Widerstand der Bürger

Aus für Atommülllager Würgassen: Der erfolgreiche Protest in Bildern

Die Verhinderung schien ein Kampf David gegen Goliath zu sein, doch Bürger und Behörden haben ihn mit viel Engagement geführt. Und mit guten Argumenten.

Juli 2021: 250 Demonstranten blockieren symbolisch die Zufahrtsgleise zum ehemaligen AKW in Würgassen. | © Manuela Puls

David Schellenberg
13.12.2023 | 13.12.2023, 18:00

Beverungen/Würgassen. Kurz vor 16 Uhr am 5. März 2020 platzte die Bombe im Kreis Höxter. Eine Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ), von der kaum jemand in der Region zuvor gehört hatte, schickte eine kurzfristige Presseeinladung für ein 450-Millionen-Euro-Projekt in Würgassen herum.

Weder der Wehrdener Bundestagsabgeordnete Christian Haase, noch Beverungens Bürgermeister wussten bis dahin, dass auf dem Gelände des ehemaligen Atomkraftwerks Deutschlands größte Atommüll-Drehscheibe entstehen sollte. Ein gigantischer Koloss aus Beton: 300 Meter lang, 125 Meter breit und 16 Meter hoch. 2027 sollte es für 30 Jahre in Betrieb gehen.

Die Politiker erfuhren damals durch die Presse von dem Vorhaben, der äußerst verärgerte Christian Haase sprach von einem „Kommunikationsdesaster.“ Nicht minder verärgert und entsetzt reagierten viele Menschen in der Region, denen nach dem Rückbau des Atomkraftwerks eine grüne Wiese versprochen wurde.

Corona verhindert Protest

Doch der Protest konnte sich zunächst nur sehr schwer formieren, zwei Wochen nach der BGZ-Ankündigung begann der erste Corona-Lockdown, die Welt erstarrte im Frühjahr. Einzig kleine gelbe „Ws“ als Zeichen des Widerstands waren von Marienmünster bis Uslar zu sehen.

August 2020: Symbol des Protests in den Vorgärten: Die Grüne Jugend verteilt in Beverungen gelbe „Ws“. - © Manuela Puls
August 2020: Symbol des Protests in den Vorgärten: Die Grüne Jugend verteilt in Beverungen gelbe „Ws“. | © Manuela Puls

Im Sommer 2020 aber ging es dann umso geballter und äußerst kreativ los: Das ehemalige AKW wurde angestrahlt, die Weserbrückeneröffnung für einen Protestzug genutzt. Ende August die erste Großdemo – natürlich mit Maske. Eine Menschenkette folgte.

Nicht immer friedlich

Zugleich institutionalisierte sich der Protest. Nicht nur Kommunen und Kreise schlossen sich zusammen. Auch die Bürger. Erst eine, dann zwei Bürgerinitiativen entstanden – es ging intern nicht immer friedlich zu, am Ende aber kehrten die engagierten Bürger immer wieder zur inhaltlichen Arbeit zurück.

Die hatte es in sich. Intensiv arbeiteten sich die Aktivisten in die Materie ein, wälzten unzählige Stunden wissenschaftliche Arbeiten und Gutachten, tauschten sich mit Politikern auf allen Ebenen aus, betrieben Öffentlichkeitsarbeit, organisierten immer wieder medienwirksame Proteste vor Ort.

Viel zum Lesen

Immer auch begleitet von der „NW“: In den 1.377 Tagen seit dem 5. März 2020 bis zum Aus für das Lager am Dienstag hat die „Neue Westfälische“ mehr als 430 Artikel und Kommentare zum Thema verfasst. Bisweilen detailliert und wissenschaftlich lieferten sich BGZ und Gegner doch eine Schlacht mit Gutachten und Gegengutachten.

Am Ende hat sich all die Mühe und das unglaubliche ehrenamtliche Engagement der Region gelohnt. Die Argumente wurden in Berlin gehört, zumal man dort befürchtete, dass die Kosten bis auf zwei Milliarden Euro steigen könnten. Dieser Erfolg ist ein Mutmacher für die Region.

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Beverungen: Jahrelange Protest gegen Atommüllzwischenlager in Würgassen