Harter Lockdown trotz Inzidenz unter 50: Einzelhändler im Kreis sauer

Kreis Höxter. Die Stimmung am Dienstagmorgen ist "grauenhaft", sagt Wilm Pollmann, Chef vom Warburger Möbelmarkt Wohnsinn im Gespräch mit nw.de. In der Nacht haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten den harten Lockdown über Ostern beschlossen. NRW-Regierungschef Armin Laschet (CDU) kündigte später an, dass die Pläne "eins zu eins" in Nordrhein-Westfalen umgesetzt würden. Bei Wohnsinn wurde seither gestritten, was nun gilt, und ab wann. Von sogenannten Ruhetagen an Gründonnerstag und Karsamstag ist die Rede, außerdem die Rückkehr zum "Click and Collect" ab kommendem Montag, 29. März. Das hieße: Online oder telefonisch bestellen und anschließend im Geschäft abholen. "So wird es wahrscheinlich kommen", befürchtet Pollmann. Ein "harter Schlag". Dabei habe das Möbelgeschäft "so ziemlich alles gemacht, was man machen kann: Selbsttests für Mitarbeiter, Desinfektionsmöglichkeiten, Luca-App". Click and Collect: "Beschäftigungstherapie" Click and Collect bereite in dem Möbelgeschäft mehr Aufwand, als dass es sinnvoll sei - "Beschäftigungstherapie", sagt Pollmann, "dass man was zu tun hat". Wirtschaftlich hingegen sei das Konzept ein "Flop". Vor allem für kleine Geschäfte, die online noch nicht so fit seien. Dazu zählt Pollmann auch sein Möbelhaus. "Wir haben ein paar Artikel auf der Homepage", wenn aber jemand online ein Sofa kaufen wollen würde, würde er sogar eher abraten. Stoff, Farbe, Sitzhärte, das müsse alles angesehen und ausprobiert werden. "Einkaufen ist etwas sinnliches", stimmt Alexandra Jux, Inhaberin des Steinheimer Modegeschäfts Schulz, zu. Gerade was Mode betrifft, kauften Kundinnen und Kunden ja gerne, was sie sähen und was gefiele. Besonders ärgerlich: Im Kreis Höxter liegt die Sieben-Tage-Inzidenz weiterhin unter 50 und noch deutlicher unter dem Landesschnitt (109,2, Stand: Dienstag). "Wir müssen mittragen, was im Rest des Landes passiert", kritisiert Jens Klingemann, Chef vom gleichnamigen Sport- und Modehaus in Höxter: "Diese Entscheidung ist für mich nicht nachvollziehbar." Ähnlich geht es Alexandra Jux, Inhaberin des Modegeschäfts Schulz in Steinheim: "Man schaut auf die Zahlen und wo die Infektionen sind und dass die aus dem Einzelhandel kommen, bezweifle ich schon seit Wochen." "Versagen" von Impfkampagne und Politik Bei Wilm Pollmann steigen Wut und Unverständnis, wie er sagt: "Ein Versagen der Impfkampagne, so muss man das ja nennen." Er erinnert daran, dass ein Impfstoff bereits für den vergangenen Herbst angekündigt war. Statt Herdenimmunität jetzt wieder Lockdown. Zum dritten Mal, wie Pollmann betont. Und wieder das Wort "Versagen", jetzt in Richtung der Politik. Den Einzelhandel treffen die neuen Regeln denkbar ungünstig. Am 8. März hatten sie nach Monaten des Lockdowns erst wieder öffnen dürfen, zunächst mussten die Kunden Termine vereinbaren, dann war Shopping wieder beinahe normal möglich. "Wir haben zweieinhalb gute Wochen gehabt", berichtet Pollmann, das Geschäft habe zu einer "kleinen Aufholjagd" angesetzt. Auch wenn Monate nicht innerhalb von Wochen aufzuholen seien. Auch bei Klingemann sei es zuletzt gut gelaufen. Vor der für das Geschäft wichtigen Osterzeit nun "die ganz bittere Pille". "Auf und Ab macht mürbe" Für viele Einzelhändler geht es jetzt darum, ihre Kunden über die neuen Regeln zu informieren. "Was mürbe macht, ist dieses Auf und Ab", sagt Bettine Saabel von der Buchhandlung Saabel in Bad Driburg. "Den Newsletter, den man gerade geschrieben hat, kann man eine Stunde später schon wieder in die Tonne treten." Wilm Pollmann will jetzt neue Schilder drucken, der eigentlich druckfertige Prospekt wird weiter verschoben. Er bittet seine Kunden ebenfalls um Geduld. Kleine Dinge, die nicht akut gebraucht würden, sollten nicht bei den Online-Riesen geshoppt werden. Sondern eben später beim Einzelhändler im Ort. Und wenn etwas benötigt werde, vielleicht, weil etwas kaputt gegangen sei, dann lohne sich ein Anruf im Geschäft vor Ort, vielleicht gibt es dort, was gebraucht wird. Click and Collect statt normaler Öffnungen im Einzelhandel ist der Status quo am Dienstagvormittag. Am frühen Nachmittag ist dann die Rede davon, dass von der Regelung nur diejenigen Kreise betroffen sind, deren Wocheninzidenz über 100 liegt.

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