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"Mass Effect Legendary Edition" im Test: Es ist was Persönliches

Vor 10 Jahren traf der erste Teil der Weltraum-Trilogie unseren Autoren ins Herz und ließ ihn nicht mehr los. Jetzt hat der Entwickler die Rollenspiele aufpoliert. Das lohnt für Veteranen und Neueinsteiger.

Der Moment, der das Spiel verändert, schlägt nach zehn Spielminuten ein: Was ist das da am Horizont? | © EA/Bioware

Björn Vahle
21.05.2021 | 12.09.2022, 15:31

"Mass Effect" ist eines dieser Spiele, über das man sich mit seinen Freunden unterhält. "Was hast du in der Situation gemacht? ... Krass! Das geht?" Denn das Weltraum-Rollenspiel gab dem Spieler so durchschlagende Kontrolle über die eigene Geschichte, dass es manchen beim Gedanken an durch bloßes Ungeschick verlorene Crew-Mitglieder der "Normandy" noch heute wehmütig werden lässt.

Mit der "Legendary Edition" bietet Entwickler Bioware nun eine optisch wie spielerisch erneuerte Fassung der Trilogie an. Für wen lohnt sich das? Eins ist sicher: Es ist - damals wie heute - was Persönliches.

Worum geht's - und warum macht das Spaß?

In der mittelfernen Zukunft haben die Menschen und mehrere Alienrassen das interstellare Reisen mit sogenannten Massenportalen gemeistert, die eine unbekannte frühere Zivilisation hinterlassen hat. Das führt zu allerlei Konflikten, sogar Rassismus, aber auch zu intergalaktischer Zusammenarbeit.

In dieser Situation soll unser Charakter, der wahlweise männliche oder weibliche Commander Shepard, ein Artefakt einer Vorgängerzivilisation, der Protheaner, bergen. Die verschwand vor 50.000 Jahren auf mysteriöse Weise. So beginnt eine der faszinierendsten Rollenspiel-Reisen, die man virtuell erleben kann.

Die anfängliche Suche nach einem Abtrünnigen aus den eigenen Reihen offenbart nämlich in einem der dramatischsten Plot-Twists der Spielegeschichte plötzlich eine viel umfassendere Bedrohung, die wir in den weiteren Teilen intensiv erforschen und schließlich im Serienfinale quer durch die Galaxis bekämpfen müssen.

Dass das so viel Spaß macht, liegt vor allem an unserer Crew, von der jeder und jede ein eigenes Päckchen Probleme mit an Bord der "Normandy" bringt. Die Bande wächst uns schnell ans Herz, kann uns durch unvorsichtige Entscheidungen aber genauso schnell wieder von genau dort entrissen werden (Wehmut und so).

Und auch das Universum mit seinen etlichen erkundbaren Welten ist so detailreich konstruiert, dass wir nach jedem Körnchen Wissen lechzen. Es könnte schließlich im Verlauf der Geschichte noch wichtig werden. Die verschiedenen Alienrassen, deren Konflikte wir nicht immer lösen und deren Leid wir nicht immer lindern können - und deren Hoffnungen auch der beste Weltenretter-Shepard nicht alle erfüllen kann -, hat Bioware so glaubwürdig entworfen, dass wir diese Welt mit Haut und Tentakeln adoptieren. Zumindest für die Dauer der Spielzeit.

Die Entwickler haben vor allem den ersten Teil spielerisch angepasst, aber nicht so, dass es das Original völlig überschreiben würde. - © EA/Bioware
Die Entwickler haben vor allem den ersten Teil spielerisch angepasst, aber nicht so, dass es das Original völlig überschreiben würde. | © EA/Bioware

Das wichtigste aber: Alle Entscheidungen, die wir treffen, ob mit der Waffe oder in Dialogen, beeinflussen die Story spürbar. In Gesprächen drohen wir oder beschwichtigen, und je nachdem, wie gründlich wir die Galaxie durchforsten und Hilfesuchenden helfen, verändern sich wiederum weitere Gespräche, Questverläufe und letztlich auch die Chancen im letzten Gefecht. Dass ein Spiel seine Spieler und ihre Art zu spielen so ernst nimmt, war vor 13 Jahren noch längst nicht so verbreitet wie heute - aber schon damals eine der größten Stärken.

Was bringt die Neuauflage und lohnt sich das?

Die "Legendary Edition" enthält alle drei Teile mit sämtlichen Zusatzinhalten (DLCs), wobei 2 und 3 vorrangig optische und Teil 1 deutlich mehr spielerische Verbesserungen spendiert bekommen haben - schärfere Texturen, behutsame Komfort-Verbesserungen des Gameplays, vor allem in Gefechten, sowas. Schließlich sollte das Originalfeeling erhalten bleiben, das betonten die Entwickler stets.

Inhaltlich am spürbarsten verändert ist noch Teil 3, dessen Finale damals die Spielerschaft spaltete. Denn in den Augen vieler Spieler beging es einen Kardinalfehler, indem es mit der finalen Entscheidung unseres Shepards alle vorherigen komplett entwertete. Bioware schmiedete eilig einen "Extended Cut", der zumindest einige erzählerische Lücken schloss. Dieser ist in der "Legendary Edition" nun das Standardende. Ansonsten gibt es allerdings keine neuen Story-Elemente.

Der Kampf gegen den Reaper auf der Raumstation Citadel hat visuell nichts von seiner Wucht verloren. - © EA/Bioware
Der Kampf gegen den Reaper auf der Raumstation Citadel hat visuell nichts von seiner Wucht verloren. | © EA/Bioware

Den größten technischen Sprung macht aber Teil 1. Texturen sind deutlich schärfer als 2007, die Kampfmechaniken sind teilweise aus Teil 3 übernommen und etliche Zwischensequenzen wurden aufgehübscht. Unser Planetenerkundungsfahrzeug, der im Original schwer beherrschbare Mako, steuert sich jetzt nicht mehr wie eine Schlittschuh fahrende Raupe auf Speed, sondern deutlich weniger hektisch.

Doch es gibt etliche Stellen, an denen man besonders dem ersten Teil sein Alter anmerkt. Viele Planeten sind auch höher aufgelöst weitgehend leer, das Deckungssystem ist oft noch immer Glückssache und die Animationen nach heutigen Standards hölzern. Und ja, noch immer müssen wir in Teil 2 Ressourcen mit Sonden sammeln - und dabei jeden Planeten einzeln scannen. Es ist nun mal ein Remaster, also ein Update. Wem das zu wenig ist, der sollte vielleicht lieber auf das bereits angekündigte Mass Effect 4 warten.

Fazit

Ich erinnere mich noch, wie ich zum ersten Mal die Heimatwelt der Protheaner betrat - und mich sofort ein kindlicher Forscherdrang packte. Warum sind diese Wesen verschwunden? Was machte ihre Zivilisation aus? Und wie ist das wohl, wenn man erkennt, dass das Ende der eigenen Spezies nicht mehr abzuwenden ist?

Die Tragik dieser Situation haute mich damals um. Die plötzliche Verletzlichkeit einer Zivilisation auf dem eigenen Höhepunkt, die persönlichen Opfer, die brillante Idee, zu überdauern, die sich zuletzt doch als vergeblich entpuppt: "Mass Effect" fuhr erzählerische Geschütze auf, wie das bis dahin höchst selten war.

Klar, in manchen Disziplinen kann sich "Mass Effect" auch in der Legendary Edition nicht mit aktuellen Rollenspiel-Shootern vergleichen. Doch selten hatten Rollenspieler so viel Verantwortung für ihr Spielerlebnis. Das hält Bioware bis zum Finale durch. Jeder Spieldurchgang ist was Persönliches - für Shepard sowieso, aber auch für uns Spieler. Und zwar egal, ob wir schon wissen, wie's ausgeht, oder nicht.

Wer "Mass Effect" erleben will, der kommt ab jetzt an der Legendary Edition nicht vorbei.

"Mass Effect Legendary Edition" ist für Playstation 4 und 5, Xbox Series X und One sowie PC erhältlich, ist ab 16 Jahren freigegeben und kostet rund 60 Euro (mehr als 100 Stunden Spielzeit).

Das Original und das Remaster im Vergleich: