Steht der Krankenhaus-Neubau im Lübbecker Land bereits auf der Kippe?

Sorgen haben Kämmerer, Räte und die Bürger wegen der Kosten für einen möglichen Klinik-Neubau im Lübbecker Land. Sie befürchten teils drastische Erhöhungen der Grundsteuer. Eine berechtigte Sorge? Dogan: Die Sorge ist aus meiner Sicht definitiv berechtigt. Ich bleibe bei meiner Aussage, die ich schon mehrfach getätigt habe, dass aufgrund der haushalterischen Lage zwei Krankenhaus-Neubauten nicht finanzierbar sind. Die Systematik sieht vor, dass sich die Mühlenkreiskliniken, die kommunale Seite und der Fördergeber beteiligen müssen. Zwei Sockel aber sind so stark ins Wanken gekommen, dass es nicht finanzierbar ist – es trifft die MKK und die kommunale Seite. Die vorliegende Kostenschätzung ist definitiv veraltet. Ein Puffer von 30 Prozent reicht mitnichten aus. Wir werden über Kosten deutlich jenseits der 530 Millionen Euro sprechen müssen. Schrader: Die Aussage ist mir ein Stück weit zu pauschal. Die Zahlen sind nicht veraltet, sondern von 2021. Es gibt eine einstimmige Beschlusslage im Kreistag, das Verfahren zum Bau von zwei neuen Krankenhäusern zu betreiben. Es gibt die Einstimmigkeit zum Erhalt der kommunalen Trägerschaft und zum Erhalt der wohnortnahen stationären Versorgung. Und ja, wir werden in zwei bis zweieinhalb Jahren bei einer Kostenberechnung wissen, welche Volumina anfallen und darüber mit den Kommunen sprechen. Ein vorzeitiger Stopp des Verfahrens bedeutet, dass die maximal 178 Millionen Euro Fördergeld weg sind. Und Nichtstun ist keine Option. Alle denkbaren Konstellationen werden zu Kosten führen – sei es die Sanierung, sei es der Neubau von zwei oder einem Haus. Ob neue Fördergelder aufgelegt werden, lässt sich derzeit nicht sagen. Ist das so? Dogan: Wir hören immer das Verwaltungs-Sprech ,Wir bleiben im Verfahren’. Man kann zum jetzigen Stand sagen, dass die kommunalen Finanzen in einigen Jahren eine Investition von 600 bis 700 Millionen Euro oder mehr nicht tragen. Warum aktualisierte man die Kosten nicht vor der Wahl? Das wäre den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber ehrlich. Schrader: Ich halte es nicht für richtig, den Menschen Sand in die Augen zu streuen. Die Kosten sind schon auf dem Rückzug, wir sind mit einem soliden Kostenwerk unterwegs. In zwei bis zweieinhalb Jahren werden wir die Zahlen haben, die aktuell sind, und auf der Grundlage werden wir entscheiden. Auch Sanierungskosten unterliegen einer Preissteigerung. Herr Dogan äußert, das Verfahren stoppen zu wollen. Aber auch die SPD-Kreistagsfraktion trägt es mit. Herr Dogan, Ihre Meinung? Dogan: Das, was hier gemacht wird, ist eine typische Verwaltungs-Salami-Taktik. Ich erwarte von einem Landrat, dass er sich nicht hinter Beschlüssen versteckt, sondern gestaltet. Ich rede nicht von einem Stopp. Wenn aber ein Beschluss schon feststeht, wie Herr Schrader sagt, warum schlägt er dann eine Prüfung der Sanierung in Lübbecke vor? Wir müssen über eine Sanierung sprechen, ich will das dezidiert geprüft wissen – ohne einen bestehenden Beschluss sofort aufzuheben. Ich möchte auch den ehrenamtlichen Kreistagsmitgliedern für Beratungen und Beschlüsse Zeit geben. Sie sollen sich nicht in eine Beschlusslage drängen lassen. Fragen Sie doch mal die Bürgerinnen und Bürger bei einer exorbitant steigenden Grundsteuer. Wenn die ersten Bescheide verschickt werden, dann ist Holland in Not. Schrader: Das ist mir zu reißerisch. Wir haben aufgezeigt, dass bei einer Investition von 350 Millionen durch die kommunale Seite die Belastung durch eine Erhöhung der Grundsteuern überschaubar ist. Die Grundsteuer wird sich nicht, wie von Herrn Dogan gesagt, verdoppeln. Dogan: Wenn ein normaler Haushalt vor einer 25-prozentigen Erhöhung der Grundsteuer steht, kann er sich das nicht mehr leisten. Auf höhere Steuern hinzuweisen, ist nicht reißerisch. Auch der Eigenanteil der MKK ist nicht zu leisten. Reichen bis zu 178 Millionen Euro Förderung von Bund und Land für zwei Neubauten? Dogan: Das reicht definitiv nicht. Egal, welche Couleur die Landesregierung hat – die Krankenhaus-Finanzierung ist für die kommunale Seite bislang nicht auskömmlich. Die Kommunen werden zu stark belastet. Durch die neuen Planungen des Bundes gibt es nun etwas Hoffnung. Alle Akteure müssen auf eine bessere Finanzierung drängen. Es war ein Fehler aller politischen Seiten, das Gesundheitssystem in einem der reichsten Länder so vor die Wand gefahren zu haben. Schrader: Die 178 Millionen Euro sind natürlich zu wenig. Aber 178 Millionen von 800 Millionen insgesamt landesweit, das ist schon was. Dass es nicht auskömmlich ist, können wir noch drei Stunden beweinen, aber das hilft nicht. Insgesamt muss man sich gesamtgesellschaftlich die Frage stellen, wie man das Krankenhaussystem finanzieren kann. Viele kleine Kliniken werden schon wegen Personalmangel nicht mehr öffnen können. Auch wird man entscheiden müssen, welches Krankenhaus künftig noch welche Leistungen vorhält. Mittlerweile entscheiden die Patienten mit den Füßen, wo sie sich operieren lassen. Das Thema Zentralisierung und Spezialisierung entscheiden die Patienten durch die Entscheidung für ein Krankenhaus. Halten Sie selbst denn zwei Klinikneubauten überhaupt für realistisch oder sollten sich Kreis und MKK besser auf einen Neubau in Bad Oeynhausen konzentrieren? Schrader: Ich halte für die Sicherstellung der stationären Gesundheitsversorgung und der Integration der Auguste-Viktoria-Klinik einen Neubau in Bad Oeynhausen für nötig. Über die Finanzierung müssen wir reden, wenn wir die Zahlen auf den Tisch bekommen und wir eine seriöse Berechnung haben. Dogan: Ich halte zwei Neubau-Projekte nicht für realisierbar. Bad Oeynhausen ist der unumstrittene Teil. Deshalb muss man über das weitere Vorgehen im Lübbecker Land sprechen und eine Sanierung in Lübbecke dezidiert prüfen. Die Behauptung eines Sanierungsbedarfs in Höhe von 155 Millionen Euro für das Krankenhaus Lübbecke wurde auf einmal in die Welt gesetzt. MKK-Chef Olaf Bornemeier konnte im Frühjahr 2022 nicht sagen, seit wann dieser angebliche Bedarf bekannt ist. Und beim Medizinkonzept von 2018 war er auch kein Thema. Warum hat es bisher kein Gutachten zum tatsächlichen Sanierungsbedarf gegeben? Schrader: Beim Konzept 2018 sind Fehler gemacht worden, der damalige Landrat Ralf Niermann hat es vor die Wand gefahren. Jetzt macht man es besser. Der MKK-Verwaltungsrat weiß seit Dezember 2019 Bescheid über den Sanierungsbedarf. Um die Debatte zu versachlichen, schlage ich vor, Chancen, Risiken und Kosten einer möglichen Sanierung zu berechnen. Dogan: Die Aussage zu einer Überprüfung der Sanierung wurde während einer Versammlung der CDU getroffen, nachdem ich das schon gefordert hatte. Warum will man das jetzt prüfen, wo der Beschluss schon feststeht? Deshalb wäre es wichtig, als Landrat den Hut aufzuhaben, um das richtig anzugehen. Im Übrigen ist das Scheitern des vorherigen Konzeptes nicht einer Person anzulasten. Ich kenne Herrn Niermann nicht. Aber für das Konzept gibt es eine Gesamtverantwortung. Die Bedeutung von Wald für das Klima ist unbestritten. Wollen Sie im Fall Ihrer Wahl trotzdem den Wald in der Espelkamper Gabelhorst zum Großteil für einen Klinik-Neubau opfern? Schrader: An der Stelle halte ich das für vertretbar, weil es um ein Klinikum geht. Andersherum würde es bedeuten, dass man in diesem Land nichts mehr realisieren kann. Das Kreisumweltamt kam zu dem Ergebnis, dass es ein minderwertiger Wald ist. Dogan: Ich würde alles daran setzen, den Wald nicht opfern zu müssen. Ich würde ein Zweit- oder Drittgutachten einholen. Es gibt Aussagen, dass der Wald intakt ist. Wir haben den ehrenamtlichen Kreistagsmitgliedern auch noch nicht vorgelegt, welche Folgen das Vorhaben für die CO2-Bilanz hat und welche Nachnutzung es für Lübbecke gibt. Diese Fakten müssen auf dem Tisch liegen. Dann erkennt die Politik hoffentlich, dass ein Neubau im Wald die schlechteste Variante ist. Warum lässt man ein Krankenhaus wie Rahden über die Klinge springen? Schrader: Wir haben das Problem des Fachkräftemangels und müssen in Rahden mit Honorarärzten arbeiten. Der Notarzt darf Rahden ja gar nicht mehr anfahren. Solange wir die Krankenhaus-Planung für NRW umsetzen müssen, wird es für Rahden keine Zukunft geben. Dogan: Ich sehe angesichts der Vorschläge der Expertenkommission des Bundes ein zartes Pflänzchen. Rahden gehört in die Prüfung mit hinein. Man darf für Lübbecke und Rahden keine Beschlüsse fassen, wenn keine Lösung zur Nachnutzung existiert. Ich würde schauen, ob es vor dem Hintergrund der Hinweise der Expertenkommission eine Lösung für Rahden geben kann – im Zusammenspiel mit Lübbecke. Hier gibts alle Informationen zur Landratswahl 2023 im Kreis Minden-Lübbecke

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