OWL Crime – mit Podcast

Vom Kuss zum Tod: Das Schicksal der 13-jährigen Lisa D. aus Bad Oeynhausen

Die 13-jährige Lisa D. (Name geändert) kehrt 2001 nicht mehr von einem Treffen mit ihren Freunden zurück. Drei Wochen später wird ihre Leiche gefunden. Warum sie wegen eines Kusses sterben musste.

In Dehme bei Bad Oeynhausen verschwand die 13-jährige Lisa D. im Jahr 2001. Erst drei Wochen später wurde ihre Leiche am Ufer der Weser in Porta Westfalica gefunden. | © Jörg Stuke

Nicole Sielermann
23.10.2025 | 23.10.2025, 05:32

Bad Oeynhausen. Die Polizei musste im Jahr 2001 viel Kritik einstecken: Erst nach zehn Tagen gingen die Beamten mit dem Vermisstenfall Lisa D. (alle Namen geändert) an die Öffentlichkeit. Dabei war die 13-Jährige da längst tot. Sie wurde von ihrem 17-jährigen Kumpel ermordet, der sie dann gemeinsam mit ihren anderen Freunden in die Weser schmiss.

Lisas Mutter erhob schwere Vorwürfe gegen die Polizei. Und die Bielefelder Initiative Schutzengel reichte bei der Bezirksregierung Detmold eine Dienstaufsichtsbeschwerde ein – was der Polizei letztlich eine Rüge und interne Umstrukturierungen einbrachte.

In der neuen Folge von „OstwestFälle“, dem True-Crime-Podcast der Neuen Westfälischen, spricht Moderatorin Birgitt Gottwald mit der NW-Redakteurin Nicole Sielermann über den Mord an einer 13-Jährigen, die wegen eines Kusses sterben musste.

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Der Tod von Lisa D. – Der Fall im Überblick

  • Lisa D. traf sich spätabends noch mit ihren Freunden auf einem nur 250 Meter von ihrem Elternhaus entfernten Spielplatz.
  • Als die 13-Jährige Stunden später immer noch nicht nach Hause kam, meldete ihre Familie sie als vermisst.

  • Drei Wochen später entdeckten Spaziergänger Lisas Leiche am Ufer der Weser in Porta Westfalica.

  • Kurz nachdem ihre Leiche gefunden wurde, stellte sich der Täter. Es war ihr 17-jähriger Kumpel Eugen.

  • Er soll sie aus Wut getötet haben, nachdem sie Eugens Freundin von einem Kuss zwischen ihr und ihm erzählen wollte.

  • Eugen wurde wegen Totschlags zu acht Jahren und neun Monaten Jugendhaftstrafe verurteilt.

Lisa verschwindet 250 Meter von ihrem Elternhaus entfernt

Es war der 19. April 2001 als der damalige Kripo-Chef Hans Drewitz zur Pressekonferenz lud. Mit Hilfe der Bad Oeynhausener Bürger hoffte er, Lisa D. zu finden. Die Schülerin war zuletzt am 9. April (der Montag vor Ostern) am Kinderspielplatz im Bereich des Kleewegs in Dehme gesehen worden. Dort hatte sie sich mit Freunden getroffen, um gegen 21.30 Uhr zu Fuß allein den Heimweg anzutreten. Am rund 250 Meter entfernten elterlichen Wohnhaus am Kleeweg traf sie jedoch nicht ein. Erst zwei Jahre zuvor war Lisa mit ihren Eltern aus Kasachstan nach Deutschland gekommen.

Alle Bemühungen von Eltern und Polizei, Lisas Aufenthaltsort herauszubekommen, blieben laut Drewitz erfolglos. Obwohl die Kripo davon ausging, dass kein „strafrechtlich relevanter Hintergrund zu dem Verschwinden“ vorlag, wurde die Suche verstärkt. Es gab keine Anzeichen, dass sich die Schülerin im Vorfeld mit Eltern oder Freunden gestritten hatte. Es lagen auch keine weiteren Erkenntnisse vor, weshalb Lisa nicht wieder nach Hause zurückgekehrt sei, hieß es vonseiten der Polizei. Zumal Lisa zwischenzeitlich bei einer Freundin in Löhne gesehen worden sein sollte und auch eine Polizeibeamtin das Mädchen im Werre-Park gesehen haben wollte.

Lisa starb noch am Tag ihres Verschwindens

Drei Wochen nach dem Verschwinden dann die traurige Gewissheit: Lisas Leiche wurde am Weser-Ufer in Porta Westfalica gefunden. Noch am Tag ihres Verschwindens war die 13-Jährige erdrosselt und in die Weser geworfen worden. Mit dem Leichenfund intensivierte auch die Polizei ihre Arbeit und stellte vor Ort in Dehme Nachforschungen an.

Aufgrund des Druckes von außen gestand Anfang Mai 2001 der 17-jährige Eugen die Tat. Der Jugendliche aus Lisas Bekanntenkreis gehörte zur Clique, mit der die 13-Jährige am Abend ihres Verschwindens unterwegs war. Und diese Clique schwieg vorerst eisern. Zumal zwei Jungen und ein Mädchen im Alter zwischen 13 und 15 Jahren an der Beseitigung der Leiche beteiligt waren, wie sich später herausstellte.

Schweigen der Clique erschwerte die Aufarbeitung

Die Kripo damals: „Dieser Kreis hält zusammen, hat auch keine Kontakte zu in Deutschland geborenen Jugendlichen.“ Der daraus resultierende Gruppenprozess habe die Polizei-Arbeit „natürlich erschwert“. Eugens Freunde seien, so hieß es nach der Aufklärung, beim Finden der erwürgten Lisa zwar entsetzt gewesen, auf die Idee, einen Arzt oder die Polizei zu verständigen, sei aber keiner gekommen.

Eine Woche später hatte Eugen gestanden, Lisa neben dem Spielplatz am Kleeweg geküsst zu haben. Das 13-jährige Mädchen habe danach nicht ausschließen wollen, dass sie dieses Eugens Freundin erzählen würde. Außer sich vor Wut würgte er die 13-Jährige bis zur Bewusstlosigkeit. Nachdem er sich bereits abgewandt und den Rückzug angetreten hatte, kehrte er um und erdrosselte Lisa mit einer Kordel.

Täter streitet Alkoholproblem ab

Der 17-jährige mutmaßliche Täter, der erst ein Jahr zuvor aus Russland nach Deutschland kam, soll zur Tatzeit betrunken gewesen sein, die Staatsanwaltschaft ging beim Prozess im Dezember 2001 daher von einer verminderten Schuldfähigkeit aus und beantragte neben der Bestrafung des Angeklagten auch die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Inzwischen ist Eugen, der wegen Totschlags zu acht Jahren und neun Monaten Jugendstrafe verurteilt wurde, wieder auf freiem Fuß. Seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hielt die Kammer des Bielefelder Landgerichtes damals für zwecklos, da der beim Prozess 18-Jährige keinerlei Einsicht in sein Suchtproblem zeigte.

Seine Mittäter, die damals 16- und 17-jährigen Schüler eines Internats für Spätaussiedler, mussten eine dreiwöchige Jugendstrafe absitzen und 200 Arbeitsstunden leisten. Der Täter hatte den 16-jährigen Schüler gezwungen, sein Fahrrad zur Verfügung zu stellen, um das Mädchen zu einem Grillplatz am Fluss zu transportieren. Sein Bekannter habe dem Mörder auf dem Rest des Weges geholfen, die Leiche in die Weser zu schaffen. Offenbar sei das tote Mädchen nicht getragen worden, sondern Mörder und Mittäter hätten Lisa D. jeweils an einem Arm gezogen, bis sie die Leiche auf einem Steg ablegten.