Gedenken an die Judenverfolgung in Lübbecke: „Aus dem Gestern für das Morgen lernen“

Lübbecke. Lange lebten Menschen christlichen und jüdischen Glaubens in guter Nachbarschaft. Man engagierte sich in Vereinen, man betrieb aber auch Handel. Auch in Lübbecke. Im Ersten Weltkrieg zogen auch Deutsche jüdischen Glaubens für &bdquo;Kaiser, Volk und Vaterland“ in den Krieg. Das Miteinander änderte sich schlagartig Ende Januar 1933 mit der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler. Von den Nazis als &bdquo;Machtergreifung“ hochstilisiert, war es eher eine &bdquo;Machterschleichung“, nutzten die Nazis doch die Instrumente, die die demokratische Weimarer Republik bot. Schnell saßen die Nazis nach dem Januar 1933 fest im Sattel. Auch in Lübbecke und dem damaligen Landkreis Lübbecke. Schnell begann die Verfolgung politisch Andersdenkender – und die Ausgrenzung und Verfolgung von Menschen jüdischen Glaubens. Mit den Nürnberger Gesetzen im September 1935 wurden sie rechtlos. Dann kam die Pogromnacht vom 9. November 1938. Die gilt als Auftakt für den millionenfachen Mord an Menschen jüdischen Glaubens, den Holocaust. Überall im damaligen Deutschen Reich wurden Synagogen geschändet und niedergebrannt, Menschen jüdischen Glaubens attackiert und viele von ihnen getötet. Gründung der ersten Ortsgruppe in Tengern war für Nazis der Durchbruch Auch in Lübbecke brannten Nazis am 9. November 1938 die Synagoge nieder. Am Jahrestag der Pogromnacht gibt es auf Initiative des Arbeitskreises den &bdquo;Weg der Erinnerung“. Viele Menschen machten sich am gestrigen Sonntag auf diesen Weg – vom Rathaus bis zum Platz der Synagoge. Der &bdquo;Weg der Erinnerung“ stand auch im Zeichen des 1.250 Jubiläums Lübbeckes und des 80. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkriegs. Lesen Sie auch: Wie das Dritte Reich im Lübbecker Land nach 12 Jahren fiel &bdquo;1.250 Jahre Lübbecke – das Rathaus in Zeiten von Schutz und Schutzhaft“ lautete das Motto. Dieses Thema sei ganz bewusst ausgewählt worden, sagte Christel Droste vom Arbeitskreis. Welche Rolle spielten der Lübbecker Bürgermeister, der Rat und die Stadtverwaltung in der Nazi-Zeit, das wurde während des Weges zwischen Rathaus, Markt und Platz der Synagoge aufgezeigt. Nazis schnitten im Landkreis Lübbecker besser ab als auf Reichsebene Schülerinnen und Schüler des Wittekind-Gymnasiums, der Stadtschule und des Berufskollegs (Fachschule für Sozialpädagogik Espelkamp) hatten sich intensiv mit der Thematik befasst und stellten historische Fotos von NS-Aufmärschen in der Lübbecker Innenstadt vor. Sie erinnerten an den Aufstieg der NSDAP im damaligen Landkreis Lübbecke. In der Stadt Lübbecke hatten die Nazis wegen der starken SPD und der KPD kein leichtes Spiel. Mit der Gründung der ersten Nazi-Ortsgruppe in Tengern kam für die Partei der Durchbruch im Landkreis Lübbecke, in den anderen Orten folgten dann die weiteren Gruppen. Im Landkreis Lübbecke schnitten die Nazis bei den Reichstagswahlen deutlich besser ab als auf Reichsebene. Sie erinnerten unter anderem an Anweisungen von Ernst Meiring, Lübbecker Bürgermeister und fanatischer NS-Kreisleiter, im Rathaus den &bdquo;Deutschen Gruß“ zu nennen und jene zu melden, die das &bdquo;böswillig“ verweigerten. Sie erinnerten an Meirings Versuche, seine Bedeutung für die NSDAP weiter herauszuheben, indem er Adolf Hitler und den späteren Propagandaminister Joseph Goebbels für Wahlkampfauftritte nach Lübbecke einlud – allerdings ohne Erfolg. Meiring, eine zentrale Figur des NS-Terrors im Lübbecker Land, wurde nach dem Krieg nicht sonderlich belangt. Lübbeckerin erfuhr in KZ-Schreibstube vom Tod der Mutter Die Jugendlichen erinnerten an das Schicksal von Lübbeckern jüdischen Glaubens, die von den Nazis verfolgt und ermordet wurden – wenn ihnen nicht die Flucht etwa nach Großbritannien gelang. Und sie erinnerten an das Schicksal junger Lübbecker jüdischen Glaubens wie Lore Weinberg, der letzten jüdischen Schülerin in Lübbecke, mit der niemand Kontakt haben durfte, nach Auschwitz deportiert wurde, dort in der Schreibstube arbeiten musste. Dort erfuhr sie vom Tod ihrer Mutter. Sie selbst überlebte. Mehr zum Thema: Einige Schicksale auch 80 Jahre nach Kriegsende ungewiss Eindrucksvoll arbeiteten die Schülerinnen und Schüler auf, dass es vor Jahrhunderten Zeiten gab, in denen Juden von der Obrigkeit geschützt wurden und dass sie ab 1812 in Preußen gleichberechtigt waren. Sie arbeiteten interessante Details heraus – etwa dass die Lübbecker jüdischen Glaubens in der Synagoge als Ort des Glaubens zusammenkommen durften, während zu jener Zeit katholische Gottesdienste nicht abgehalten werden durften. Die Jugendlichen erinnerten daran, dass Menschen christlichen und jüdischen Glaubens in einer Stadt-Gemeinschaft zusammenlebten, sich auch politisch einbrachten. Das alles endete 1933. Aus Schutz wurde Schutzhaft – ein Mittel staatlicher Willkür, Repression und ein Instrument der Verfolgung. Die Jugendlichen erinnerten daran, dass bei einer NS-Kundgebung als Erinnerung an den Jahrestag des gescheiterten Hitler-Putsches 1923 am 9. November 1938 in Lübbecke die Stimmung aufgeheizt war – wegen des tödlichen Attentats auf den deutschen Diplomaten Ernst von Rath zwei Tage zuvor. Die Kundgebung gipfelte dann in den Ausschreitungen gegen Lübbecker jüdischen Glaubens und dem Niederbrennen der Synagoge. Abschluss am Gedenkstein für die frühere Synagoge Die Polizei schätzte die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Weg der Erinnerung auf gut 250 Menschen. Über die große Zahl freuten sich alle, die diese wichtige Gedenk-Kundgebung organisiert hatten. Über diese Zahl freute sich aber auch Lübbeckes neuer Bürgermeister Philipp Knappmeyer. Diese große Resonanz sei sehr positiv und das sei auch eine Anerkennung für das Engagement der Schülerinnen und Schüler. Lesen Sie auch: Als Nachbarn im Lübbecker Land zu rechtlosem Freiwild wurden Der 9. November sei ein historisches Datum, merkte Knappmeyer an. Es sei sehr wichtig, dass die Stadt Lübbecke auch die Rolle von Bürgermeister, Rat und Verwaltung in der NS-Zeit reflektiere und gezeigt werde, wie sie sich an der Ausgrenzung und Verfolgung beteiligten. Eindrucksvoll gestalteten die Jugendlichen auch den Abschluss am Gedenkstein für die Synagoge. &bdquo;Es gilt, heute aus dem Gestern für das Morgen zu lernen“, sagten sie. Die Erinnerung an die Pogromnacht 1938 verbanden sie mit dem Wunsch nach Frieden auf der Welt und einer Heimat für alle Menschen, in der sie sicher und friedlich leben könnten. Lübbecke solle eine offene und bunte Stadt bleiben, in der jeder und jede willkommen sei. &bdquo;Wir wollen, dass auch der Bürgermeister, der Rat und die Verwaltung sich dafür starkmachen“, sagten sie. Die rund 250 Gäste teilten diesen Wunsch. Kräftiger Applaus zum Abschluss machte das deutlich. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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