Novemberpogrom in Herford: Synagoge verwüstet, Feuerwehr greift spät ein

Herford. Die seit 1933 staatlich gesteuerte Judenfeindschaft zeigte auch in Herford bald Folgen. Neben den Angriffen auf Geschäfte und Häuser wurde bereits am 12. April 1934 auch die Synagoge erstmals das Ziel. Ein Einbruch und Brand, der allerdings bald gelöscht werden konnte, zerstörte Teile der Inneneinrichtung, insbesondere die Orgel. Angeblich betrunkene SS-Leute waren für die Tat verantwortlich. Sie wurden zwar ermittelt und vor Gericht gestellt, aber aufgrund eines Straffreiheitsgesetzes für &bdquo;Taten aus nationalsozialistischem Übermut“ freigesprochen. Am 9. und 10. November 1938 griffen - nach dem in der Nacht eingetroffenen Telegramm aus München mit der Aufforderung, jüdische Einrichtungen zu zerstören - aufgehetzte Menschen die Synagoge in der Komturstraße an. In der Nacht legten sie Feuer im Innenraum, warfen das Inventar auf die Straße und verbrannten Möbel und Kultgegenstände. Die Inneneinrichtung und die Glasfenster wurden vollständig zerstört. Lesen Sie auch: Herforder wegen &bdquo;Rundfunkverbrechen und Hochverrat“ zu Tode verurteilt Feuerwehr greift ein, als die Flammen eine Färberei und Reinigung bedrohen Das Gebäude blieb aber im Großen und Ganzen erhalten. Die Feuerwehr griff erst ein, als eine unmittelbar benachbarte Färberei und Reinigung mit ihren leicht entzündlichen Chemikalien gefährdet schien. Im Prozess gegen einen der Täter nach 1945 wurde die Vermutung geäußert, dass SS und SA in der Nacht im Schützenhof brennbare Flüssigkeiten an Hitlerjungen und andere Freiwillige verteilt hätten, die dann die Verwüstung vorantrieben. Genaues über die Täter ist aber bis heute unbekannt. Die in der Nacht begonnenen Verwüstungen setzten sich am 10. November unter den Augen einer großen Menschenmenge fort. Fritz Georg aus Herford schlug mit einem Hammer den Davidstern auf der Giebelspitze des Anbaus herunter und begründete dies im Prozess später mit der angeblichen Baufälligkeit des Giebels und den vielen dort anwesenden Jugendlichen. Er ist der einzige Täter, der nach 1945 verurteilt wurde. Ein Rest einer durch Feuer und Löschwasser geschädigten Thorarolle wurde gerettet und viele Jahre später wieder der jüdischen Gemeinde übergeben. Dem damaligen Pastor der benachbarten Johanniskirche Helmut Gaffron soll die Grundsteinlegungsurkunde für die Synagoge von 1852 zugesteckt worden sein, das Schriftstück gilt allerdings heute als verschollen. Der damalige Oberbürgermeister Fritz Kleim berichtete dem Regierungspräsidenten, dass die Herforder Bevölkerung die Aktion ablehnen würde, aber nicht wegen der betroffenen Menschen, sondern wegen der Zerstörung von Hab und Gut, nicht nur in der Synagoge, sondern auch in zahlreichen Privathaushalten jüdischer Herforder. Lesen Sie auch: Die Symbolik der neuen Synagogen Am 10. November wurden jüdischen Männer verhaftet Ab 10. November wurden auch in Herford - wie schon im Telegramm aus München vorgegeben - männliche, wohlhabende Juden verhaftet, in den Zellentrakt des Rathauses gebracht und von dort ins KZ Buchenwald deportiert. Selbst nach schneller Freilassung kamen im Dezember viele gebrochen und verwundet zurück und bereiteten ihre Flucht ins Ausland vor. Bald nach der Brandstiftung musste die Synagogenruine &bdquo;vermarktet“ werden. Die katholische Kirchengemeinde bot 22.000 Reichsmark für das gesamte Grundstück mit Bebauung, eine christlich-wissenschaftliche Vereinigung Herford bot 15.000 und begründete das niedrige Angebot damit, &bdquo;dass dieses Grundstück jüdischer Besitz war und es einer gründlichen Umgestaltung bedarf, um alle Spuren des Judentums auszulöschen“. Es kam zu keinem Kaufabschluss. Hintergrund: So können Herforder die Rolle ihrer Ahnen im Dritten Reich erforschen Mit den Novemberpogromen 1938 begann die zweite Phase der Judenverfolgung Schließlich forderte die Stadt die Synagogengemeinde selbst zum sofortigen Abriss der Synagoge auf. Die Stadt kaufte 1939 das Synagogengrundstück für etwa 10 Prozent des eigentlichen Wertes für 4.732 Reichsmark und errichtete hier einen Parkplatz. Mit den Novemberpogromen 1938 begann die zweite Phase der Judenverfolgung, die gewaltsame Herausdrängung aus der Gesellschaft, mit dem Ziel der Auswanderung und der Enteignung jüdischen Vermögens. Ab Dezember 1941 folgte dann die planmäßige Vernichtung jüdischen Lebens.

Meistgelesen