Bad Oeynhausen

Wittekindshof verspricht nach schweren Vorwürfen "schonungslose Aufklärung"

Der Vorstand Dierk Starnitzke erläutert die Reihe an Maßnahmen, die künftig unrechtmäßige Freiheitsbeschränkungen von Bewohnerinnen und Bewohnern verhindern soll.

Im vergangenen Herbst führte die Polizei eine Razzia in der Einrichtung in Bad Oeynhausen durch. | © (Archivbild): Thorsten Gödecker

12.01.2021 | 06.06.2021, 21:23

Bad Oeynhausen. Nach Polizei und Staatsanwaltschaft nimmt nun auch die Diakonische Stiftung Wittekindshof zu den Ermittlungsverfahren gegen 145 Mitarbeiter aus dem bereits aufgelösten Wittekindshofer Geschäftsbereich 4 Stellung. In einer Pressemitteilung verspricht Pfarrer Dierk Starnitzke, Vorstand der Diakonischen Stiftung Wittekindshof, nicht nur die "schonungslose Aufklärung", sondern stellt auch weitere strukturelle Veränderungen in Aussicht. Unter anderem kündigt er die Einrichtung einer zusätzlichen externen Beschwerdestelle an. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nach eigenen Angaben derzeit gegen 145 Mitarbeiter wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung und gefährlichen Körperverletzung gegen Bewohner aus der "heilpädagogischen Intensivbetreuung".

"Wenn im Wittekindshof Maßnahmen ergriffen wurden, die nicht rechtmäßig und strafbar gewesen sind, dann
distanzieren wir uns davon klar und deutlich", betont Starnitzke. „Es gilt, die Anschuldigungen schonungslos aufzuklären, wozu wir weiterhin unbedingt entschlossen sind. Nicht zuletzt sind wir das den Menschen, die wir unterstützen, ihren Angehörigen, rechtlichen Betreuungen sowie unseren Mitarbeitenden schuldig. Dazu verpflichten uns unsere christlichen Grundwerte und die Geschichte des Wittekindshofes. Wir werden personelle Konsequenzen aus diesen Anschuldigungen ziehen", kündigt Starnitzke an.

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Verantwortung auf drei Geschäftsbereiche aufgeteilt

Dierk Starnitzke, Vorstand der diakonischen Stiftung Wittekindshof in Bad Oeynhausen - © Jörg Stuke
Dierk Starnitzke, Vorstand der diakonischen Stiftung Wittekindshof in Bad Oeynhausen | © Jörg Stuke

Unabhängig von den polizeilichen Ermittlungen, die der Wittekindshof nach eigenen Angaben von Beginn an vorbehaltlos unterstützte, hätten die Verantwortlichen ein weitreichendes Maßnahmenpaket zu einer Umstrukturierung in der Stiftung eingeleitet und eine fachlich qualifizierte Sonder-Kommission eingesetzt. In der Konsequenz wurden bereits personelle und strukturelle Veränderungen umgesetzt.

So existiert der Wittekindshofer Geschäftsbereich 4 schon seit Sommer 2020 nicht mehr in seiner alten Form. Er wurde komplett neu strukturiert und der Leiter ist vom Vorstand von seinen Aufgaben entbunden worden.
"Die spezialisierten Wohnangebote für erwachsene Menschen mit Behinderung, die aufgrund ihres herausfordernden Verhaltens und psychischer Beeinträchtigung auf umfassende Unterstützung und besonders enge Begleitung angewiesen sind, wurden auf drei Geschäftsbereiche unter der Leitung erfahrener Führungskräfte aufgeteilt. Damit ist die Konzentration dieser Angebote auf einen Geschäftsbereich aufgehoben", teilt die Stiftung mit. Außerdem sei eine zusätzliche Fachdienstleitung eingesetzt worden, der die Psychologinnen und Psychologen unterstellt sind, die für den Heilpädagogischen Intensivbereich zuständig sind. „Sie sichern die Einhaltung von fachlichen Standards in der Wohn- und Betreuungsqualität ab. Punktuelle Kontrollen sowie Berichte an Ressortleitungen und Vorstand gehören ebenfalls zu ihren Aufgaben", berichtet Starnitzke.

Neutrale Person als externe Beschwerdestelle

„Alle internen Prozesse und Standards im Kontext der Gewaltprävention und der freiheitsentziehenden Maßnahmen sind, so Starnitzke weiter, " von der Sonder-Kommission bereits grundlegend überprüft und überarbeitet worden". Auch in Zeiten der Corona-Pandemie sei sichergestellt worden, dass alle Mitarbeitenden der Stiftung im direkten Betreuungsdienst in diesen Vorgaben geschult werden.

Als weiteren wichtigen Baustein bei der Aufarbeitung nennt der Vorstand die neue externe Beschwerdestelle, die zusätzlich zu den bestehenden internen Beschwerdestellen eingerichtet wird. Starnitzke: „Dort können nicht nur Klientinnen und Klienten sowie ihre rechtlichen Betreuenden, sondern zusätzlich auch Mitarbeitende und dritte Personen problematische Abläufe an eine neutrale Person richten."

Im Zuge der Restrukturierung seien zudem weitere Veränderungen geplant, über die dann zum gegebenen Zeitpunkt "selbstverständlich transparent kommuniziert" werde. In diesem Zusammenhang erinnert Starnitzke an die "bedauerlichen Vorfälle in den 1950er und 1960er Jahren". Damals wurden Frauen und Männer mit Behinderung gegen ihren Willen festgehalten und misshandelt. Starnitzke: "Wir haben diese Vorfälle lückenlos aufgearbeitet und den Mut gehabt, uns auch den Schattenseiten unserer Vergangenheit zu stellen. Diese Verpflichtung aus der Geschichte nehmen wir sehr ernst und sie ist uns ein Auftrag, auch – und besonders – in diesem Fall."

Während der laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft könne der Vorstand aber nicht weiter auf die Vorwürfe eingehen.