Herforder Superintendent: Können Glaube und Weihnachtsbotschaft noch Kraft schenken?

Herr Reinmuth, wenige Tage vor Weihnachten erschüttert der Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg die Menschen in Deutschland. Es gibt mindestens fünf Todesopfer und mehr als 200 Verletzte. Wie können wir mit dieser Tat umgehen? Ich bin selbst erschüttert und sehr bewegt angesichts der vielen Toten und Verletzten durch die Tat von Magdeburg. Zugleich habe ich mich aber auch gefreut über die schnellen, bedachten Reaktionen, die es auch im Kreis Herford gegeben hat. Die Weihnachtsbotschaft heißt: Fürchtet euch nicht. Das bedeutet vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse: Angst, Sorge und Panik kann nicht weggenommen werden. In solchen Situationen können aber Gedenkveranstaltungen wie auf dem Rathausplatz in Herford die Trauer aufnehmen. Denn zu Weihnachten erwarten wir ja alle etwas Schönes, doch die Tat von Magdeburg hat die Gesellschaft ins Herz getroffen. Doch so groß die Trauer auch ist: Bei der Bewertung der Ereignisse muss man sachlich bleiben, bevor schnelle Urteile kommen. Mehr zum Thema: Täter von Magdeburg war lange bekannt Weihnachten ist das Fest der Freude über die Geburt Jesu. Doch vielen Menschen ist wegen ganz unterschiedlicher Herausforderungen nicht nach Feiern zumute. Was sagen Sie Ihnen? Dass Weihnachten in der Lage ist, ein Gegenbild zu erzeugen: Die Dunkelheit wird durchbrochen. Das vergessen wir, wenn wir denken, Weihnachten wäre eine Steigerung des Glücks. Das Kind ist im Stall geboren, ein Engel sagt: &bdquo;Fürchtet euch nicht“. Das sagt er, weil Furcht da ist, etwa vor Kriegen oder der persönlichen Zerrissenheit. Man ist in schwierigen Umständen, aber man verzweifelt nicht. Kann die Weihnachtsbotschaft auch Menschen etwas Positives vermitteln, die nicht Mitglied einer christlichen Kirche sind? Es gibt eine Fülle von Brauchtum, das sich vom Christlichen löst. Es ist eine musikalische Zeit von Tochter Zion bis Rolf Zuckowski. Ich kann durch das Kerzenanzünden zur Ruhe kommen. Ich kann mich auf den Münsterkirchplatz stellen und mich nett mit anderen Menschen unterhalten. Baum aufstellen geht auch für Menschen, die nicht gläubig sind. Ich habe sehr viel Sympathie dafür, das offen zu verstehen. Nicht wenige Menschen sagen, wie kann Gott es zulassen, dass immer wieder Kriege in der Welt aufflammen, wie derzeit in der Ukraine oder im Nahen Osten. Eine berechtigte Frage? Die Frage ist berechtigt, weil wir sagen, dass Gott Herr über Leben und Tod ist. Aber er macht das nicht durch äußeren Eingriff. Gott kommt Weihnachten als Kind auf die Welt und will in dieser Gestalt Anregungen geben. Aggressive und böse Anteile gibt es auch. Und sie finden sich auch in der Bibel wieder. Gott lässt uns die Freiheit, auch schwierige Sachen zu machen. Die Nähe Gottes muss zum zündenden Funken führen. Aber dies führt nicht automatisch zu Frieden in der Ukraine oder Israel. Die Menschen haben auch aus einem anderen Grund Zukunftsangst. Die Wirtschaft in Deutschland läuft nicht rund, in der Politik ist gerade eine Hängepartie nach dem Zerplatzen der Ampelkoalition. Kann Weihnachten auch in solch einer Situation Kraft und Zuversicht geben? Ja, weil die Kraft von innen kommt und nicht darauf angelegt ist, dass alles in Ordnung ist. Ich kann auch Kraft finden, indem ich über jemanden trauere, der gestorben ist. Glaubensdinge zünden innen. Ich kann mich dann auf die Krise einstellen und versuchen, mit anderen etwas zu tun. Wirtschaft braucht das Vertrauen, dass es auch wieder besser werden könnte. Ein Glaube an die bessere Zukunft, wenn es ein Zutrauen gibt, dass es eine Möglichkeit zur Besserung gibt. Auch weltpolitisch ist die Lage sehr instabil. Die USA stehen vor einem Wechsel zum Präsidenten Donald Trump. Kann die Weihnachtsbotschaft in dieser Situation Kraft vermitteln, nicht zu verzweifeln? Es heißt ja: Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens. Man sollte bei der Überzeugung bleiben, dass Frieden und respektvollerer Umgang die bessere Möglichkeit ist. Ich habe die Vorstellung, dass Menschen friedlich zusammenleben können müssten. Man muss versuchen, diese Vorstellung in der Politik und der Zivilgesellschaft deutlich zu machen. Dazu braucht man viel Empathie für andere. Wenn ich nicht religiös wäre, würde ich es gut finden, wenigstens humanistisch eingestellt zu sein. Gerade alleinstehende Menschen sind von den Sorgen und Nöten in der Welt seelisch besonders betroffen, da ihnen nicht selten Ansprechpartner fehlen. Was können wir da tun? Einsamkeit ist ein Thema, weil Weihnachten viele auf die Familie setzen. Wir haben als Pfarrfamilie viel davon profitiert, dass wir an Weihnachten viel in Gottesdiensten im Einsatz waren und sind. Man muss vorsichtig sein mit Idealen, die man nicht halten kann. Wenn ich alleine feiern müsste, würde ich mir ein schönes Buch holen und lesen. Und ich könnte mir vorstellen, dass ich damit auch glücklich wäre. Familie ist schön, wenn es gut ist. Weihnachten ist schon an manchen Punkten kritisch, wenn es zu viel Idylle aufbaut, die man nicht halten kann. Essen, Zusammensein, Gottesdienst und der Spaziergang – das kann alles zusammen etwas viel sein. Lesen Sie auch: Hilfe für Einsame an Weihnachten Ist das Ehrenamt ein Weg, um mehr sozialen Zusammenhalt zu entwickeln? Ja, das Ehrenamt ist auch ein Schatz. Bei uns heißt das Empowerment, also in etwa Rückgewinnung von Stärke. Viele Seelsorgekurse finden hier statt. Es gibt klinische Seelsorgeausbildung für Altenheime und das Ehrenamt. Wir haben auch etwa 30 Prädikanten, die eigene Gottesdienste machen dürfen. Lebenserfahrung fließt hier ein, das ist wunderbar. Das ist etwas, was für uns ganz wichtig ist. Denn man arbeitet am Zusammenhalt. Zum Beispiel beim Leiten von Freizeiten oder im Presbyterium. Es gibt viele Felder, wo man sich etwas raussuchen kann. Zum Beispiel in der Sterbebegleitung. Wie sehen Sie die gesellschaftliche Stimmung im Kreis Herford in diesen weihnachtlichen Tagen, was berichten Ihre Gemeinden? Ich bin im Grunde optimistisch. Mein Auge ist gerichtet auf positive Veränderungsmöglichkeiten. Mir ist klar, dass damit viele auch Probleme haben. Transformation und Arbeitsteilung ist gerade bei uns ein großes Thema. Ich versuche, da weiterzukommen und positive Beispiele weiterzutragen. Ich bin nicht auf eine pessimistische Grundstimmung ausgerichtet. Das überrascht mich selber. Aber Veränderungen brauchen positive Ziele. Die wirtschaftliche Lage ist schwierig, die Diskussionsart angespannt. Ich versuche, für mich das Positive nach vorne zu stellen. Wie feiern Sie persönlich Weihnachten? Bei uns ist das Weihnachtsfest durchsetzt mit Gottesdiensten. Die Kinder schmücken den Baum. Wir packen die Geschenke ein. Meine Frau hat zwei Gottesdienste nachmittags an Heiligabend. Ich habe um 23 Uhr Gottesdienst in der Münsterkirche. Dazwischen essen wir festlich. Am 1. Feiertag sind wir mit Gottesdiensten weniger beschäftigt, zwischendurch gibt es auch Ruhepunkte. Am 2. Feiertag fahren wir zu meinen Schwiegereltern. Überblick: Weihnachtsgottesdienste in Herford und Vlotho

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