80 Jahre Kriegsende: Als die 16-jährige Marie aus Stemwede ihr Leben verlor

Lübbecker Land/Stemwede. Neugierig und sympathisch wirkt Sophie Marie Lange auf dem Schulfoto. Die blonden Haare zu Zöpfen geflochten, den Stift in der Hand schaut sie wissbegierig in die Kamera. In diesem Jahr wäre die Twiehauserin 97 Jahre alt geworden. Wenige Jahre nachdem das Foto entstand, war das junge Mädchen, das alle &bdquo;Mariechen“ nannten, jedoch tot. Sie zählt zu den vielen zivilen Opfern des Zweiten Weltkriegs. Weil sie am 4. April 1945 zum falschen Zeitpunkt aus dem Fenster schaute, trafen sie Schüsse aus einem Maschinengewehr. &bdquo;Meine Tante war ein lebenslustiges junges Mädchen“, berichtete Dieter Rothardt aus Berichten seiner Mutter. &bdquo;Es wurde aber wenig anderes von ihr erzählt. Das tragische Ende hat alles überschattet.“ Geboren wurde Mariechen Lange am 3. Dezember 1928. Das Ende des Zweiten Weltkriegs erlebte sie mit ihrer vier Jahre älteren Schwester und ihrer Mutter in Twiehausen. Ihr Bruder und ihr Vater waren als Soldaten an der Front. Mariechen Lange war zur Arbeit in der Muna in Espelkamp dienstverpflichtet worden. &bdquo;Sie ist täglich mit dem Fahrrad bis nach Espelkamp hin und zurück gefahren“, erzählte Dieter Rothardt. &bdquo;Aus der Muna wollte sie einfach nur weg.“ Alle hätten gehofft, dass der Krieg bald zu Ende sei. &bdquo;Durch die Arbeit mit den Chemikalien roch ihre Kleidung streng und musste ständig gewaschen werden. Sie solle bloß in der Karwoche keine Wäsche waschen und draußen aufhängen, das bringe Unglück, hat meine Mutter sie ermahnt.“ Karfreitag fiel 1945 auf den 30. März, Ostersonntag und Ostermontag auf den 1./2. April. Tragische Ereignisse haben Spuren hinterlassen Nachdem Osnabrück Anfang April 1945 von den Alliierten besetzt worden war, rückten die britischen Truppen auf ihrem Weg Richtung Weser am 4. April 1945 in Levern ein und stießen dabei auf Gegenwehr deutscher Soldaten. Levern sollte unbedingt in der Hand der Deutschen bleiben. Während die lokalen Funktionäre der Nazi-Partei längst verschwunden waren, sollten kaum ausgebildete und kaum bewaffnete jugendliche Soldaten den Stiftsort verteidigen. Am Ende hatten deutsche und britische Soldaten am Stiftshügel ihr Leben verloren, waren Zivilisten gestorben, dazu 48 Gebäude komplett zerstört und viele Weitere beschädigt. &bdquo;Durch die Ereignisse in Levern waren die Soldaten aufgeschreckt“, sagt Dieter Rothardt. Sein Elternhaus liegt an der Twiehauser Straße, nah am Alten Postweg (heute L770), aber auch nah am Lever Wald. Die geografische Lage war gut geeignet für einen Hinterhalt. &bdquo;Es soll ein sonniger Apriltag mit Frühlingswetter gewesen sein. Meine Tante hat am Fenster gestanden, warum auch immer.“ Wahrscheinlich hätten die Soldaten eine Bewegung wahrgenommen und daraufhin geschossen. &bdquo;Meine Tante hat eine volle Ladung Munition abbekommen.“ Seine Mutter habe noch versucht, unter großen Ängsten und eine weiße Fahne schwenkend, um bei den die Truppe begleitenden Sanitätern Hilfe zu holen. &bdquo;Es war aber zu spät. Meine Tante ist verblutet.“ Mariechen Lange wurde nur 16 Jahre alt. Beerdigt ist sie auf dem Leverner Friedhof. Unweit der Kriegsgräber für die gefallenen Soldaten. Schlimme Erinnerungen kamen hoch &bdquo;Meine Mutter fand die Vorstellung immer ganz schrecklich, dass ihre Schwester als unschuldiges junges Mädchen mit den Kämpfern in einem Massengrab beerdigt ist“, erzählte Dieter Rothardt. &bdquo;Ob das stimmt oder ob sie sich das zusammengereimt hat, wissen wir nicht.“ 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke Die tragischen Ereignisse hätten in der Familie Spuren hinterlassen. &bdquo;Für meine Mutter war der 4. April immer ein besonderer Gedenk- und Trauertag“, sagte Dieter Rothardt. &bdquo;Wenn dann das Wetter noch dazu so war wie am 4. April 1945, kamen bei meiner Mutter schlimme Erinnerungen hoch und der Tag war gelaufen.“ Durch den Zweiten Weltkrieg verloren weltweit schätzungsweise 60 bis 70 Millionen Menschen ihr Leben. In Deutschland starben mehr als sechs Millionen Männer und Frauen, davon mehr als eine Million Zivilisten. Deutschland verlor damit knapp zehn Prozent seiner Einwohner. Weitere Teile der Serie: 80 Jahre Kriegsende: Wie das Dritte Reich im Lübbecker Land nach 12 Jahren fiel 80 Jahre Kriegsende: Als Nachbarn im Lübbecker Land zu rechtlosem Freiwild wurden 80-Jahre Kriegsende: Als der Terror die Herrschaft im Lübbecker Land übernahm 80-Jahre Kriegsende: Was die Oberbauerschafterin Anna Alhorn erlebte 80-Jahre Kriegsende: Als der Krieg im Lübbecker Land zum Alltag wurde Video zum Thema:

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