Wie junge Männer den Frauen in Höxter helfen können

Höxter. Wenn es um Gerechtigkeit und Chancengleichheit für Frauen geht, kann die sonst sehr besonnen wirkende Claudia Pelz-Weskamp sehr emotional werden. Dann ballt sie schon mal die Hände und klopft sich symbolisch mit beiden Fäusten an den Kopf. Denn es muss sich vor allem was im Denken den Menschen verändern, in den Köpfen – bei Frauen und Männern. Das war in den vergangenen 14 Jahren das Credo von Höxters städtischer Gleichstellungsbeauftragten. Als &bdquo;Behördenjob“ hat sie ihre Aufgabe nie verstanden, wollte immer eigene Themen setzen, auch wenn sie damit aneckte und unbequem war. Zum 1. Oktober wird die 59-Jährige in die Leitung des Höxteraner Schulamtes wechseln und den Kampf für Frauenrechte in der Kreisstadt und weit darüber hinaus in andere Hände legen. Ihre emotionale Bilanz, die sie mit der &bdquo;Neuen Westfälischen“ zieht, fällt durchaus gemischt aus. Vieles hat sich zum positiven verändert &bdquo;Es hat sich viel verändert“, sagt sie im Rückblick. Die Themen, die aus ihrer Sicht am drängendsten sind, seien andere geworden. Stand beispielsweise am Anfang vor allem der Wiedereinstieg von Frauen in den Beruf nach der Kindererziehungszeit im Fokus, ist es jetzt viel mehr die verlässliche Kinderbetreuung. Das wichtigste Aufgabengebiet, wo der nötige Abstand schwersten fällt, ist und bleibt aber die Gewalt an Frauen. Die öffentliche auf der Straße, aber auch die versteckte hinter verschlossenen Türen. Zu Pelz-Weskamp sind Frauen gekommen, die von unvorstellbaren Gewalterfahrungen berichteten. Ein Thema, das keiner gern hören wolle und das gern verdrängt werde – nach den Motto, was ich nicht sehe, gibt es nicht. Das traditionelle Denken verändere sich langsam, sagt Pelz-Weskamp. Das liege bisweilen auch an den Frauen selbst, die es sich in der Abhängigkeit der Männer bequem machen. Beispielsweise werden Geldangelegenheiten in Ehen oft von den Männern geregelt – nicht immer im Sinne der Frau. Dieses mangelnde Interesse könne bei Trennung oder Tod des Mannes zu einem finanziellen Fiasko für die Frauen werden. Solche bösen Überraschungen habe sie in ihrer Arbeit öfter erlebt. &bdquo;Bestehen Sie auf Beteiligung oder – noch besser – klären sie sich selber auf“, appelliert sie an die Frauen. Die Verantwortung der Männer In diesen Momenten merkt man die Leidenschaft, mit der Claudia Pelz-Weskamp die Aufgabe, die ihr übrigens einst &bdquo;aufgedrückt“ wurde, ausgefüllt hat. Eine Leidenschaft, die sie sich über all die Jahre bewahrt hat und mit der sie zum Schluss auch die jungen, modernen Männer aufruft, ihren Beitrag zur mehr Gleichberechtigung zu leisten. Familienarbeit übernehmen und Verantwortung teilen. Das Hemd noch viel öfter selbst bügeln. In dieser Hinsicht ist die scheidende Gleichstellungsbeauftragte durchaus vorsichtig optimistisch. Denn vieles im traditionellen Denken sei aufgebrochen. Es bleibt aber viel zu tun. Schreckliche Gewalterfahrungen und die Folgen Gewalt an Frauen spielt sich oft hinter verschlossenen Türen in der Wohnung ab. Aber auch in der Öffentlichkeit. Und manchmal reicht die Unsicherheit und Angst vor Gefahren, um Frauen einzuschränken, erläutert Claudia Pelz-Weskamp. Als Beispiel nennt sie die Straßenbeleuchtung, die in Zeiten der Energiekrise deutlich eingeschränkt werden sollte. Die Gleichstellungsbeauftragte stellte sich vehement dagegen, denn wenn ganze Straßenabschnitte im Dunkeln liegen, werden sie zu unsicheren Bereichen für Frauen. Sie müssen sie meiden und werden dadurch eingeschränkt. Auch sorgte sie dafür, dass die Nachtbushaltestelle zu Huxori nicht weit weg am Schulzentrum eingerichtet wird. Ein nachts unsicherer langer Weg. Am Bahnhof war es einfacher. Kleine Dinge, die aber einiges bewirken.Zahlreiche Frauen haben Claudia Pelz-Weskamp von schlimmsten Gewalterfahrungen berichtet. Polizei übernimmt proaktiven Ansatz bei häuslicher Gewalt Da sie selbst keine Beraterin ist und nur Tipps für Anlaufstellen geben konnte, drängte sie mit anderen intensiv auf eine Frauenberatungsstelle in der Kreisstadt, die sie bis heute für immens wichtig hält. Nachdem diese endlich eingerichtet war, dauerte es sehr lange, bis sie den proaktiven Ansatz bei polizeilichen Einsätzen bei häuslicher Gewalt durchsetzen konnte. Heißt: Die Polizei fragt noch beim Einsatz die Frauen, ob die Beratungsstelle sich bei ihr melden darf. Diese Umkehr soll die Hürde einer Beratung senken. &bdquo;Ich habe das bei den Treffen immer wieder eingefordert“, berichtet sie von einem langen, letztlich erfolgreichen Weg. Lesen Sie auch: Höxter setzt ein sichtbares Zeichen gegen Gewalt an Frauen Und sie hat sich bemüht, das Thema immer wieder in den Fokus zu rücken. Nicht nur, um andere Institutionen wachzurütteln, sondern auch, um Frauen zu motivieren, sich zu wehren. Demos, Plakataktionen, Broschüren, Ausstellungen und vieles mehr gehörten dazu, und die stete Erinnerung an den Skandal, dass Schutzhäuser und Beratungsstellen bis heute nicht auskömmlich finanziert werden. Auch wegen der Vorfälle in Höxter und Umgebung hat sie sich auch für die Aufklärung und den Schutz vor KO-Tropfen eingesetzt. Dass dies dann auch mal bei einer Schützenfestrede offensiv thematisiert wurde, wertet sie als wichtigen Erfolg. Verlässliche Kinderbetreuung und ein guter Plan Verlässliche Betreuung in Kindergarten und OGS sind für Familien, in denen beide Partner arbeiten (wollen), unerlässlich. &bdquo;Aber auch in Höxter noch lange nicht selbstverständlich“, sagt Claudia Pelz-Weskamp nicht nur mit Blick auf die massiven Probleme in der Corona-Zeit und danach durch die mangelhafte Kita-Finanzierung. In jahrelangen intensiven Bemühungen hat sie – gemeinsam mit anderen – erreicht, dass in der Kreisstadt mehrere neue Kita-Gruppen eingerichtet wurden – sogar bei der Bundeswehr. Mit der Kita Bielenbergbande entstand sogar eine ganz neue Einrichtung – im Investorenmodell, weil der Stadt für den Bau das Geld fehlte. Das habe die Situation etwas entspannt. Lesen Sie auch: Neue Kita in Höxter eröffnet - schon jetzt sind alle Plätze belegt Und sie hat in ihrer Funktion, zu der die Stabsstelle Familie in Höxter gehörte, auch den Vorläufer des Kita-Planers im Kreis Höxter mitentwickelt. &bdquo;Ziel war es damals, den Familien zu zeigen, wo es freie Kitaplätze gibt. Nicht nur im direkten Wohnumfeld, sondern beispielsweise auf dem Weg zur Arbeit.“ Beim Kreis wollte man anfangs übrigens nichts von der Idee wissen, ließ sich aber später doch von dem Planer überzeugen und entwickelte ihn weiter. Heute wird er als Erfolgsmodell gefeiert. Chancengleichheit in der Arbeitswelt In der Arbeitswelt sei der Wandel zu mehr Chancengleichheit für Männer und Frauen sehr deutlich spürbar – auch wenn dies aus Sicht von Pelz-Weskamp nicht nur ein Erfolg der Frauenbewegung ist, sondern auch dem Fachkräftemangel geschuldet ist. Der Wiedereinstieg in den Beruf für Frauen nach vielen Jahren der Erziehungsarbeit war am Anfang ein wichtiges Arbeitsfeld der Gleichstellungsbeauftragten – und ist es jetzt kaum noch. Einerseits weil Arbeitgeber sehr bemüht seien, junge, gut ausgebildete Mütter im Unternehmen zu halten, andererseits weil auch die Frauen nicht mehr so lange aussteigen wollen. Zudem hätten viele junge Männer den besonderen Wert von Familien- und Erziehungszeit erkannt. Arbeitgeber müssten und würden sich auch immer mehr daran gewöhnen, dass auch Männer Elternzeit nehmen oder mal beim kranken Kind zu Hause bleiben. Familienfreundlichkeit werde – langsam – auch in vermeintlich reinen Männerwelten wie auf dem Bau ein Thema. Gleichwohl seien traditionelle Berufsrollen – wie Frauen in sozialen Berufen immer noch sehr prägend. Immerhin bemühten sich Arbeitgeber selbst inzwischen häufig, diese Muster aufzubrechen. Auch Kommunalpolitik muss weiblicher werden Eingesetzt hat sich die kommunale Gleichstellungsbeauftragte auch für einen deutlich höheren Frauenanteil in den politischen Gremien, hat beispielsweise ein Mentorenprogramm begleitet. Dennoch ist die Quote im Stadtrat Höxter weiter erschreckend gering. Nur zwölf der 43 Ratsmitglieder sind weiblich – knapp 28 Prozent. &bdquo;Immer noch viel zu wenig“, sagt sie und wirkt ein bisschen ratlos bei der Frage, warum sich nicht mehr Frauen politisch engagieren. Lesen Sie auch: Interview: Wie mehr Frauen in die Kommunalpolitik kommen Vielleicht, weil das ehrenamtliche Engagement vornehmlich in der Woche abends erforderlich ist. Oft die Familienzeit. Dann braucht es einen verlässlichen Partner, der diesen politischen Einsatz verlässlich unterstützt. Dass Politik auch auf kommunaler Ebene dringend einen weiblicheren Blick braucht, ist für Pelz-Weskamp keine Frage. Viele Themen wie flexiblere Kinderbetreuung, Förderung von Beratungsstellen oder Verbesserung der Pflegesituation gehen sie direkt an, also sollten sie auch mitreden. Aber nicht nur bei vermeintlichen Frauenthemen haben sie oft eine andere Sichtweise, die der Gesellschaft und Wirtschaft gut tun würde, meint die Höxteranerin. Ohne ein gutes Frauen-Netzwerk geht nichts Allein, das betont Claudia Pelz-Weskamp mehrfach, hätte sie vieles nicht erreichen können. Sie verstand sich deshalb immer als Netzwerkerin, die Interessengruppen und Menschen zusammenbringt, und die vielen Informationen teilt. Deshalb ist sie stolz auf das Frauennetzwerk in Höxter, an dem sich so viele Institutionen beteiligen und das so viele Projekte gemeinsam voranbringt. &bdquo;Ich konnte mich immer darauf verlassen“, sagt Pelz-Weskamp rückblickend. &bdquo;Unsere Gruppe verfügt über eine schnelle Kommunikation, denn die Akteurinnen kennen sich untereinander und sind über die Arbeit des jeweils anderen informiert.“ Und dieses Netzwerk hat auch gemeinsam mit der Gleichstellungsbeauftragten kontinuierlich die Frauenaktionswochen organisiert. Nur wegen Corona mussten sie einmal ausfallen. 230 Veranstaltungen, 19.000 Gäste, 40.000 Euro spenden in Zahlen. Dazu viele weitere Aktionen zum Thema Gewalt gegen Frauen.Am Samstag, 21. September, 17 Uhr wird sich Claudia Pelz-Weskamp im Historischen Rathaus Höxter von diesem Netzwerk offiziell verabschieden.

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