Rahden

ALS-Patient aus Rahden meistert Alltag im eigenen Zuhause - trotzt Beatmung

Wolfgang Labudde möchte in seinem Heim selbstbestimmt leben. Dafür hat er ein Pflege-Team um sich, das ihn im Alltag unterstützt. Auf das hat er nach dem Gesetz Anspruch.

Wolfgang Labudde hat ALS. Dadurch ist der Rahdener auf eine 24-Stunden-Betreuung angewiesen. Dass er bei sich zu Hause leben kann, ermöglicht unter anderem Claudia Kuhlmann. Mit dabei ist immer Hündin Abby. | © Sonja Rohlfing

Sonja Rohlfing
13.08.2019 | 14.08.2019, 08:57

Lübbecker Land/Rahden. Wolfgang Labudde lebt gern selbstbestimmt, er ist unternehmungslustig, kommunikativ, ein großer Fußballfan und Liebhaber guter Musik, zudem allgemein sportbegeistert und an Politik interessiert. Außerdem ist der gelernte Mechaniker ein Draußen-Mensch. An diesem schönen Sommernachmittag hat er mit seiner Frau Brigitte und Claudia Kuhlmann ein schattiges Plätzchen in seinem Garten unter einer Birke gefunden. Hinter seinem Rollstuhl döst Mischlingshündin Abby.

"Wolfgang ist unser Arbeitgeber"

„Es ist eine schöne ruhige Ecke hier", findet der 64-Jährige. In der Siedlung unweit des Rahdener Krankenhauses lässt es sich gut leben. „In den letzten vier Wochen ist Wolfgang regelrecht aufgeblüht", freut sich Claudia Kuhlmann. Der Rahdener hat eine atypische Form von Amyotrophe Lateralsklerose (ALS). Die Erkrankung des Nervensystems führt zu Muskelschwund und Muskelschwäche und betrifft auch die Atemmuskulatur. Wolfgang Labudde wird künstlich beatmet und ist auf ständige Betreuung angewiesen. Die übernimmt ein Team von fünf festangestellten Pflegefachkräften und einer Aushilfe, und zwar seit dem 1. Juli bei ihm zu Hause. „Wolfgang ist unser Arbeitgeber", sagt Claudia Kuhlmann, die sich mit ihren Kolleginnen in 12-Stunden-Diensten die Rundum-Versorgung teilt. Möglich macht das das sogenannte Persönliche Budget gemäß Sozialgesetzbuch.

Wolfgang Labudde möchte andere Menschen informieren

„Ich kannte das gar nicht", erklärt Wolfgang Labudde. Viele andere auch nicht, nimmt er an. Deshalb möchte er gern öffentlich machen, dass es für schwer erkrankte Menschen möglich ist, zu Hause versorgt zu werden und am Familienleben teilzuhaben. Er selbst hat auch nur durch Zufall davon erfahren. Über einen Verein aus Berlin-Brandenburg, der ALS-Kranke unterstützt, fand der Rahdener den Kontakt zu Sebeko in Leverkusen. Das Unternehmen hat sich darauf spezialisiert, Betroffene unter anderem bei der Beantragung des Persönlichen Budgets zu helfen.

„Innerhalb von vier Wochen war mit meiner Krankenkasse alles geregelt", berichtet Wolfgang Labudde. Die Pflegefachkräfte waren schnell gewonnen. „Es hat keine zwei Monate gedauert, da hatten wir das Team zusammen." Bewerber habe es noch mehr gegeben.

Erste Anzeichen der Erkrankung waren schon früh vorhanden

Sebeko betreut den Rahdener weiterhin, erledigt die Abrechnungen oder den Schriftverkehr mit Behörden. In weiteren Belangen unterstützen ihn die Mitarbeiter des Zentrums für Pflegeberatung im Kreis Minden-Lübbecke am Standort Espelkamp.

2012 ist die Krankheit bei Wolfgang Labudde diagnostiziert worden. „Die Beschwerden vorher sind immer alle auf seinen Rücken geschoben worden. Die ersten Anzeichen hat es schon viel früher gegeben", merkt seine Frau Brigitte an. Seit rund sechs Jahren hat er in verschiedenen Pflege-Wohngemeinschaften gelebt.

"Es ist für uns alle ein Gewinn"

Nicht immer war der Umzug freiwillig und manchmal die WG auch nicht direkt um die Ecke. „Die Einrichtung in Münster war gut, aber Besuch kam selten", erzählt der 64-Jährige „Zu Hause ist es am schönsten", unterstreicht Wolfgang Labudde. In einer WG sei man immer eingebunden in ein System. In den eigenen vier Wänden lebe er selbstbestimmt. „Es ist seine Entscheidung, was er macht", verdeutlicht Claudia Kuhlmann. Sie hatte die Stellenanzeige von Sebeko im Internet entdeckt. „Ich habe zuletzt in Hamburg gelebt und gearbeitet und wollte wieder zurück ins Lübbecker Land", erklärt die erfahrene Pflegefachkraft, die fast 30 Jahre im Beruf ist. Die Arbeitsbedingungen wissen die Teamleiterin und ihre Kolleginnen zu schätzen. „Wo hat man es schon, dass man sich nur um einen Patienten kümmern darf." Es sei nicht so, dass alles immer einfach sei. „Aber es ist für uns alle ein Gewinn – für den Patienten und für uns Pflegekräfte", betont Claudia Kuhlmann.

"Ich bin ein anderer Mensch geworden"

„Ich bin ein anderer Mensch geworden. Ich kann aufstehen und mich hinlegen, wann ich will. Ich kann meine Tochter und mein Enkelkind besuchen, Ausflüge machen, wann und wohin ich möchte", verdeutlicht Wolfgang Labudde. „Das ist schon schön."

Darum ist es ihm so wichtig zu informieren, welche Möglichkeiten es für schwer erkrankte Menschen gibt.