Leipzig. Nach Antisemitismus-Vorwürfen des Musikers Gil Ofarim sind zwei Mitarbeiter eines Leipziger Hotels beurlaubt worden. Dies gelte zunächst für die Dauer der Ermittlungen, sagte eine Sprecherin der Marriott-Gruppe am Mittwochmorgen. Die Polizei nahm Ermittlungen auf und wollte nach eigener Aussage am Mittwoch der Staatsanwaltschaft die Ermittlungsunterlagen zur rechtlichen Prüfung vorlegen.
Der Sänger war am Montagabend nach eigenen Angaben Opfer eines antisemitischen Übergriffs geworden. Ofarim habe in ein Hotel einchecken wollen, wurde dabei zunächst übergangen und anschließend unter Hinweis auf den Davidstern an seiner Kette abgewiesen.
"Packen Sie ihren Stern ein", sollen mehrere Mitarbeiter des Westin Hotels in Leipzig zu Ofarim gesagt haben, schilderte der 39-Jährige in einem am Dienstag veröffentlichten Video auf seinem Instagram-Kanal, das sich seitdem in sozialen Netzwerken verbreitete. Er habe nur einchecken dürfen, habe man ihm mitgeteilt, wenn er seinen Davidstern abnehme.
"Wirklich?", fragt Ofarim, den Tränen nahe, am Ende des Videos.
Der Davidstern ist eines der bekanntesten Symbole, die mit dem Judentum verbunden werden. Er besteht aus einem Hexagramm, das durch zwei ineinander verwobene gleichschenklige Dreiecke gebildet wird. Obwohl das Hexagramm als jüdisches Zeichen bereits im 7. Jahrhundert vor Christus vorkommt, schmückt der Davidstern erst seit dem Mittelalter Synagogen und seit 1948 die Flagge des Staates Israel. Während des Nationalsozialismus wurde der Davidstern den Juden alsStigma ("Judenstern") aufgezwungen.
Ein Sprecher des "Westin Leipzig" sagte, dass man sehr besorgt über den Bericht sei und die Angelegenheit extrem ernst nehme. Das Unternehmen versuche, Ofarim zu kontaktieren, um herauszufinden, was passiert sei. Den Namen des "Managers am Counter" gab Ofarim in dem Video nicht preis. Westin Hotels gehören zur Marriott-Gruppe. Auf der firmeneigenen Webseite wirbt das Unternehmen unter anderem mit dem Satz: "Vielfalt und Integration bilden das Fundament für unsere Grundwerte und strategischen Unternehmensziele".
Ofarim sagte am Mittwochmorgen in einem Gespräch bei Bild TV, er habe von dem Hotel bislang keine Entschuldigung erhalten. "Mein Management hat nur eine Email bekommen, dass man sich mal austauschen wollen würde, mal reden. Aber ich habe weder eine Stellungnahme bekommen zu diesem Fall, ich habe keine Entschuldigung bekommen, gar nichts!" Er beklagte zudem, dass er von anderen Gästen des Hotels keine Unterstützung bekommen habe.
Dulig: "Wir haben noch viel zu tun in Sachsen"
Mehrere Antirassismus-Stellen verurteilten den Vorfall. "Unsäglich", schrieb die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) auf Twitter. Der Volksverpetzer-Blogger Alex Urban schrieb: "Was für eine kranke Scheiße." Etliche Nutzer solidarisierten sich in sozialen Medien mit dem Sohn des israelischen Sängers Abi Ofarim, der 2018 gestorben war.
Die Vorsitzende des Förderkreises Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Lea Rosh, sagte laut Mitteilung, dass dem Musiker die uneingeschränkte Solidarität des Vereins gelte. "Juden waren in Deutschland schon mal in Hotels unerwünscht. Das war 1933. Wir fordern eine lückenlose Aufklärung und personelle Konsequenzen."
Auch sächsische Politikerinnen und Politiker äußerten sich. Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) hofft darauf, dass der Musiker Anzeige erstattet, damit man den Vorgang polizeilich untersuchen könne. "Sachsen ist ein weltoffenes Land", betonte Wöller.
Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) schrieb bei Twitter, es mache ihn wütend, was Ofarim widerfahren sei. Er spreche für die übergroße Mehrheit der Menschen in Sachsen, wenn er sich stellvertretend fürdie antisemitische Demütigung entschuldige. "Wir haben noch viel zutun in Sachsen!" Auch Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) zeigtesich bei Twitter bestürzt. "Antisemitismus darf keinen Platz haben. Nicht offen, nicht verdeckt. Nicht in Sachsen, nicht in Deutschland, nirgendwo."
Solidaritätskundgebung in Leipzig
Am Dienstagabend nahmen Hunderte Menschen an einer Solidaritätskundgebung mit Jüdinnen und Juden in Deutschland vor dem Hotel teil, zu der das Bündnis "Leipzig nimmt Platz" aufgerufen hatte. Die Polizei schätzte die Teilnehmerzahl zunächst auf den "mittleren dreistelligen Bereich", wie eine Sprecherin sagte.
Ofarim hatte bereits früher berichtet, immer wieder mit antisemitischen Anfeindungen konfrontiert worden zu sein. "Hakenkreuze auf meiner Schulbank" seien keine Seltenheit gewesen, sagte er kurz nach Tod seines Vaters in einem Interview - genauso wenig wie Hundekot in seinem Briefkasten. Für ihn sei Antisemitismus "Alltag". "Wir kultivieren in Deutschland eine Tradition des Wegsehens", sagte Ofarim damals.
Mitarbeiter stellt Anzeige wegen Verleumdung
Der beschuldigte Mitarbeiter hat jetzt Anzeige wegen Verleumdung gestellt. Der Mann schildere den Vorfall mit dem Künstler Gil Ofarim „deutlich abweichend von den Auslassungen des Musikers", sagte Polizeisprecher Olaf Hoppe am Mittwoch.
Der Hotelangestellte habe zudem noch eine zweite Anzeige wegen Bedrohung gestellt, weil sich Menschen in den sozialen Netzwerken völlig entfesselt gegenüber dem Hotelpersonal geäußert hätten. Außerdem sei bei der Polizei eine Online-Anzeige eines unbeteiligten Dritten wegen Volksverhetzung eingegangen.
Die Staatsanwaltschaft Leipzig und die die Kriminalpolizei hätten sämtliche Ermittlungen aufgenommen, sagte Hoppe. „Nun gilt es abzuwarten, was die Ermittlungen ergeben und was tatsächlich an dem Tag geschehen ist." Gil Ofarim habe bislang keine Anzeige erstattet.