Experten-Austausch

Strategien für den Ausweg aus der Dritten Welle

Renommierte Experten aus Wissenschaft und Politik formulieren Strategien, auf die es in den kommenden Wochen im Kampf gegen die Pandemie ankommen wird.

Experten formulieren Strategien im Kampf gegen das Coronavirus. | © Picture Alliance/dpa

Ingo Kalischek
05.05.2021 | 05.05.2021, 06:00

Düsseldorf. Rufe nach Öffnungen werden wieder lauter; Diskussionen über Lockerungen für Genesene und Geimpfte nehmen zu. Zugleich ist die Anzahl der Neuinfektionen noch immer hoch, ebenso die Patientenzahl in den Krankenhäusern. Experten aus Wissenschaft und Medizin haben konkrete Vorschläge gemacht, wie mit dieser Situation umzugehen ist – und worauf es nun ankommt.

Tanz auf dem Vulkan
Virologin Melanie Brinkmann von der Technischen Universität Braunschweig vergleicht die aktuelle Corona-Lage in Deutschland mit einem Bild. „Wir tanzen am Rande eines Vulkans." Die renommierte Virologin zeigt sich besorgt, dass das Tempo beim Ruf nach Öffnungen höher sein wird als das beim Impfen. „Da sehe ich ein großes Risiko." Die Bettenbelegung in den Kliniken in Niedersachsen sei aktuell höher als zu Spitzenzeiten im Winter.

Die Parameter
Als „zynisch" bezeichnet Michael Meyer-Hermann die Tatsache, dass man das aktuelle Stabilisieren der Inzidenzen auf hohem Niveau als Erfolg verkaufe. „Das ist ein großer Misserfolg." Der Immunologe am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung hält es für falsch, die Bettenbelegung in die Bewertung des Infektionsgeschehens einzubeziehen. Sie gleiche der Betrachtung der Inzidenz – „nur zeitverzögert", da man anhand der Inzidenz die Patientenanzahl gut voraussagen könne. Entscheidend sei der Verlauf der Inzidenz – „und somit im Wesentlichen der R-Wert", so Meyer-Hermann. „Wir müssen es schaffen, dass die Inzidenz kontinuierlich sinkt." Es reiche nicht aus, sich nur auf Impfungen zu verlassen.

Impfungen
„Entscheidend wird sein, wie wir Kinder und Jugendliche impfen können", sagt Ute Teichert, Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Ziel müsse es sein, diese Gruppen in den Kitas und Schulen zu impfen, „das muss jetzt geplant werden." Wichtig seien auch regelmäßige Auffrischimpfungen, die nach einem halben Jahr anfallen, so Teichert. Die Expertin spricht sich für ein digitales und bundesweit gültiges Impfzertifikat aus und dafür, dass Geimpfte weiter getestet werden. Politikwissenschaftlerin Elvira Rosert fordert, weiter verstärkt auf Impf- und Testbusse zu setzen, um damit vor allem in sozial schwache Viertel zu fahren.

Schulen
Schulen sollten erst dann wieder geöffnet werden, wenn die Infektionszahlen konstant sinken, sagt Pädagoge Menno Baumann von der Fliedner Fachhochschule Düsseldorf. Das entscheidende Kriterium dafür: „Wie gut sind wir in der Lage, das Infektionsgeschehen vor Ort zu beobachten?" Der Experte spricht sich für zusätzliche Schulwegkonzepte aus, also eine Entzerrung des Schulwegs. In den Einrichtungen müsse man zudem unbedingt das Raumluft-Management nachbessern; das werde dauerhaft auch gegen das Grippevirus helfen.

No Covid
Für Physiker und Mobilitätsforscher Dirk Brockmann von der Humboldt-Universität ist es entscheidend, dass die Inzidenz in Deutschland schnell auf einen niedrigen Wert fällt, so wie das zum Beispiel in Australien und Portugal durch sofortige, kurze und intensive Lockdowns gelungen sei, um dann regional wieder zu öffnen. Der Physiker spricht sich weiterhin für das Model „No Covid" aus, dessen Ziel eben keine lange Lockdown-Strategie sei. Melanie Brinkmann bezeichnet das Auftreten neuer Virus-Variationen als großes Problem. „Die Pandemie ist erst vorbei, wenn weltweit viele Menschen geimpft sind."