Hiddenhausen

Erster Geflüchteter schließt in Hiddenhausen eine Ausbildung ab

Angekommen: Kanaan Jallouf hat seine Ausbildung zum Koch abgeschlossen. Er ist der erste Flüchtling aus Hiddenhausen, dem das gelingt. Zuvor war der Weg des Syrers voller Hürden

Willensstark: Trotz der anfänglichen Probleme mit der Sprache hat Kanaan Jallouf seine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. Der 30-Jährige hat noch weitere Pläne. | © Ilja Regier

Ilja Regier
31.08.2019 | 04.09.2019, 10:42

Hiddenhausen. Rouladen sind das Lieblingsgericht von Kanaan Jallouf. Da muss der 30-Jährige gar nicht lange überlegen. Die Antwort auf die Frage, welches Essen er am liebsten mag, schießt sofort aus ihm heraus. Und das hat einen Grund: Rouladen bereitete der Syrer bei der praktischen Prüfung zum Koch zu. Sie gelangen ihm so gut, dass er die Ausbildung damit in diesem Sommer bestanden hat. Inzwischen darf Jallouf sich Geselle nennen, doch der Weg dahin war voller Hürden, die er zunächst beseitigen musste.

„Ja, ich bin stolz auf mich", gibt Jallouf zu. Im Gespräch hört er genau hin, lacht viel – über sich selbst und über das, was er alles erlebt hat. Der 30-Jährige hat einen treuen Begleiter dabei – einen Rucksack in Orange. Für ihn stellt die Tasche eine Art Symbol dar: „Ich nehme sie seit dem Beginn meiner Ausbildung überall mit hin." Aus dem Gefährten zieht Jallouf eine Mappe heraus, öffnet sie und zeigt die Urkunde der Industrie- und Handelskammer. Das ist die Trophäe, die ihn viel Schweiß und Arbeit gekostet hat.

„Ich wollte nie zu Hause herumsitzen"

Mit seinem Werdegang verkörpert Jallouf eine Erfolgsgeschichte, die zeigt, wie Integration gelingen kann. Jallouf ist, wie Jörg Luttmann, Leiter des Ordnungsamts, berichtet, der erste Flüchtling aus der Gemeinde Hiddenhausen, der im Zuge des Stroms 2015 in Europa landete und der jetzt eine dreijährige Ausbildung beendet. Jallouf weiß, dass viele helfende Hände zu seinem Erfolg beigetragen haben. Genauso weiß er, dass er die Ausbildung im Hotel Freihof ohne den eigenen Willen und die Motivation niemals abgeschlossen hätte. „Ich wollte nie zu Hause herumsitzen, das langweilt mich", sagt Jallouf.

Doch im ersten Jahr in der Berufsschule kämpfte Jallouf noch mit der Sprache. Der 30-Jährige erinnert sich: „Ich saß stumm im Raum und sagte nichts." Auch im Betrieb musste er mehrmals nachfragen, was genau er mit dem Kochlöffel anstellen soll. Mit den Fachausdrücken konnte er nichts anfangen, zudem lernte der Syrier eine neue Essenskultur kennen, die sich komplett von der arabischen Küche unterscheidet. „Das war schwierig", blickt Jallouf zurück. Als Christ schreckte er zumindest vor dem Kontakt zum Schweinefleisch nicht zurück. „Ich schmecke auch die mit Wein zubereiteten Soßen ab – kein Problem."

Schritt für Schritt näherte sich Jallouf seinem Ziel und ließ sich nicht unterkriegen, als er durch die Zwischenprüfung rasselte. „Du schaffst das", sprach ihm seine Klassenlehrerin immer wieder gut zu. Die alles entscheidenden Prüfungen bestand Jallouf – im Gegensatz zu seinen beiden Kollegen, die deutsche Staatsbürger sind. Da er die Ausbildung erfolgreich abschloss, hat er eine Bleibeperspektive. Inzwischen arbeitet er in der Herforder Wirtschaft als Koch und fühlt sich dort wohl.

Neues Dilemma erwartet den Koch

Bevor Jallouf in Deutschland lernt, wie man den Müll trennt, führt ihn seine Reise vor allem durch Europas Osten. Wie viele junge Syrer weigert er sich, den verpflichteten Militärdienst anzutreten. „Ich wollte niemanden mit der Waffe töten oder bedrohen”, erinnert er sich. Er stammt aus der Region rund um Idlib, wo der Krieg in der Rebellen-Hochburg mittlerweile wieder ausgebrochen ist. In Aleppo studiert Jallouf Archäologie. Weil seine Familie katholisch ist, stellte außerdem ihr Glaube wegen der Terrormiliz IS eine Gefahr dar.

In Absprache mit seinen Eltern wählt er eine vergleichsweise sichere Route und entscheidet sich gegen die Alternative mit den illegalen Schleusern. Vom Libanon fliegt er nach Russland und bleibt zunächst in Moskau. Im Anschluss reist er über Weißrussland nach Polen ein und verbringt dort einige Zeit in Warschau. Er arbeitet jeden Tag zwölf Stunden in einem arabischen Imbiss und bekommt dafür 30 Euro am Tag. Solange, bis er feststellt, dass „die mich ausnutzen". In Polen fühlt er sich alleingelassen, ihn zieht es nach Deutschland, wo er der Gemeinde Hiddenhausen zugewiesen wird.

Inzwischen lebt er alleine in einer Wohnung, Hilfe vom Staat oder der Kommune erhält er keine mehr. Auch sein Bruder wohnt mit der Familie in Hiddenhausen. Zu seinen Eltern in Syrien hält er Kontakt über WhatsApp, auch in Schweden hat er Verwandte. Bald will er sich ein Auto kaufen, den deutschen Führerschein besitzt er bereits. Welche Ziele hat er sonst noch? „Ich will mich weiter selbst versorgen und ein gutes Leben haben", sagt er. Zudem möchte er eine weitere Sprache lernen. Denn Jallouf steckt zurzeit in einem neuen Dilemma. Sein neuer Chef spricht mit bayerischem Dialekt. „Wieder verstehe ich nichts", sagt der 30-Jährige. Ganz wie am Anfang. Aber auch mit dieser kleinen Hürde wird Jallouf bestimmt locker fertig werden.