Kritiker der ICE-Trasse fahren mit drei Forderungen zum Spitzengespräch nach Berlin

Bad Oeynhausen. Die Kritiker der ICE-Neubautrasse vertrauen auf die Deutsche Bahn. Sie fahren im guten, alten, einstöckigen Intercity nach Berlin. Rocco Wilken, Karsten Otte, Hermann Dedert, Jens Köster und Stefanie Rothenstein wollen Dienstagmorgen pünktlich im Verkehrsministerium sein, um den Bahn-Beauftragten der Bundesregierung zu treffen. Die fünf OWL-Vertreter stehen deshalb allerdings schon am Montagnachmittag im Bahnhof Bad Oeynhausen und warten auf ihren Zug, dabei dauert die Zugfahrt von NRW nach Berlin planmäßig zwei Stunden und 41 Minuten ohne Umsteigen. Der Intercity aus Amersfoort hat in der Kurstadt am Montagnachmittag auch bloß fünf Minuten Verspätung. 14.37 Uhr soll der Zug abfahren. Kurz zuvor belegt aber noch ein Doppeldecker-Intercity das Gleis und rauscht durch den Bahnhof. Hermann Dedert, Vorsitzender der westfälisch-lippischen Landwirte in Herford-Bielefeld, sagt dazu: "So wird das dann in Zukunft." Es bleibt offen, ob damit die Zukunft der Bestandstrasse gemeint ist oder der Neubau der Hochgeschwindigkeitsstrecke quer durch OWL. Die Deutsche Bahn plant derzeit jedenfalls den Neubau für Tempo 300. Bahnreisende sollen in 31 Minuten von Hannover nach Bielefeld fahren können. Derzeit dauert die Reise auf der bestehenden Trasse laut Fahrplan 50 Minuten. Ein Gutachten der Bürgerinitiative Widuland hält aber bis zu 42 Minuten für möglich. Das sind die drei Forderungen der Kritiker Das Widuland-Gutachten ist im Planungsprozess der Bahn bisher jedoch nicht ausführlich gewürdigt worden, finden die Kritiker der Neubautrasse um den Vlothoer Bürgermeister Rocco Wilken (SPD). Er führt die Delegation nach Berlin an. Die Neubau-Kritiker fordern, dass die Planer sich mit ausführlich mit dem Ausbau der Bestandstrasse auseinandersetzen. Allerdings ohne Tempo 300 und ohne Verbreiterung der Trasse. Das Gutachten habe gezeigt, so Wilken, dass genau das möglich ist. Die fünfköpfige Delegation reist deshalb mit leichtem Gepäck, aber mit gewichtigen Forderungen nach Berlin: Das Verkehrsministerium soll die Vorgabe von 31 Minuten Fahrzeit aufgeben, Tempo 250 soll als Höchstgeschwindigkeit auf der Bestandstrasse gelten und damit das Gutachten der Bürgerinitiative endlich auch in Berlin Gehör finden. Die dritte Forderung ist eine Rückversicherung dafür, dass die ersten beiden Forderungen im weiteren Planungsverfahren nicht wie Schall und Rauch aufgehen: Ein Vertreter des Verkehrsministeriums soll ständiger Ansprechpartner im Planungsdialog der Bahn sein. Die fünf Bahnreisenden Rocco Wilken, Karsten Otte von der Bezirkskonferenz Naturschutz OWL, Jens Köster und Stefanie Rothenstein von der Bürgerinitiative Widuland werden von einem Reporter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks begleitet, der die Zugfahrt nach Berlin fürs Fernsehen filmt. Der Bahn-Beauftragte der Bundesregierung, Staatssekretär Michael Theurer (FDP) hat die Kritiker im Rahmen einer Radio-Podiumsdiskussion nach Berlin eingeladen. Theurer war in Vlotho nur über einen Video-Kanal zugeschaltet, was durch die zeitverzögerte Übertragung die Kommunikation erheblich erschwerte. Bislang sind keine Zugeständnisse in Sicht Das Spitzentreffen im Ministerium mit den Kritikern aus OWL und Niedersachsen soll dem Vernehmen nach allerdings hinter verschlossenen Türen stattfinden. Neben dem Bahn-Beauftragten der Bundesregierung soll nach Informationen der NW auch Carsten-Alexander Müller, der Projektleiter der Bahn, mit am Tisch sitzen. Die Einladung nach Berlin kam während des Radio-Stadtgesprächs zustande. Theurer wollte seinen Kritikern von Angesicht zu Angesicht entgegentreten. Zugeständnisse hat der Staatssekretär bislang aber nicht in Aussicht gestellt. Im Gegenteil. In der vergangenen Woche hat Theurer erheblichen Wirbel durch ein Fernsehinterview ausgelöst, bei dem es um Klimaschutz, den Ausbau der Bahn und den Deutschlandtakt ging. Theurer hat den Deutschlandtakt darin ziemlich flott in die ferne Zukunft, ins Jahr 2070, verschoben. Dabei gilt der Ausbau der Bahn als Lösung vieler Verkehrsprobleme. Die Infrastruktur-Vorständin der Deutschen Bahn, Ingrid Felipe, nannte den Deutschlandtakt beim Radio-Stadtgespräch in Vlotho sogar mit einigem Pathos "ein Rettungsnetz fürs Klima". Theurer hat einen Tag nach dem Fernsehinterview zurückgerudert und erklärt, der Taktfahrplan soll schon ab 2025 "in Etappen" eingeführt werden. Die Welle der Empörung war da aber nicht mehr aufzuhalten. Stefanie Rothenstein von der Bürgerinitiative Widuland weist noch auf dem Bahnsteig in Bad Oeynhausen mit Blick auf Theurers Taktprognose darauf hin, dass der Wendepunkt fürs Klima "deutlich vor 2070 sein wird". Widuland sperrt sich auch nicht gegen den Ausbau der Bahn, nur gegen den Neubau quer durch OWL. Zwischen Minden und Wunstorf müssten allerdings zwei neue Gleise verlegt werden. Zusätzlich zu den bestehenden zwei Gleisen.

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