Bad Driburg-Dringenberg. Eintrittskarten sind ein beliebtes Souvenir, um sich an große Fußballspiele, Festivals oder Konzerte zurückerinnern zu können. Wann immer sich die Gelegenheit ergibt, werden sie hervorgeholt, nostalgisch-liebevoll betrachtet oder stolz vorgezeigt. Ein greifbarer Beweis für die wunderbaren Erinnerungen an eine fantastische Veranstaltung. Einige solcher penibel aufbewahrten Tickets gibt es auch in Dringenberg. Ludger Pape, Bernd Nahen und Stefan Pape zum Beispiel haben solche Erinnerungsstücke wie Schätze gemeinsam mit alten Plakaten und Fotos verwahrt.
Kein Wunder, denn sie waren nicht nur Gäste, als die „Puhdys“ vor zehn Jahren in Dringenberg auftraten. Sie haben das Konzert als Mitglieder des Fördervereins für Musik und Kultur Dringenberg initiiert und mitorganisiert.
Die Geschichte beginnt aber nicht 2015, sondern noch früher. Denn die Ost-Rocker sind schon 2003 einmal in Dringenberg aufgetreten. Das Konzert damals war ein voller Erfolg. Die Musiker standen sogar irgendwann in Schützenuniformen auf der Bühne, wie Bernd Nahen der NW 2015 berichtete. Die hatten die „Puhdys“ zuvor zufällig backstage gefunden und waren offenbar begeistert vom grünen Zwirn.
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Zwischen Konzert eins und zwei liegen 4.606 Tage
Gute zwölf Jahre später kamen die Kultmusiker erneut nach Dringenberg. „Bei ihrem ersten Auftritt 2003 hat es ihnen wohl so gut hier gefallen, dass sie ihr letztes OWL-Konzert gerne in Dringenberg spielen wollten“, berichtete Nahen der NW. Denn lange sollten die Puhdys nicht mehr gemeinsam musizieren. 2016 löste sich die Band offiziell auf, weil alle Bandmitglieder inzwischen mehr als 60 Kerzen auf den Geburtstagstorten auszupusten hatten. „Und irgendwann macht der Körper einfach nicht mehr mit“, sagten die Ostrocker einst.
Doch bevor Schluss sein sollte, stand also noch einmal Dringenberg auf dem Tourneeplan. Genau 4.606 Tage nach dem ersten Konzert. „Wir hatten bereits viele Erfahrungen gesammelt – insbesondere im Hinblick auf Ticketverkauf, Pressearbeit, den Einsatz sozialer Medien und natürlich durch den großen Enthusiasmus der Dringenberger bei der Vorbereitung und Durchführung“, lässt sich Ludger Pape in einer Mitteilung aus Dringenberg zitieren.
Bad Driburger Fans der „Puhdys“ lauschen mit Wehmut
800 Fans strömten also am 7. November 2015 nach Dringenberg – die Location war damit restlos ausverkauft. Rund 70 ehrenamtliche Helfer sorgten damals für reibungslose Abläufe. Die ganz eingefleischten Puhdys-Fans sangen fast vom ersten Ton an mit, wie die Reporterin der NW damals bemerkte: „Der Abend war für sie ein Wechselbad der Gefühle: Freude darüber, die schönsten Lieder noch einmal zu hören, und gleichzeitig Trauer, weil es einer der letzten Auftritte der Band überhaupt war.“ Dieselben Gefühle durchlebte auch Bernd Nahen: „Da ist schon ein bisschen Wehmut mit dabei“, sagte der Mitorganisator der NW damals.
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Wer glaubt, dass damals vor allem Dringenbergerinnen und Dringenberger mitsangen, der irrt. Konzertgäste reisten aus ganz Deutschland an. Aus Berlin, aus Gentin, aus Halberstadt, zählte Bernd Nahen auf. Lütgeneder schickte gleich einen ganzen Reisebus an Fans der „Gitarren-Gruppe“, wie die „Puhdys“ im DDR-Slang genannt wurden. „Eine Frau aus Castrop-Rauxel buchte ihr Ticket sogar online im Urlaub auf Gran Ganaria“, berichtete Nahen 2015.
Warum heißen die „Puhdys“ eigentlich die „Puhdys“?
Die „Puhdys“ gründeten sich wohl 1969 im sächsischen Freiberg. Der Name der Band setzt sich übrigens aus den Anfangsbuchstaben der Gründungsmitglieder zusammen: Peter Meyer (Orgel, Flöte, Keyboard), Udo Jacob (Schlagzeug), Harry Jeske (Bassgitarre) und Dieter Hertrampf (Gitarre, Gesang). Plus ein Y für den geschmeidig-guten Klang. Inspiriert von Rockgrößen wie „Uriah Heep“, „Deep Purple“ oder „Led Zeppelin“, landen die „Puhdys“ schnell große Hits. Wenn auch auf Deutsch, weil SED-Parteichef Walter Ulbricht die „Monotonie des Yeah-Yeah“ verboten hatte. 1974 gelingt der Band der Durchbruch, wenig später treten sie auch im Westen auf. 1989 sollte zunächst Schluss ein, doch 1992 geben die Ost-Rocker glücklicherweise ihr Comeback bekannt, sonst hätte es wohl nie einen Auftritt in Dringenberg gegeben.
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„Als gebürtige Dresdnerin bin ich mit der Musik der ,Puhdys’ groß geworden, die treffen einfach den Nerv der Zeit“, erzählte eine Konzertbesucherin aus Bad Salzuflen 2015. Zwei bis dreimal im Jahr sei sie auf Konzerten der Band. Ganz anders eine Steinheimerin, die die „Puhdys“ vor zehn Jahren dank des Konzerts erst entdeckte: „Mein Arbeitskollege hat mich überzeugt, zu diesem Konzert zu gehen“, sagte sie. Auf Youtube habe sie sich vorher einige Lieder angehört: „Ich war überrascht, wie viele ich kannte.“
Die größten Hits der „Puhdys“ in der Zehntscheune in Dringenberg
Denn die „Puhdys“ haben auf beiden Seiten der ehemaligen Mauer etwas hinterlassen. Ihre größten Hits kann fast jeder mitsingen – zumindest aber mitsummen. Und diese Evergreens bekamen natürlich auch die Dringenberger Fans 2015 zu hören. „Alt wie ein Baum“ oder „Hey, wir woll’n die Eisbärn sehen“, aber auch Songs wie „Es war schön“ oder „Geh zu ihr“. Und schließlich „Endgültig vorbei – aber schön“. Dazu verneigten sich Dieter „Maschine“ Birr, Dieter „Quaster“ Hertrampf, Peter „Eingehängt“ Meyer, Peder „Bingo“ Rasym und Klaus Scharfschwerdt, der inzwischen gestorben ist, vor den 800 Leuten in der Dringenberger Zehntscheune und gingen schließlich in Rockerrente. Das allerletzte gemeinsame Konzert spielten die „Puhdys“ übrigens 2016 in Berlin. Seitdem waren die Mitglieder wohl höchstens einzeln noch aktiv.
Ausgerechnet in Dringenberg, im Gasthof Hausmann, sind sie aber ab und an wieder zu hören. Denn dort steht eine Jukebox – und immer wieder erklingen daraus ihre Songs. Selbst junge Leute wählten die Titel, versichern die Dringenberger.