„Als wäre man entmündigt“: Rahdenerin zieht Bilanz der Corona-Auflagen

Rahden. Vor fünf Jahren brach auch in Deutschland die Corona-Krise aus. Schnell erreichte das Virus von China aus weite Teile der Welt. Mit Lockdowns und zeitweisen Ausgangsbeschränkungen brach das öffentliche Leben über Wochen weitgehend zusammen. Der Corona-Ausbruch hierzulande jährt sich in diesen Wochen zum fünften Mal. Was hat die Pandemie mit Menschen gemacht? Dem geht die NW in einer kleinen Serie nach. Im Interview äußert sich die Rahdener Einzelhändlerin Meike Rehmann vom Schuhhaus/Orthopädie-Schuhtechnik Rehmann in der Innenstadt. Vor fünf Jahren erreichte ein bis dato unbekanntes Virus Europa. Was waren damals Ihre ersten Gedanken als Einzelhändlerin? Meike Rehmann: Ich habe gedacht, dass wir in drei Wochen da durch sind. Ich habe gedacht, dass es nicht so dramatisch kommt, wie manche vermutet haben. Wann erreichte Corona Ihr persönliches Umfeld? Mein Mann hatte kein Corona und ich auch nicht. Davon gehen wir aus. Als dann die Maßnahmen kamen, wie wir uns zu verhalten hätten, da wurde man schon persönlich betroffen, weil man Dinge tun musste, die man so nicht getan hätte. Was war Ihr erster Gedanke, als die ersten Veranstaltungen abgesagt wurden und über einen möglichen Lockdown gesprochen wurde? Das war schlichtweg beängstigend. Da war dann Kopfkino. Man hat versucht, strategisch vorzugehen für den Fall des Lockdowns. Was macht man, wenn es so kommt? Was heißt &bdquo;strategisches Vorgehen“? Wie kann man das persönlich abfedern? Man muss doch schauen, dass man sich nicht zu sehr herunterziehen lässt, dass man schaut, wie es weitergehen kann. Dann kam am 18. März 2020 der erste Lockdown. Wie haben Sie aus der Rückschau diesen Tag erlebt? Der Tag war beängstigend. Es fühlte sich so unwirklich an, wie in einer Blase. Die Leute waren nicht mehr unterwegs, es herrschte eine unwirkliche Stille. Die löste dann aus, dass man sorgenvoll wird: Was macht das mit uns? Was macht das mit den anderen Menschen? Wir mussten schauen, wie es weitergeht. Wir hatten ja den Vorteil, dass wir Gesundheitsdienstleister sind und als systemrelevant galten und deshalb weiter öffnen durften. Der Geschäftsbetrieb war absolut eingeschränkt und mit normalen Zeiten gar nicht zu vergleichen. Wir waren da für Notfälle, bei Knochenbrüchen, Verletzungen der Achillesferse oder ähnlichem. Wir waren für die Versorgung der Notfälle da. Ansonsten war der Betrieb mehr oder weniger eingestellt. Und in den folgenden Tagen und Wochen wurde es nicht besser. Nein. Es war eine sehr aufreibende Zeit, weil sehr viel über Corona gesprochen wurde. Und man sah jeden Tag in den Medien das Elend, wie viele Menschen an den Folgen des Virus verstorben sind. Das hat einen sehr beschäftigt und teilweise sehr viel Angst ausgelöst. Ich glaube, dass das in dem Moment die Menschen verändert hat. Es wurde deutlich, wie endlich alles ist und wie schnell sich alles wegen eines Virus verändern kann. Man hat auch die Hilflosigkeit der Regierung gespürt. Das zeigte sich im Nachhinein, dass manche Maßnahmen unüberlegt waren. Manches hat bei den Menschen Schäden angerichtet, beispielsweise die Schließung von Kitas und Schulen. Das hatte Folgen für die Kinder. Lesen Sie auch: Verbote und &bdquo;weißes Gold“: Als das Coronavirus das Lübbecker Land lahmlegte Schlimm war auch zu sehen, wie Senioren an den Fenstern der Heime standen und die Angehörigen standen draußen und durften nicht hinein. Und selbst Sterbende durften nicht besucht werden. Trauerfeiern fanden nur im engsten Kreis statt. Menschen wurden regelrecht verscharrt, ohne dass man würdig Abschied nehmen konnte. Das war richtig bitter. Das geht doch an den Menschen nicht vorbei. Was macht das mit einer Einzelhändlerin, wenn ihr der Staat durch die Auflagen die Ausübung des Betriebs verbietet? Wir haben einen Teil machen dürfen, weil wir systemrelevant waren. Da durften wir ja ein bisschen was tun. Aber was ich nicht nachvollziehen kann – bis heute nicht: Supermärkte durften weiter öffnen und alles verkaufen, der Einzelhändler nicht. Jeder Einzelhändler hat sein Geschäft, das ist sein Leben. Dass von außen Verbote ausgesprochen wurden, da kam man sich zeitweise schon so vor, als wäre man entmündigt. Es stand auch immer die Androhung von irgendwelchen Strafen im Raum. Was hat die Corona-Zeit mit den Kunden gemacht? Die Familien sind in dieser Zeit näher zusammengerückt. Da waren die Menschen mit Familie vor Ort im Vorteil. Man konnte sich besser gegenseitig unterstützen. Die Menschen, die das nicht hatten, wo die Familie nicht vor Ort ist, die hatten es natürlich wesentlich schwieriger. Da waren auch die Ängste größer. Diese Zeit kam dem Online-Handel zugute. Die waren deutlich flexibler. Der stationäre Einzelhandel musste sich erst einmal aufstellen für neue Geschäftspraktiken, etwa &bdquo;Click & Collect“ oder Lieferung nach Hause. Den Kunden blieb oft nichts anderes übrig. Sie mussten ihre Dinge doch irgendwoher haben. Der Einzelhandel stand nicht zur Verfügung wegen der Auflagen, der Online-Handel schon. Das ist normales menschliches Verhalten, da haben wir wieder die Jäger und Sammler. Manche Jäger gab es in der frühen Corona-Zeit, die sogar bergeweise Klopapier als Jagdbeute mitbrachten. Auch interessant: Rahdener Kinderarzt blickt auf die Corona-Krise zurück Fühlten Sie sich von den Behörden ausreichend informiert? Nein. Das kann ich so sagen. Die Informationen waren in der Zeit nicht so gut. Aber das war vielleicht auch dem sich verändernden Wissensstand geschuldet. Rückblickend betrachtet: Was hat in der Corona-Zeit geklappt und was nicht? Ich würde sagen, dass der Zusammenhalt ganz gut geklappt hat. Und die Kunden haben den stationären Einzelhandel nach einer gewissen Zeit in Teilen wieder für sich entdeckt. Das ist mein Eindruck. Behördliches Handeln hat nicht immer so geklappt. Wie fällt fünf Jahre nach dem Beginn der Corona-Krise Ihr persönliches Fazit aus? Durch Corona hat sich die Welt verändert, weil wahrscheinlich die Erkenntnis da ist, dass einem durch ein Virus von heute auf morgen alles genommen werden kann. Es ist nicht kalkulierbar. Ein Teil der Menschen ist sehr empathisch geworden, da wird ein Miteinander deutlich. Ein Teil der Menschen ist extrem unglücklich, sorgenvoll und verhält sich zum Teil aggressiv.

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