Höxters ehemalige Baudezernentin Claudia Koch zieht deutliche Bilanz

Mit welchem Gefühl verlassen Sie Höxter nach gut sieben Jahren? Claudia Koch: Aus meiner Sicht ist die Stadt in den vergangenen Jahren ziemlich aufgeblüht. Vor allem hat sie einen gewaltigen Image-Wandel zum Positiven vollzogen, was ich sehr wichtig finde. Ich habe vor kurzem jemanden in Bad Driburg getroffen, der meinte: Mensch, jetzt können wir endlich mal stolz auf unsere Kreisstadt sein. Das fand ich sehr bezeichnend, immerhin war es jemand, der nicht aus Höxter stammt. Und mit welchen Empfindungen gehen Sie? Ich denke, dass Höxter zukunftsfähig aufgestellt ist und damit gut gewappnet ist für die Herausforderungen der Zukunft, die allerdings sehr vielfältig werden. Das macht mich sehr glücklich. Natürlich gehe ich mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Ich hinterlasse ja keinen Trümmerhaufen, sondern was ganz Manierliches. Von den Dingen, die geschaffen wurden, kann die Stadt Höxter sicherlich einige Jahre zehren. Sie sprachen von vielfältigen Herausforderungen. Welche zum Beispiel? Alle Städte befinden sich aktuell in einer schwierigen Lage, denen sie sich stellen müssen. Der Onlinehandel hat mit Temu die nächste Stufe erreicht. Das ist eine mittelschwere Katastrophe für den Einzelhandel. Sie hätten sich hier als Baudezernentin gut einrichten und weitere Projekte abarbeite können. Warum jetzt Bielefeld statt Höxter? Einrichten und verwalten ist nicht so mein Ding. Und deswegen ist es manchmal Zeit für Veränderungen. Nichts ist von Ewigkeit. Als ich auf die Stadt Bielefeld geschaut habe, habe ich mich ein bisschen in meine ersten Tage in Höxter zurückversetzt gefühlt. Da gibt es aus meiner Sicht mit Blick auf die Stadtentwicklung große Herausforderungen. Vor allem in der Infrastruktur gibt es sehr viel Handlungsbedarf. Wer mich kennt, weiß, dass ich es liebe, anzupacken und Herausforderungen zu meistern. Zurück nach Höxter. Welches Projekt hat Sie – abgesehen von der Landesgartenschau – in Höxter am meisten gereizt und warum? Man kann gar nicht sagen, dass es ein einzelnes ganz besonderes Projekt gab. Ich habe von Anfang an gesehen, dass die Stadt unwahrscheinlich viel Potenzial hat, das aber ein Stück weit ungenutzt liegengeblieben ist. Vielmehr hat mich gereizt, diese Potenziale zu verbinden. Zum Beispiel die Achse zwischen Höxter und Corvey entlang der Weser zu verbessern. Es war der Versuch, die beiden Schwergewichte der Stadt, die jeder für sich ein Wahnsinnswert sind, zusammenwachsen zu lassen. Die Potenziale sichtbar und erlebbar zu machen mit der Summe der Projekte, das ist das, was mich gereizt hat. Ein Projekt hätte Claudia Koch in Höxter gerne noch begleitet Was hätten Sie gern in Höxter noch angepackt? Tatsächlich hätte ich gern noch den Umbau des Postgebäudes zu Ende begleitet. Das ist für mich noch ein fehlendes Puzzle-Stück für diesen Gesamtort. Ich glaube, viele wissen kaum noch, wie es da aussah, bevor wir da angefangen haben. Lesen Sie auch: Von Briefen zu Büchern: Stadtbücherei Höxter soll in alte Post umziehen Das war wirklich ein sehr schlimmer Ort. Und das an einer so wichtigen Stelle, immerhin ist das einer der Hauptzugänge zu Höxters Innenstadt. Es ist gut, dass es der Stadt gelungen ist, dieses Objekt anzukaufen, denn es war ja ein langer Leerstand, der den Ort stark geprägt und belastet hat. Was ist das Ziel? Die Entwicklung des Leerstandes hin zu einem öffentlichen, lebendigen Ort. Das wird diesem gesamten Standort komplettieren. Was jetzt bereits da ist, ist schon sehr gelungen und toll für Höxter. Manchen sagen mit Blick auf den Bahnhof, dass das ein bisschen Großstadt-Feeling hat. Das finde ich tatsächlich auch. Es ist sehr urban und innen freundlich und einladend. Und wenn dann noch ein Ort hinzukommt, der sehr viel Lebendigkeit erzeugt. . . Die Menschen die in Höxter wohnen, die Touristen, die in der Stadt ankommen, die versammeln sich in unserer Idee in diesem Haus. Gelingt das, ist der Platz zu einhundert Prozent rund. Jetzt fehlen vielleicht noch fünf Prozent. Ärger um Schützenhaus nagte an der ehemaligen Baudezernentin Neben den vielen Projekten gab es noch die andere Seite: Ihr Handeln in Höxter war nicht ja auch nicht unumstritten. Höhepunkt in der Auseinandersetzung mit dem Schützenverein um den Neubau ihres Schützenhauses war, dass sich Stadtrat und Bürgermeister in einer gemeinsamen Erklärung hinter Sie stellen mussten. Wie haben Sie diese Zeit erlebt? Das war schon sehr heftig. Ich muss ehrlich gestehen, dass mich das persönlich tief ins Mark getroffen hat. Daran habe ich ein paar Wochen knabbern müssen. Es hat mich auch sehr erschrocken. Die Art und Weise, wie dort mit einem Menschen umgegangen wurde, hat mir auch ein bisschen Angst gemacht. Es war, glaube ich, auch gewollt, Angst zu verbreiten. Haben Sie so etwas schon mal erlebt? Nein. Ich arbeite seit meinem 14. Lebensjahr und habe später schon viele, auch leitende Funktionen in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Aber die Verhaltensweise in diesem Fall war, so mein Eindruck, derartig unter der Gürtellinie und ist mir noch nie in meinem Leben untergekommen. Passend dazu: Höxters Baudezernentin wehrt sich gegen &bdquo;massive Diffamierungen“ Und das wünsche ich auch keinem. Was in diesem Moment bestärkend war und sehr geholfen hat – da möchte ich ein ganz großes Dankeschön sagen –, dass die Politik erkannt hat, dass das ein No-Go war, was da abgelaufen ist. Das hat mir auch den Rücken gestärkt. Konnten Sie das abhaken? Ja. Ich hake Dinge immer schnell ab. Man weiß ja, ich gehöre zu den Menschen, die sich unwahrscheinlich schnell aufregen können, die sich aber auch sehr schnell wieder abregen und vergessen. Gibt es Dinge, die sich statt zu vergessen aus heutiger Sicht anders machen würden? Man hinterfragt sich ja auch immer selbst. Ja, das stimmt natürlich. Aber auch wenn man eine vermeintlich falsche Entscheidung getroffen hat, hat diese was anderes erzeugt, was dann wiederum gut ist. Deswegen sage ich, es ist alles gut so, wie es gekommen ist. Ich würde nichts anders machen. Sie waren nicht immer mit der Berichterstattung einverstanden. Welchen Stellenwert messen Sie der lokalen Medienberichterstattung bei – und insbesondere dem Auftrag, Dinge zu hinterfragen? Die lokale Berichterstattung ist aus meiner Sicht unverzichtbar. Es ist ein äußerst wichtiges Instrument, die Informationen an die Bürger zu geben. Sicherlich auch, zu verbinden. Und die kritische Berichterstattung? Ich bin ja kein Mensch, der Kritik scheut. Im Gegenteil. Auch wenn Dinge kritisch hinterfragt werden, finde ich das persönlich gut. Denn manchmal ist man mit seinen Ideen ja auch in einem Tunnel unterwegs und übersieht dabei Dinge. Deshalb ist es auch gut, wenn es Instrumente gibt die einen noch mal darauf aufmerksam machen, ob man auch alles bedacht hat. Manchmal hat man sich aber auch bewusst gegen irgendetwas entschieden, das finden dann nicht immer alle toll. Das gehört zum Leben dazu. Aber es ist wichtig, dass man über die Dinge kontrovers diskutieren kann. Was ich allerdings manchmal ein bisschen schwierig finde, ist, wenn sehr kleinen Minderheiten, eine Gruppe von drei vier Leuten, eine sehr große Stimme gegeben wird. Dann wird die Diskussion vielleicht schief. Aber das gehört am Ende zur Pressefreiheit dazu und ich bin total froh und glücklich, dass es die bei uns gibt. Ihr Traumjob - mit gelegentlichem Bedarf an einem Boxsack Als Sie in Höxter ihr Amt als Baudezernentin angetreten haben, haben sie das als ihren &bdquo;Traumjob“ bezeichnet. War es rückblickend ihr Traumjob? Absolut, ja. Ich liebe meine Arbeit. Ich glaube und hoffe, das kann man spüren. Sicherlich gab es auch Tage, da habe ich mir einen Boxsack gewünscht, damit man mal ein bisschen Luft ablassen kann. Aber das wünscht man sich, glaube ich, in jedem Beruf. Doch die Chance in Höxter, in so kurzer Zeit so viel Entwickeln zu dürfen – und das war ja schon sehr, sehr außergewöhnlich – haben es zu etwas Besonderem gemacht. Ich konnte mir bisher nicht vorstellen, dass es noch mal was geben kann, das ähnlich groß sein könnte. Vielleicht muss ich das relativieren, aber Höxter, das muss ich wirklich sagen, war bisher die schönste Stelle, die ich bisher in meinem Leben wahrnehmen durfte. Zu den sehr aufwendigen, aber meist schönen Seiten zählte sicherlich auch die Landesgartenschau in Höxter. Welcher LGS-Moment wird Ihnen am meisten in Erinnerung bleiben? Es gibt da natürlich sehr, sehr viele Eindrücke. Was aber in besonderer Weise unvergessen bleibt, ist der Tag der Landfrauen, wo wir wirklich morgens mit einer Handvoll Leuten in weniger als einer Stunde 70 Busse koordiniert, geparkt und dann die Gäste begrüßt haben. Dieser Tag wurde bei uns mit dem liebevollen Titel &bdquo;Bus-Tetris“ bezeichnen. Passend zum Thema: Mit Schwung in die Landesgartenschau Höxter Das werde ich auf keinen Fall vergessen, denn das war schon außergewöhnlich. Einen zweiten solchen Moment gab es lange vorher, im Jahr 2018, als wir mit drei Bussen aus Höxter zum Landtag nach Düsseldorf gefahren sind und Ida Maria Berens die Bewerbungsunterlagen an Ministerin Christina Schulze Föcking übergeben hat. Aber ich könnte sicherlich noch weitere tausend Sachen aufzählen. Hatten Sie bei so vielen LGS-Veranstaltungen überhaupt die Zeit, das zu genießen? Doch, schon. Ich bin ja bekennende Autofahrerin – und arbeite schon fast aus Überzeugung nicht in der Stadt, in der ich wohne. Dann habe ich immer mindestens die Dauer der Autofahrt, um Dinge noch mal Revue passieren zu lassen. Was werden Sie mit Blick auf Höxter am meisten vermissen? Am meisten vermissen werde ich definitiv meine Assistentin Severine Waldeyer. Es war ein ganz tolles Verhältnis zwischen uns. Sie hat mir immer den Rücken frei gehalten und war sich für keine Aufgabe, die man ihr gegeben hat, zu schade. Und wer mich ein bisschen kennt, weiß, dass ich kein Mensch bin, der sagt, &bdquo;Arbeit geh weg, ich komme“, sondern &bdquo;Hurra, Arbeit komm her auf den Tisch.“ Das hat sich natürlich auch auf ihre Position ausgewirkt. Ich habe sehr großen Respekt vor ihrer Arbeitsleistung und ich mag sie auch menschlich sehr gerne. Und was werden Sie gar nicht vermissen? Was ich ganz klar gar nicht vermissen werde, sind die Funklöcher zwischen Höxter und meinem Wohnort Horn-Bad Meinberg. Denn ich habe die Fahrten von und zur Arbeit genutzt, um noch diverse Telefongespräche zu erledigen, die ich tagsüber nicht geschafft habe. Da waren die Funklöcher immer sehr nervig. Und ich habe den Eindruck, dass es, seit ich angefangen habe, nicht weniger, sondern mehr geworden sind. Höxter wird wohl in die Haushaltssicherung rutschen, kann kaum noch agieren. Welche Zukunftschancen sehen sich trotzdem für die Stadt? Man muss jetzt erst mal abwarten, wie sich das tatsächlich entwickelt. Es wird ja für alle Kommunen mit immer mehr Aufgaben immer schwerer und gleichzeitig vermeintlich immer weniger Geld, die bestehenden Herausforderungen zu bewältigen. Was Höxter aber einen Vorteil gegenüber anderen Kommunen verschafft, ist zum einen der Bekanntheitsgrad, der durch die Landesgartenschau erreicht werden konnte, zum anderen der Image-Gewinn, den man dadurch hat. Es gibt mehr Menschen, die Höxter besuchen, weil sie es jetzt auf dem Schirm haben und es ihnen hier gut gefällt und das Angebot gut ist. Höxter ist in der Innenstadt gut aufgestellt. Viele Punkte kann eine Kommune natürlich nur bedingt beeinflussen, wie die wirtschaftliche Entwicklung deutschlandweit. Insgesamt sehe ich die Zukunftschancen, abseits der Finanzsituation, in Höxter größer als in anderen Kommunen. Man muss aber am Ball bleiben. Was wünschen Sie Höxter? Dass man den Schwung der Landesgartenschau mit geeigneten Maßnahmen halten kann und in der Stadt neue positive Impulse für die Region gesetzt werden. Werden Sie weiter in die Weserstadt schauen? Ganz loslassen werde ich sicherlich nicht können. Es sind ja in den vergangenen Jahren auch viele Freundschaften entstanden, die ja eine dauerhafte Verbindung zu Höxter geschaffen haben. Natürlich interessiert es mich auch, wie es weitergeht. Ich hoffe, ich habe auch Zeit dafür. Wird es irgendwann eine Landesgartenschau in Bielefeld geben? Sag niemals nie, wer weiß.

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