CDU Landrats-Kandidat nimmt Stellung: Sind zwei Klinik-Neubauten im Kreis Minden-Lübbecke finanzierbar?

Herr Schrader, muss der Landrat ein Verwaltungsexperte sein? JÖRG-MICHAEL SCHRADER: Das schadet nicht. Und diese Verwaltungsexpertise bringe ich mit. Das gehörte ja auch zum Anforderungsprofil, das die Kreis-CDU an den Kandidaten hatte. Ich glaube nicht, dass es von Nachteil ist, wenn ein Hauptverwaltungsbeamter, der Führungskraft für fast 1.800 Beschäftigte ist, weiß, was er tut. Würden Sie denn Quereinsteiger, die keinen Verwaltungshintergrund haben, für ein solches Amt grundsätzlich ausschließen? Das steht mir überhaupt nicht zu, weil das ja die nordrhein-westfälische Gemeindeordnung ausdrücklich zulässt. Ich persönlich konnte der ehemaligen Doppelspitze einiges abgewinnen. Aber die Rahmenbedingungen sind nun andere. Deshalb muss ich das jetzt mit Demut ertragen. Was qualifiziert Sie für das Amt des Landrates im Kreis Minden-Lübbecke? Ich bin ausgebildeter Diplom-Verwaltungswirt, war sechs Jahre bei einer großen Stadtverwaltung in Düsseldorf. Ich bin dann für drei Jahre in die private Wirtschaft gegangen, habe öffentliche Einrichtungen in Organisation und Softwareeinführung beraten. 2004 wurde ich dann zum Beigeordneten der Stadt Freudenberg gewählt. Seit 2016 bin ich hier als Kämmerer im Mühlenkreis. Das heißt, ich kenne die kommunale Familie. Ich bin hier in den Themen drin. Und bei dem personellen Wechsel, der in der Kreisverwaltung ansteht – Kreisdirektorin Cornelia Schöder geht im März in den Ruhestand, die beiden Dezernenten Lutz Freiberg und Hans-Jörg Deichholz bleiben auch nicht mehr ewig – sorge ich für die Kontinuität. Ist denn der politische Teil der Aufgaben eines Landrates Neuland für Sie? Ich bin seit 2002 Mitglied in der CDU. Ich habe zwar die politische Arbeit auch als Kämmerer immer begleitet, aber in der Tat habe ich ein rein politisches Amt so nicht ausgeübt. Wir haben seit Jahren den Eindruck, dass Bad Oeynhausen in der Kreispolitik ein Schattendasein fristet. Welchen Stellenwert hat Bad Oeynhausen für Sie? Bad Oeynhausen ist für mich eine gleichberechtigte Stadt unter den elf Kommunen des Kreises. Es ist Aufgabe des Landrates, als Klammer zwischen den Kommunen für ein gutes Miteinander zu sorgen. Auf Augenhöhe, nicht als Landrat von oben herab. Sollte man Bad Oeynhausen nicht besser dem Kreis Herford zuschlagen? Bei Landtags- und Bundestagswahlen ist die Stadt ohnehin schon dem Nachbarkreis zugeordnet. Die Diskussion kann man ja gerne führen. Aber das ist nicht unsere Entscheidungsebene, das muss das Land entscheiden. Kommen wir zum Thema Krankenhäuser. Sie haben als Kreiskämmerer doch vermutlich den besten Überblick darüber, was sich der Kreis und seine Kommunen leisten können und was nicht. Wo liegt für Sie die Grenze bei der Kostenabschätzung, ab der Sie sagen würden: Das ist nicht finanzierbar? Ich glaube, dass man das heute nicht seriös beantworten kann. Wir haben die klare und einstimmige politische Aussage im Kreistag, dass wir die Mühlenkreiskliniken in kommunaler Trägerschaft behalten wollen. Wir wissen zum anderen auch, dass Bund und Land ihren Investitionsverpflichtungen in den letzten Jahren nicht auskömmlich nachgekommen sind. Und wir wissen, dass sich die Krankenhauslandschaft derzeit dramatisch verändert. Darauf müssen wir reagieren, damit wir den Wandel gestalten können und nicht gestaltet werden. Insofern wäre es unseriös, jetzt eine Schmerzgrenze der Finanzierbarkeit zu benennen. Wichtig ist aber, wenn am Ende eine Entscheidung zu treffen ist, in welche Richtung wir unser Projekt weiterentwickeln wollen, dass dann Kreis und Kommunen gemeinsam entscheiden. Denn der Trägeranteil – wie hoch er auch sein wird – wird im wesentlichen von den Städten und Gemeinden zu tragen sein. Mal angenommen, Ihr Kontrahent Ali Dogan hat recht mit seiner Einschätzung, dass zwei Klinik-Neubauten nicht finanzierbar sind. Was dann? Das ist eine gute Frage. Schon beim nächsten Wirtschaftsplan werden der Verwaltungsrat der Mühlenkreiskliniken und der Vorstand schauen, welche strukturellen Veränderungen unabhängig von der Frage, wie es im Projekt weitergeht, vorgenommen werden müssen. Eines ist klar: Die Förderzusage über bis zu 178 Millionen Euro gibt es nur für die Umsetzung beider Neubauprojekte. Ich werbe dafür, nicht pauschal zu sagen: Das ist nicht zu finanzieren. Was ja auf der anderen Seite auch bedeuten würde, sagen zu müssen, was denn dann passieren soll. Würden wir den Förderantrag zurückziehen, würde das bedeuten, dass die 178 Millionen Euro aus dem Strukturhilfefond in andere Regionen fließen würden. Dann ist das Geld unwiderruflich weg. Und ob es jemals wieder Fördertöpfe in dieser Größenordnung gibt, das kann heute noch keiner sagen. Nun gibt es ja auch Stimmen, die sagen, wenn uns diese Fördermodalitäten so unter Druck setzen, dann sollte man auf die Mittel vielleicht besser verzichten. Ist das für sie keine Option? Ich sehe im Moment nicht die Notwendigkeit, sich festzulegen. Wir haben eine Kostenschätzung aus dem Jahr 2021, für den Bau im Lübbecker Land für 300 Millionen Euro und für Bad Oeynhausen für 228 Millionen Euro, mit Integration der Auguste-Viktoria-Klinik. Diese Schätzungen basieren letztlich auf den Quadratmetern umbauten Raumes, auf der Bettenzahl und auf den Stationen, die dort vorgehalten werden sollen. Wenn mein Mitbewerber sagt, er will das neu schätzen, dann wird er am Ende auf dieselben Zahlen kommen. In die Zahlen aus 2021 ist ja schon ein pauschaler Aufschlag von 30 Prozent eingerechnet. Wenn wir nun das Signal bekommen, das Antragsverfahren geht weiter, dann ist das auch das Startsignal für die Vergabe von Planungsleistungen. Und erst dann können wir die Kosten berechnen. Nun zeigt ja die Erfahrung, dass Kostenberechnungen in der Summe immer höher ausfallen als die ersten Schätzungen. Da stellt sich dann schon die Frage, wo die Schmerzgrenze des Finanzierbaren ist. Die Gegenfrage lautet: Was sind wir denn bereit, an Geld für die Gesundheitsversorgung in die Hand zu nehmen? Das müssen wir am Ende gemeinsam entscheiden. Sie haben angekündigt, Möglichkeiten und Kosten einer Sanierung des Lübbecker Krankenhauses erneut gutachterlich prüfen zu lassen. Dieser Frage aber sind Lohfert & Lohfert doch bereits nachgegangen. Warum also eine erneute Überprüfung? Für die Sanierung haben wir eine Kostenschätzung aus dem Jahr 2019, und zwar ohne eingerechnete Baukostensteigerung. Ich verspreche mir davon eine Versachlichung der Debatte. Ich erwarte, dass deutlich wird, dass es unwirtschaftlich ist, in Lübbecke zu sanieren. Kosten, Chancen und Risiken einer Sanierung in Lübbecke müssen auf den heutigen Stand gebracht werden. An einer Stelle neu zu bauen und an anderer zu sanieren – dann ohne Fördermittel – ich sage Ihnen: Das wird teurer. Haben Sie die Hoffnung, dass es womöglich noch weitere, wesentliche Fördermittel für das Projekt geben könnte? Wenn wir seriös bleiben wollen, dann sehe ich im Moment keinen anderen Topf als diese 178 Millionen Euro. Es wird ja suggeriert, als würde Karl Lauterbach ein neues Förderprogramm auflegen mit seiner neuen Krankenhausplanung. Aber bis das Gesetzesgestalt hat, werden ja noch ein paar Jahre vergehen. Ich kann darauf hoffen, dass das Land die Baukostenpauschalen erhöht und damit die Mühlenkreisklinken einen größeren Eigenbeitrag leisten können. Ist es für Sie vor diesem Hintergrund vorstellbar, dass es nur einen Neubau geben könnte? Im Moment mache ich mir diese Gedanken noch nicht. Wir vertun uns doch nichts, in dem jetzigen Projekt weiterzudenken. Es greift für mich zu kurz, zu sagen: Wir machen nur ein Krankenhaus. Dann sind die 178 Millionen weg. Und nur ein Krankenhaus ohne Fördermittel zu bauen, würde unterm Strich ja zu ähnlichen Belastungen im Kreishaushalt führen – und bringt nicht die strukturellen Veränderungen, die wir brauchen. Waren Sie denn auch so euphorisch wie andere, als bekannt wurde, dass Bund und Land nicht wie erhofft 432 Millionen, sondern höchstens 178 Millionen Euro Fördermittel in Aussicht gestellt haben? Ich war deutlich enttäuscht. Weil Bund Land damit nicht dem nachkommen, wofür sie eigentlich nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz zuständig wären. Der Landrat wird ja nun am 15. Januar für acht Jahre gewählt. Auf welchem Stand werden die Krankenhausprojekte am Ende dieser Amtszeit sein? Ich hoffe, dass wir dann die Baubeschlüsse mit einer auskömmlichen Finanzierung getroffen haben, im Einvernehmen mit den Städten und Gemeinden. Und ich hoffe auf eine größere Mehrheit im Kreistag, als wir sie jetzt haben. Wo sehen Sie – abgesehen von der Gesundheitsversorgung – weitere Herausforderungen der kommenden Jahre? Mir ist das Thema Mobilität wichtig. Aber ein Patentrezept habe ich dafür nicht. Am liebsten hätte ich ein System mit autonom fahrenden Bussen. Aber auf welchem Stand das in fünf Jahren ist, ist natürlich fraglich. Auch beim Busverkehr werden wir darüber sprechen müssen, wie wir Aufgaben bündeln können. Wünschenswert wäre auch ein verstärkter Umstieg aufs Fahrrad. Aber wenn wir sagen, wir machen Fahrspuren für die Radfahrer frei, dann bedeutet das auch eine Reduzierung des Autoverkehrs. Ist der Klimawandel für Sie ein Thema? Der Kreis ist ja als Naturschutz- und Katastrophenschutzbehörde auch dafür zuständig. Und wir haben alle 2021 im Ahrtal gesehen, wie verletzlich wir sind und dass uns Naturkatastrophen auch hier überrollen können. Der Katastrophen- und Zivilschutz wurde in den letzten Jahren ein Stück weit kaputt gespart. Auch der Frage, was wir zur Klimafolgenanpassung als Kreis tun können, müssen wir uns mit Augenmaß widmen.

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