Paderborn

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Zoff hinter den Kulissen des Theaters Paderborn

Die Intendantin steht in der Kritik. Für Unmut sorgen drei nicht verlängerte Verträge.

Das Theater Paderborn am Neuen Platz präsentiert viele gesellschaftskritische Inszenierungen. | © Reinhard Rohlf

02.12.2020 | 02.12.2020, 15:36

Paderborn. Auf der Bühne hebt sich zwar aktuell kein Vorhang, da Corona den Spielbetrieb lahm legt. Dafür läuft hinter den Kulissen des Paderborner Theaters offenbar ein ganz anderes Stück. Denn im Ensemble herrschen großer Unmut und Unzufriedenheit. Die Kritik richtet sich gegen die Intendantin und Geschäftsführerin Katharina Kreuzhage.

Ihr wird laut NW-Informationen mindestens mangelhafte Kommunikation vorgeworfen. Der Konflikt scheint jetzt mit ihrer Entscheidung, drei Verträge mit Darstellern nicht verlängert zu haben, einen Höhepunkt erreicht zu haben. Dabei soll es sich um Daniel Minetti, Ogün Derendeli und Lea Gerstenkorn handeln.

Dass Verträge nicht verlängert werden, ist in der Branche grundsätzlich nichts Besonderes. In diesen Fällen soll es nach NW-Informationen etwas anders sein. Denn die Betroffenen sind Ensemble-Sprecher und/oder gewerkschaftlich organisiert. Hinzu kommt, dass Minetti erst zur Spielzeit 2019/20 als Willi-Hagemeier-Nachfolger ans Haus kam und kurz vor der Rente steht. Auch Gerstenkorn kam vor 15 Monaten - Paderborn ist ihre erste Station mit einem Festengagement.

Kritik von Gewerkschaft

Derendeli wiederum, der seit Sommer 2017 auf der Paderborner Bühne spielt, wird Vater. Mit Barbara Fressner wird eine weitere Darstellerin künftig nicht mehr zum Ensemble gehören; allerdings kommt die Nichtverlängerung bei ihr nicht überraschend, da sie die Vertretung für die demnächst aus der Elternzeit kommenden Kirsten Potthoff ist.

In einem Brief an Kreuzhage kritisiert die Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA) die Entlassungen. Da die Lage für Kulturschaffende durch die Corona-Lage besonders dramatisch sei, ziehe die Entscheidung, ein Engagement zu verlieren, "sehr harte Konsequenzen nach sich", schreibt der NRW-Gewerkschaftsvorsitzende Adil Laraki.

"Ensemblemitglieder ständig in Angst"

Noch härter ist sein Vorwurf an die Theaterchefin jedoch bezüglich ihres Verhaltens. "Sie haben dem Ensemble im Rahmen des vom Bühnenverein mit Ihnen ausgearbeiteten ,Verhaltenskodex' suggeriert, dass alle mit Ihnen eine offene Kommunikation pflegen könnten. Das Resultat ist für diejenigen, die geglaubt haben, dass Sie dies ernst meinen, verhängnisvoll", erklärt Laraki. "Das Signal an das gesamte Ensemble ist eindeutig: Wer eure Anliegen vertritt, wird mit aller Härte beseitigt. Weder Corona-Krise noch soziale Aspekte hemmen Sie, eine solche Entscheidung zu treffen."

Intendantin Katharina Kreuzhage steht in der Kritik. - © Theater Paderborn/ Meinschäfer
Intendantin Katharina Kreuzhage steht in der Kritik. | © Theater Paderborn/ Meinschäfer

Während das Publikum Stücke zu gesellschaftskritischen Themen zu sehen bekomme und der Spielplan von progressivem Denken und modernen Inszenierungen geprägt sei, leite Kreuzhage das Theater so, "dass Ihre Ensemblemitglieder ständig in Angst leben müssen", entlassen zu werden, so Laraki. Das wird von anderen bestätigt. Offene Worte und Kritik an Kreuzhage, so ist zu hören, seien nicht möglich. Von Misstrauen, keiner Kommunikation auf Augenhöhe und einer Geringschätzung des Ensembles ist die Rede.

Das Gewerkschaftsschreiben sorgt für Unruhe. Zur Sichtweise der DGBA, dass Kreuzhage sich kritischer Stimmen entledige, antwortet die Intendantin auf NW-Anfrage: "Die Deutung der GDBA ist nicht richtig – ich habe die Nicht-Verlängerungen aus künstlerischen Gründen ausgesprochen." Ein Gespräch beziehungsweise den Versuch einer Klärung mit dem Ensemble habe es laut Kreuzhage nicht gegeben.

"Nein, da ich meine Personalentscheidungen natürlich weder mit dem Ensemble noch mit der Gewerkschaft diskutieren kann. Den offenen Brief von Adil Laraki werte ich auch nicht als Aufforderung zum Dialog, sondern als den Versuch, mich öffentlich moralisch unter Druck zu setzen."

Verhaltenskodex aufgestellt

Kreuzhage bestätigt, dass "die Atmosphäre zwischen mir und einzelnen Mitgliedern des Ensembles, seit ich die Nicht-Verlängerungen ausgesprochen habe, angespannt" sei. Nicht-Verlängerungen förderten nicht gerade die Harmonie. "Aber soweit die Corona-Bedingungen es zulassen, bin ich nach wie vor mit dem Ensemble-Vorstand, einzelnen Ensemble-Mitgliedern und dem Betriebsrat im regelmäßigen Gespräch."

Und der wertebasierte Verhaltenskodex, der auf ihre Initiative eingeführt worden sei, wurde, schließe nicht aus, "dass ich befristete Verträge nicht-verlängere", so Kreuzhage. "Ich treffe als Intendantin zwangsläufig auch unliebsame Entscheidungen, die, wenn sie künstlerisch begründet sind, nicht diskutiert werden können."

Zugleich sorge die sich seit Längerem hinziehende Diskussion über Arbeitszeiten "im Ensemble wahrnehmbar für Unruhe", sagt Kreuzhage. Die Meinungen gingen hier auseinander, doch "die Verhandlungen mit dem Betriebsrat befinden sich erfreulicherweise auf einem guten Weg". Dies sei für sie nicht immer leicht aufzufangen, besonders, weil die informelle Kommunikation im Moment aus Gründen des Hygieneschutzes praktisch vollständig ruhe. "Meine Aufgabe liegt zurzeit vor allem darin, dieses Theater als Teil der Gesellschaft möglichst knirschfrei durch die Krise zu bekommen."

Zur Frage, ob auch eine starke Arbeitsbelastung ein Grund für die Kürzung des Spielplans war, antwortet sie: "Definitiv nein." Dies sei ausschließlich auf die Corona-Rahmenbedingungen zurück zu führen. "Was die aktuelle Situation besonders macht, ist, dass uns gerade all das fehlt, was in diesem Beruf das Salz in der Suppe ausmacht: die Vorstellungen, der Applaus, das Miteinander."

Personalpolitik der Intendantin

Zu der öffentlichen Kritik an Kreuzhage erklärt der Vorstand der Theaterfreunde Paderborn auf Anfrage, dass er sich mit der Nichtverlängerung von drei Ensemble-Mitgliedern beschäftigt und auch mit der Intendantin gesprochen habe. "Ihre Argumente waren plausibel und nachvollziehbar" und der Normalvertrag (NV) Bühne sehe ein solches Vorgehen ausdrücklich vor. "Der Vorstand betont, dass er sich nicht in die Personalpolitik der Intendantin einmischt."

Gewerkschaftsvertreter Laraki wünscht sich, dass alle Beteiligten wieder miteinander reden. Er denke aber, dass der Konflikt so hart sei, "dass man eine externe Moderation benötigt", betont er auf Anfrage. "Die Stadt solle über den Aufsichtsrat schnell reagieren."