Von Herford zurück nach Syrien? Syrische Stimmen über ein Leben nach Assad

Herford. Es duftet verführerisch in dem Laden &bdquo;Adam Sweets“ von Reyad Mokber am Gänsemarkt. Der 45-jährige Syrer bietet hier seit Juni arabische Süßspeisen an. Und natürlich verfolgt Mokber, wie die gesamte syrische Community in der Werrestadt, sehr genau, was in ihrem Heimatland nach dem Sturz des Diktators Baschar al-Assad politisch vor sich geht. &bdquo;Assad ist weg“, sagt Mokber. &bdquo;Ich sehe es so, dass das sehr gut ist“, fügt er hinzu. Aber gleichzeitig ist der verheiratete Vater von vier Kindern auch nachdenklich. &bdquo;Nach 13 Jahren Krieg ist viel kaputt gegangen“, beschreibt Mokber die derzeitige Lage in Syrien. Es sei im Moment noch zu früh, um sagen zu können, wie genau es nach dem Sturz Assads weitergehe. &bdquo;Wir hoffen, dass ein guter Präsident kommt.“ Die Menschen im Land &bdquo;sind wirklich müde“, sagt Mokber, der aktuell per WhatsApp Kontakt zu seinen Eltern und Geschwistern hält, die in seinem Geburtsort Daraa leben. Die knapp 100.000 Einwohner zählende Stadt im Süden Syriens unweit der jordanischen Grenze gilt als strategisch bedeutsam und ist Hauptstadt des gleichnamigen Gouvernements. Er hoffe, dass der Übergang zu demokratischen Verhältnissen und einem funktionierenden Rechtsstaat nicht lange dauere, sagt Mokber im Gespräch mit der Neuen Westfälischen. Hintergrund: Umbruch in Syrien - Was der Sturz Assads bedeutet Syrien-Rückkehr von heute auf morgen nicht möglich Was die Menschen im Moment ganz besonders bewege, ist die Tatsache, dass der Wert der syrischen Lira jüngst massiv an Wert zugelegt habe. &bdquo;Alle reden über das Thema“, sagt Mokber. Denn diese Entwicklung verteuert natürlich die Lebenshaltungskosten für die Menschen im Land enorm. Seit neun Jahren ist Mokber in Deutschland und hat sich hier mit der Selbstständigkeit eine berufliche Existenz aufgebaut. Seine Kinder, drei Mädchen und ein Junge im Alter zwischen drei und vierzehn Jahren, gehen hier zur Schule. &bdquo;Man kann nicht sofort entscheiden, ob man mit seiner Familie zurückgeht“, sagt Mokber auf eine entsprechende Debatte in der deutschen Politik angesprochen. So hatte Jens Spahn, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, vorgeschlagen, rückkehrwilligen Syrern ein Startgeld von 1.000 Euro pro Kopf zu geben und ihnen zudem einen Charterflug in die Heimat zu finanzieren. &bdquo;Ich suche eine gute Zukunft für meine Kinder“, entgegnet Mokber. Doch diese würden in seinem Heimatland &bdquo;von Null starten“, so der 45-Jährige. Seine Kinder könnten kein Arabisch und müssten die Schullaufbahn praktisch noch einmal wiederholen, so Mokber. Seine älteste Tochter habe den Wunsch geäußert, Ärztin zu werden. &bdquo;Die Zukunft meiner Tochter ist hier.“ Syrer ist Assistenzarzt bei den Kreiskliniken Herford-Bünde Auch er selbst könne nicht einfach morgen den Laden zumachen und zurückkehren. Er habe viele deutsche Kunden, die ihm mit seinem Geschäft viel Erfolg wünschten. Man merkt: Dies alles ist ein Herzensprojekt von Reyad Mokber. Mohamad Haidar ist bereits in dem Beruf angekommen, den Mokbers älteste Tochter vielleicht einmal ergreifen möchte. Der 34-jährige Syrer ist Assistenzarzt in der Kardiologie des Kreisklinikums Herford-Bünde. &bdquo;Wesentlich besser als vorher“ sei die Situation in seiner Heimat nach dem Sturz Assads. Die Menschen dort hätten nun &bdquo;keine Angst“ mehr, sagt Haidar im Gespräch. Allerdings sei die Situation im Land nun &bdquo;komplett neu“. Die Polizei, die Armee und die Geheimpolizei seien das Problem in Syrien gewesen, berichtet Haidar. &bdquo;Sie haben die Diktatur unterstützt.“ Selbst Kinder seien in der Zeit der Assad-Diktatur in Gefängnisse gekommen, berichtet der Assistenzarzt, der zuletzt im Jahr 2012 in Syrien gewesen ist. &bdquo;Eine schlimmere Situation als vorher kann es nicht geben“, fasst Haidar zusammen. Mehr zum Thema: Bundesamt stoppt Asyl-Entscheidungen von Syrern Lage in Syrien bleibt komplex Der 34-Jährige begann sein Medizinstudium in Homs (Syrien) und schloss es in Ägypten ab. Dann ging es für ihn nach Dubai, weil dort seine Eltern bereits arbeiteten. &bdquo;Ich bin mit einem Visum von Dubai gekommen.“ Heute lebt Haidar mit seiner Frau und zwei Kindern in Bünde und arbeitet im Kreisklinikum am Standort Herford. Zwar sei die Idee, in die Heimat zurückzukehren, durchaus da. Doch: &bdquo;Ich muss meine Weiterbildung machen als Facharzt“, sagt der Mediziner. Er ist derzeit grundsätzlich davon überzeugt, dass es in Syrien einen Neustart geben könne. Die Lage in Syrien sei komplex, sagt Bürgermeister Tim Kähler. &bdquo;Dass die Diktatur beendet ist, kann eine Chance sein. Ob es eine Chance wird, wird man abwarten müssen.“ Es müsse sich nun zeigen, wie sich das politische System in dem Land manifestiere. &bdquo;Stabilität ist nötig“, so Kähler. Die Heterogenität in der syrischen Gesellschaft, was Religionszugehörigkeiten und Ethnien angehe, bleibe erhalten. Man müsse schauen, dass sich Syrien zu einem säkularen Rechtsstaat entwickeln könne. Diesen Prozess müsse Deutschland unterstützen. 533 Menschen aus Syrien leben in Herford Die Politik in Deutschland sei gut beraten, nicht den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen, so der Bürgermeister. Es müsse zunächst einmal Voraussetzungen für eine Rückkehr von Syrern aus Deutschland in ihre Heimat geben. Derzeit leben 533 Menschen aus Syrien in Herford. Zum Vorschlag Spahns sagt Kähler: &bdquo;Ich kann mir nicht vorstellen, dass Herr Spahn eine klare Nachrichtenlage hat.“ Wenn es nicht gelinge, die unterschiedlichen Religionen und Interessengruppen in Syrien zu vereinen, &bdquo;geht der Konflikt weiter“.

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