Neuer Heimbetreiber will in Lübbecke und Espelkamp richtig „aufräumen“

Lübbecke/Espelkamp. Beschwerden von Bewohnern, Angehörigen und teilweise auch von den Mitarbeitern, unangekündigte Kontrollen der Heimaufsicht des Kreises (WTG), Belegungs-Stopp, immer wieder negative Schlagzeilen – das Frühjahr 2021 lief für die Emvia Living aus Hamburg, die die Seniorenresidenzen in Lübbecke und Espelkamp betrieb, richtig schlecht. So etwas soll sich nicht wiederholen, das machten kürzlich die neuen Verantwortlichen bei einem Gespräch mit nw.de in der Lokalredaktion deutlich. Jens Tegeler, Chef der in Minden ansässigen Tegeler-Gruppe, hat sich bereits 2017 mit der Bremer Specht-Gruppe zum Unternehmen Specht und Tegeler Seniorenresidenzen zusammengeschlossen und wollte eigentlich von Anfang an die beiden Seniorenresidenzen in Lübbecke und Espelkamp betreiben. Doch die Specht-Gruppe gab Emvia Living den Vorzug, bis die Hamburger sich im Sommer vergangenen Jahres zurückzogen und Jens Tegeler den Betrieb der beiden Einrichtungen übernahm. Die Specht-Tegeler-Gruppe ist laut eigener Darstellung &bdquo;kein Pflegekonzern“, sondern ein &bdquo;mittelständisches Familienunternehmen“. Man habe sich vorgenommen, in den ersten sechs bis zehn Monaten erst einmal richtig &bdquo;aufzuräumen“ – vor allem organisatorisch. Es seien neue Strukturen geschaffen und die Themen Pflegequalität, Kommunikation und Dokumentation neu aufgesetzt worden, sagt Tegeler: &bdquo;Wir sind sofort auf die WTG zugegangen und berichten monatlich an die Heimaufsicht.“ Belegungsverbote gebe es nicht mehr &bdquo;und auch keine anlassbezogene Prüfung, seit wir da sind“. Auslastung bei 80 Prozent Die Auslastung der beiden Heime in Lübbecke und Espelkamp, die stationäre Pflege, Tagespflege und betreutes Wohnen anbieten, gibt Tegeler mit 80 Prozent an. In Lübbecke gebe es 49 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für 57 Bewohner, in Espelkamp 47 Beschäftigte für 61 Bewohner. In Lübbecke seien die Wohnungen ausgebucht, in Espelkamp zuvor 12 frei gewesen, mittlerweile noch fünf. Eine Rolle bei diesen Zahlen hat auch die Insolvenz des von der Lübbecker Diakonie – Pflege- und Gesundheitsdienst gGmbH betriebenen Senioren- und Pflegeheims am Lübbecker Kirchplatz gespielt. Zwei der entlassenen Mitarbeiter und fünf ehemalige Bewohner seien in die Lübbecker Seniorenresidenz gewechselt, vier Mitarbeitende und zwei Bewohner in die Espelkamper. Haben Specht und Tegeler also von dieser Insolvenz profitiert? Jens Tegeler sagt &bdquo;Nein“, man bedaure die Schließung. Durch solche Ausfälle werde die Versorgungssicherheit schlechter, denn eine hundertprozentige Kompensation sei nicht möglich. Auf der anderen Seite wachse die Zahl der zu betreuenden Senioren erheblich. Monatelange Bearbeitungszeit Es gebe zwar die Möglichkeit der häuslichen Pflege, doch dürfe die damit zusammenhängende Belastung für die Familienangehörigen nicht unterschätzt werden: &bdquo;Daran geht manche Ehe und manche Familie kaputt“, sagt Tegeler, der zugleich das größte Problem der Betreiber von Pflegeeinrichtungen anspricht: die nicht gesicherte Refinanzierung. Das liege nicht zuletzt an der &bdquo;desolaten Zahlungsmoral“ und an der langen Antrags-Bearbeitungszeit von Sozialämtern und Krankenkassen. Die gibt die für das operative Management der Specht-und-Tegeler-Heime zuständige Gabriele Gallinat mit sechs bis acht Monaten an. Folglich lassen die Betreiber in Lübbecke und Espelkamp &bdquo;niemanden einziehen, wenn die Finanzierung nicht gesichert ist“. Sind ein Elternteil oder beide untergebracht, plage manchen Angehörigen ein schlechtes Gewissen. Dies könne dann zu überzogenen Forderungen an das Pflegeheim führen. Da werde teilweise eine &bdquo;Vollbetreuung 24 Stunden täglich, sieben Tage die Woche erwartet“, berichtet Jens Tegeler. Um das Wohlbefinden der Bewohner kümmern sich Einrichtungsleiterin Claudia Fischer und ihre Teams in Espelkamp und Lübbecke. Sie fühle sich wohl in ihrem Job, sagt sie und beschreibt die Arbeitsbedingungen in den beiden Einrichtungen, in denen keine Zeitarbeiter mehr tätig seien, als &bdquo;sehr gut“. Die Leitung in Lübbecke soll sie zum 1. April übergeben an Trainee Denise Lawrenz. Die Fachwirtin im Gesundheitswesen hat bislang in der Verwaltung der Espelkamper Seniorenresidenz gearbeitet und wird noch bis Ende März auf die künftige Leitung der Lübbecker Einrichtung vorbereitet. &bdquo;System hält nicht mehr lange durch“ Und wie sieht die Zukunft der Pflege im Lübbecker Land aus? Für Jens Tegeler ist klar: &bdquo;Ein Premiumangebot im ländlichen Raum ist nicht möglich.“ Aber auch das Umfeld der Seniorenresidenzen, die er bei der stationären Pflege im oberen Drittel sieht, bleibe angesichts der Treiber Personal-, Energie- und Unterhaltungskosten herausfordernd. Da die Pflegeversicherung zudem zu wenig Geld habe, glaubt er, &bdquo;dass das System nicht mehr lange durchhält“. Um zweistellige Renditen gehe es schon lange nicht mehr, sagt Jens Tegeler. Realistisch seien eher 3 bis 3,5 Prozent Rendite über 20 Jahre. Ohne Immobilienfonds und Investorenmodelle, ist er angesichts des geringen staatlichen Engagements in diesem Bereich sicher, &bdquo;würde der Markt nicht mehr funktionieren“.

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