zu haben. Nach dieser Erklärung musste man allerdings durchaus ein wenig suchen.
Versprechen nicht eingelöst
Doch es geht noch weiter: Angekündigt hatte Blizzard auch, die Story besser auf WoW hin abzustimmen, neue Nebenquests einzubauen und vor allem das etwas unübersichtliche Interface aufzuräumen. Auch von diesen Features - die neue Oberfläche hatte Blizzard sogar schon fertig und sie öffentlich gezeigt - ist nichts im Spiel zu sehen. Wer gehofft hat, noch tiefer in die packende Story von vor 17 Jahren eintauchen zu können, wird also enttäuscht.
Hinzu kommen weitere unverständliche Entscheidungen: Man kann zum Release keine Clans bilden, das Feature soll nachgeliefert werden. Von Spielern erstellte Kampagnen? Gestrichen. Die aufregenden Render-Trailer zu Beginn und Ende jeder Kampagne sollten generalüberholt werden. Bekommen hat den komplett neuen Anstrich nur das Intro. Die anderen Filme sind lediglich etwas höher aufgelöst.

Hotkeys per Textdatei? Welches Jahr haben wir noch gleich?
Nachschlag gefällig? Wer die bisher von Blizzard verkaufte Classic-Variante besitzt, darf sich gezwungenermaßen davon verabschieden. Denn im Launcher updatet sich diese Version jetzt selbstständig auf "Reforged". Das wollen Sie nicht? Pech gehabt. Was die Classic-Version noch erlaubte, ist jetzt nicht mehr drin. Nur die Grafik lässt sich noch auf Classic zurücksetzen.
Die frechste Servicewüsten-Schelle bekommen aber die Multiplayer-Spieler ab: Die Schnelltasten auf der Tastatur lassen sich im Spiel nicht den eigenen Bedürfnissen anpassen: Stattdessen erklärt einem das Options-Menü, man müsse eine Textdatei im Spielordner anlegen und darin die Hotkeys eintragen. Bitte was?
Blizzard erklärt Spielercontent zu seinem Eigentum
Die Liste lässt sich fast beliebig erweitern: Den mächtigen Editor, mit dem schlaue Spieler unter anderem das MOBA-Genre erfanden, gibt es zwar noch. Dass "Dota" und "League of Legends" sich aber zu lukrativen Eigenmarken entwickelten, scheint Blizzard dermaßen quer gegangen zu sein, dass der Entwickler nun vorsorglich allen von Spielern generierten Content zu seinem Eigentum erklärt - inklusive der jeweiligen Spielidee! So steht es in der Lizenzvereinbarung. Deutlicher kann sich Blizzard kaum von seinen früheren Fans abwenden.
Wie konnte es dazu kommen? Mit der Ankündigung der Neuauflage konnte Blizzard bei allen, die das - nochmal: großartige - Original liebten, doch eigentlich gar nichts mehr falsch machen. Zwei Gründe liegen nahe: Entweder wurde das Projekt teurer, als Blizzard vertreten konnte. Oder man hat zu sehr auf die Fans gehört, die, laut Blizzard, ein möglichst originalgetreues Remaster wollten.
Ob es diese Mehrheit wirklich gab oder Blizzard sich damit nur die Entscheidung für die kostengünstigere Variante schön erzählt, kann man nur mutmaßen. Ein Blizzard-Mitarbeiter hat sich auf Twitter immerhin bei enttäuschten Fans entschuldigt. Man wolle weiter am Spiel arbeiten.

Das Gemeine: Das Spiel an sich ist immer noch großartig
Fest steht aber: "Warcraft III: Reforged" ist ein Spiel, das im Kern keine seiner Stärken verloren hat. Man kann mit der Geschichte und dem Abenteuer, mit Arthas, Thrall und Illidan, genauso viel und lange Spaß haben, wie vor fast 20 Jahren. Aber dank zweifelhafter Entscheidungen des Entwicklers haftet dem Meilenstein von einst jetzt der Makel des uninspirierten Grafikupdates ohne die versprochenen Upgrades an, das "Reforged" geworden ist. Dafür 30 Euro zu verlangen, auch wenn zwei Spiele drinstecken, kann man durchaus frech nennen.
Das Verrückte: Wer nur das haben will, was er damals mochte, wird mit "Reforged" womöglich gar kein Problem haben. Es sieht gut aus, die Story ist so gut wie damals, wo ist das Problem? So könnte man das sehen. Man könnte aber auch sagen: Blizzard hat die Sache halbherzig gemacht. Und das sieht den Jungs und Mädchen aus Irvine gar nicht ähnlich.
Vielleicht ist das die schwerwiegendere Erkenntnis: Dass sich ein für seinen Perfektionismus bekanntes Entwicklerstudio auf Kosten der treuen Spielerschaft so sehr vom eigenen Weg abwendet. Mit Blick auf das kommende Diablo 4 kann man da nur hoffen, dass sich dieser Trend nicht festbeißt.
"Warcraft III Reforged" ist seit dem 29. Januar für PC erhältlich und kostet etwa 30 Euro.