Paderborn Böllerverbot: Sinnvolle Maßnahme oder übertriebener Spaßverderber?

Paderborn. Bunte Raketen, Wunderkerzen und Sekt zum Anstoßen. So wird auch in diesem Jahr Silvester nicht gefeiert werden können. Denn Bund und Länder haben sich auf ein Böllerverbot geeinigt. Der Grund: Die Krankenhäuser seien durch die Pandemie überlastet, zusätzliche Patienten an Silvester durch Feuerwerksunfälle würden die Situation weiter zuspitzen. Erzielt das Verbot seinen Zweck? Die Stadt Paderborn werde keine öffentlichen Plätze für private Feuerwerke zur Verfügung stellen, sagt Stadtsprecher Jens Reinhardt. Auch ein zentrales Feuerwerk ist nicht geplant. Doch werden durch das Verbot zusätzliche Krankenhauspatienten verhindert? Behandlungen im Zusammenhang mit Silvesterfeuerwerk werden vom St. Johannisstift beispielsweise nicht extra erfasst und ausgewertet. &bdquo;Sicherlich kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Verletzungen durch Silvesterfeuerwerke", sagt Martin Wolf, Vorstandssprecher St. Johannisstift. Ein Blick in die Pressemitteilungen der Feuerwehr zum Jahreswechsel der vergangenen Jahre zeigt, dass die Maßnahmen durchaus Einfluss haben: "Das alte Jahr verabschiedete sich ungewöhnlich ruhig" heißt es zu den Einsätzen an Silvester 2020. Ohne Verbot viele Verletzungen Werden durchschnittlich 90 Einsätze pro Tag im Jahr gefahren, waren es zum Jahreswechsel 2020/2021 71 Einsätze. Als "äußerst ungewöhnlich" wird zudem bezeichnet, dass bis 8 Uhr an Neujahr 2021 ausschließlich der Rettungsdienst gefordert war. Nur einen Brandeinsatz gab es in Paderborn an Silvester 2020. Silvester 2019 rückte die Feuerwehr dagegen mehrfach wegen Bränden und Unfällen durch Feuerwerkskörper aus. In der Nacht brannten eine Hecke, ein Dachstuhl und diverse Container und Mülltonnen und sowie mehrere Pkw. Für die Silvesternacht typische Verletzungen wie Knalltraumata durch Raketen, Handverletzungen durch eine Schreckschusspistole, Augenverletzungen durch Feuerwerkskörper, Körperverletzungen, Schnittwunden und auch Alkoholmissbrauch sorgten für mehrere Einsätze. Kombination aus Feuerwerk und Alkohol gefährlich Nach Einschätzung von Ralf Schmitz, leitendem Branddirektor der Feuerwehr Paderborn, hängt der Verlauf der Silvesternacht zwar stark vom Wetter ab. Doch "Explosivstoffe sind gefährlich, dazu gehört auch Feuerwerk", so Schmitz. Die Gefahr gehe von der Kombination aus Feuerwerk und Alkohol aus. 2019 sei "recht turbulent" gewesen, 2020 "absolut bescheiden und ruhig". Zudem behindert etwas Anderes die Einsätze: "Die Leute stehen auf der Straße, wir haben Mühe, uns einen Weg zu bahnen", sagt Schmitz. Rauch schränke das Sichtfeld ein. Trotzdem betont der Branddirektor: Böllern ist nicht der ausschlaggebende Faktor für Einsätze in der Silvesternacht. Andreas Hoischen ist Firmeninhaber von Ignis-Zündtechnik. Er verkauft Silvesterfeuerwerk und führt Großfeuerwerke durch. "Wenn man in Deutschland geprüftes Feuerwerk sachgemäß zündet, passiert eigentlich nichts", betont Hoischen. Kurzfristigkeit sorgt für Kritik Für Firmeninhaber Hoischen führt das Fehlverhalten zu Umsatzeinbußen. Auch wenn bei ihm das Silvesterfeuerwerk nicht den Hauptumsatz ausmacht. "Das wäre eine schöne Einnahme gewesen, vor allem, weil die Großfeuerwerke auch größtenteils ausgefallen sind", sagt er. Was ihn am meisten stört, ist die Kurzfristigkeit der Maßnahme. "Wir haben für umsonst gearbeitet", betont Hoischen. Zum Glück hat er große Lagerkapazitäten, wo er die Ware für seine Kunden einlagern kann, die ihre Ware nun nicht nutzen können. "Für die Kunden ist es besser, als es im nächsten Jahr zu kaufen. Wir rechnen mit Preissteigerungen von 30 bis 40 Prozent", sagt Hoischen. Branche warnt vor Arbeitslosigkeit Ist das Böller-Verbot für Ignis-Zündtechnik nicht existenzbedrohend, so zieht die Gesamtbranche ein anderes Fazit. Den 3.000 Beschäftigten der Branche drohe die Arbeitslosigkeit, warnte der Verband der pyrotechnischen Industrie (VPI). Legales Silvesterfeuerwerk führe nicht dazu, dass die Notaufnahmen an Silvester ein Problem hätten, so der Verband. "Die Probleme sind übermäßiger Alkoholgenuss und illegale Feuerwerksprodukte", betont VPI-Vorsitzende Thomas Schreiber. Betroffen von dem Verbot sind auch Supermärkte. Thomas Lehr, Leiter des Marktkauf Thomas Lehr, weiß schon, dass er in diesem Jahr keine Ware bekommen wird. "Wir hätten dieses Jahr ohnehin nicht mehr bestellen wollen. Aber wir haben noch eine Abnahmeverpflichtung aus dem vergangenen Jahr", erklärt er. Ware wieder zurück geschickt Denn für den Jahreswechsel 2020/2021 habe er noch Feuerwerk bestellt, aber auch das habe aufgrund der Pandemie nicht geliefert und verkauft werden dürfen. Das hätte nun nachgeholt werden sollen. "Wie das jetzt gehandhabt wird, weiß ich derzeit noch nicht", sagt Lehr. Sicher sei jedoch: Er werde zukünftig kein Feuerwerk mehr bestellen. Denn für seinen Markt habe das Segment keine Bedeutung. Auch der Discounter Lidl bietet aufgrund des Verbots in diesem Jahr kein Feuerwerk und Pyrotechnik an. "Feuerwerksartikel, die bereits an uns geliefert wurden, werden von unserem Lieferanten abgeholt und eingelagert", sagt Pressesprecherin Melanie Pöter. Ähnlich verfährt auch der Discounter Aldi. "Die Logistikprozesse für unsere Feuerwerksartikel wurden gestoppt. Zusammen mit unseren Lieferanten stimmen wir die nötigen Schritte ab", sagt Pressesprecherin Verena Lissek.

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