Corona-Impfgipfel

Merkel will Notbremse ziehen - Hausärzte sollen nach Ostern impfen

Bund und Länder einigen sich auf den Start der Corona-Impfungen in Arztpraxen und zusätzliche Impfdosen für Länder mit Grenzregionen. Die Kanzlerin bringt noch eine unangenehme Ankündigung mit.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellt die Ergbnisse der Telefonkonferenz vor. | © dpa

19.03.2021 | 19.03.2021, 23:49

Berlin. Die Hausärzte in Deutschland sollen unmittelbar nach Ostern routinemäßig in die Schutzimpfungen gegen das Coronavirus einsteigen. Das haben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder am Freitag bei einer Telefonkonferenz beschlossen. Vereinbart wurden zudem zusätzliche Impfdosen für vier Bundesländer mit Außengrenzen zu Frankreich und Tschechien sowie für das grenznahe Thüringen.

Merkel kündigte anschließend zudem an, dass es bei den Beratungen von Bund und Ländern am kommenden Montag darum gehen werde, die Lockerungen der vergangenen Tage wieder zurückzunehmen. „Ich hätte mir gewünscht, dass wir ohne diese Notbremse auskommen", sagte sie. Dies gehe aber wegen der steigenden Infektionszahlen nicht.

"Wir wollen schneller und flexibler werden"

Wegen der zunächst noch geringen Mengen an verfügbarem Impfstoff wird das Impfen in den Hausarztpraxen auch nur langsam starten. In dem Beschlusspapier ist von etwa einem Impftermin pro Woche die Rede. Umgerechnet auf rund 50.000 Hausärzte in Deutschland geht es demnach um eine Größenordnung von 20 Impfdosen pro Praxis - insgesamt rund eine Million Impfdosen. In der letzten Aprilwoche sollen dann jedoch schon fast 3,2 Millionen Impfdosen an Hausarztpraxen gehen. Vorgesehen ist die Möglichkeit, dass Länder bis zum kommenden Montag erklären, sich daran nicht zu beteiligen.

„Wir wollen - und ab April können wir das auch - schneller und flexibler werden", sagte Merkel nach den Beratungen. „Die Devise lautet: Impfen, impfen, impfen." Impfzentren und Arztpraxen sollten miteinander kombiniert werden. Die Impfzentren sollten künftig verlässlich 2,25 Millionen Dosen pro Woche bekommen - die darüber hinaus gehende Menge werde dann an die Arztpraxen gehen. Dort solle es bei der geltenden Priorisierung mit der Konzentration auf Risikopatienten bleiben. „Sie kann aber flexibel angewendet werden."

Reinhardt pocht auf Einhaltung der zugesagten Liefermengen

"Mit den heutigen Beschlüssen von Bund und Ländern wurden die administrativen Voraussetzungen für den Impfstart in den Arztpraxen geschaffen. Das ist gut und richtig", sagte Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt. "Die Beschlüsse bleiben aber Makulatur, wenn nicht ausreichend Impfstoff sowohl für die Impfzentren als auch für die Arztpraxen zur Verfügung gestellt werden kann. Bund und EU müssen deshalb auf die Einhaltung der ursprünglich zugesagten Impfstoff-Liefermengen drängen." Auch müsse ausreichend Verbrauchsmaterialien wie Spritzen und Kanülen zur Verfügung stehen.

Nicht nachvollziehbar ist für Reinhardt die in dem Beschluss enthaltene Opt-out-Regelung für Bundesländer, die sich im April noch nicht an den Impfungen in den Praxen beteiligen wollen. "Auch wenn die Impfstoffmengen im Moment noch begrenzt sind, sollten alle Arztpraxen schnellstmöglich in die Lage versetzt werden, zumindest für besonders gefährdete Patientengruppen separate Impfsprechstunden anbieten zu können."

Mehr Impfdosen für Grenzregionen

Vereinbart wurde ferner, dass fünf Bundesländer zum Schutz vor dem Eintrag mutierter Coronaviren durch Pendler aus Nachbarstaaten zusätzliche Impfdosen bekommen sollen. Dies betrifft das Saarland und Rheinland-Pfalz mit ihrer Grenze zu Frankreich sowie Bayern, Sachsen und Thüringen wegen der hohen Infektionszahlen in Tschechien. Dem Beschluss zufolge soll Bayern 100.000 zusätzliche Impfdosen bekommen, Sachsen 100.000, das Saarland 80.000, Thüringen 30.000 und Rheinland-Pfalz 20.000 Dosen.

Zusammen sind das 330.000 Dosen. Dieser Impfstoff soll aus der Zusatzlieferung von 580.000 Dosen des Herstellers Biontech/Pfizer kommen, die dieser Hersteller zugesagt hat. Die restlichen 250.000 Zusatzdosen sind in der Woche nach Ostern für die Hausarztpraxen eingeplant.

Vorrang bei den Impfungen

Auch für die Praxen soll die Priorisierung gelten, die Älteren und besonders gefährdeten Menschen Vorrang bei knappem Impfstoff sichert.
Ärzte sollten die Vorgaben aber "flexibel anwenden", erklärten Bund
und Länder. Merkel mahnte, der Schutz für besonders Schutzbedürftige
dürfe zu keiner Sekunde aus den Augen verloren werden.

Spahn rief die Länder auf, auch chronisch Kranke zu schützen. "Bei allem Verständnis dafür, 30-Jährige auch in bestimmten Berufskontexten zu impfen, ist es auch mit Blick auf die Infektionsentwicklung wichtig, die Älteren zu impfen." Schwerpunktmäßig sollen die Ärzte zu Beginn auch nicht-mobile Menschen zu Hause impfen.

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sagte: "Das Risiko, bei einer Infektion an Covid zu versterben, ist für einen 80-Jährigen 600 Mal so hoch wie für einen 30-Jährigen. Daher bin ich sehr kritisch, was Vorschläge angeht, die Impfreihenfolge zu verändern."

Dass etwa Lehrkräfte wie in NRW vorrangig geimpft werden, ruft Kritik hervor. Zunächst müssten Menschen mit erhöhtem Risiko für einen schweren bis tödlichen Verlauf geimpft werden, hatten die Beauftragten von Bund und Ländern für die Belange der Menschen mit Behinderung gefordert.

Warten bis zur zweiten Impfung

Damit mehr Menschen bald die erste Impfung erhalten können, warten
laut Spahn nahezu alle Länder mit der zweiten Dosis mittlerweile so lange wie möglich - bei den Präparaten von Biontech/Pfizer und Moderna sechs Wochen, bei Astrazeneca zwölf Wochen. Lauterbach sagte: "Wenn man die Erstimpfung bei Biontech und Astrazeneca jetzt vorzieht, dann rettet das zwischen 8.000 und 14.000 Menschenleben in der dritten Welle."

Prognosen zur Impfaktion

Nach dem Impfplan von Bund und Ländern sollen im April mehr als 15 Millionen Dosen zur Verfügung stehen. Und die Liefermengen sollen weiter steigen. Im zweiten Quartal sollen bisherigen Angaben zufolge insgesamt 46,6 Millionen Dosen von Biontech/Pfizer und Moderna sowie - nach einer etwas herunter korrigierten Ankündigung - 15 Millionen Astrazeneca-Dosen geliefert werden. "Bund und Länder halten an dem Ziel fest, im Sommer allen Bürgerinnen und Bürgern ein Impfangebot machen zu können", heißt es im Beschluss.