
Kreis Herford. Die Advents- und Weihnachtszeit ist ohne die zahlreichen Chor-Auftritte dieses Jahr eine deutlich stillere. Das finden diejenigen schade, die den Chören gerne zugehört hätten, aber auch den Chor-Mitgliedern selbst wird ohne das gemeinsame Proben und Singen sicher etwas fehlen. Umso schöner, dass zu jedem Advents-Sonntag nun ein Chor auf die Beine gestellt wird, der ein Infektionsrisiko mit Corona ausschließt.
„Chöre können sich derzeit nicht treffen, das ist auch nicht sinnvoll, aber das Bedürfnis zu singen ist ja trotzdem da. Und dieses Mal können alle mitmachen, die Lust haben", erklärt Eva Schöll, die zusammen mit den Geschwistern Jonathan und Merle Dräger die Idee zu einem digital vereinten Chor hatte. Das Projekt wird finanziell von der Arbeitsgemeinschaft Musik – Szene – Spiel in OWL durch Mittel des Landes NRW unterstützt.

Das Einsingen gelingt dank Gesangsaufnahmen
Doch wie bildet sich so ein digitaler Chor? Nachdem man sich über die E-Mail-Adresse sing-mit@posteo.de mit Name, Adresse und Alter angemeldet hat, erhält man im Gegenzug Noten und eigens für das Projekt eingesungene Einzelstimmen. Für Bass und Tenor hat Jonathan Dräger die Stimmen eingesungen, den Sopran und Alt seine Schwester Merle Dräger. Aus den Audios sucht man sich seine Stimme heraus und fängt an zu proben. „Ich hoffe, dass die Vorlagen gut nachsingbar sind", sagt Jonathan Dräger. Bei der Aufnahme seiner Stimme habe er darauf geachtet, möglichst exakt im Rhythmus und im Metrum zu sein, „weil das ja die Grundlager aller Stimmen sein wird".
Nachdem sich die Mitglieder des digitalen Chors in ihrer Stimme eingesungen haben, folgt die Aufnahme. „Dafür braucht man nur ein Smartphone. Damit alle in ihrer Stimme singen, die gleiche Tonhöhe halten und im selben Tempo singen, ist es sinnvoll, parallel die Audiodatei über Kopfhörer zu hören. Dafür ist eventuell ein zweites Gerät notwendig", sagt Schöll.
Mit einem Trick zum synchronen Chorgesang
Das Handy sollte nicht zu weit vom Mund gehalten werden, aber auch nicht ganz nah am Mund, „das sollte man vorab einmal kurz testen, wie es sich am besten anhört", sagt Schöll. Und auch Hintergrundgeräusche sollten möglichst vermieden werden, „wie der bellende Hund oder das Summen des Kühlschranks." Steht die Aufnahme, können die teilnehmenden Sänger ihre einzelne Stimme an die bekannte Mail zurückschicken. Schöll schneidet die Stimmen am Sonntagabend an ihrem Computer zusammen, sodass aus den vielen Einzelstimmen ein voller Chorgesang wird – eben digital vereint.
Damit alle Chorstimmen gleichzeitig anfangen sorgt dieses Mal nicht der Chorleiter, sondern bedeutet für Schöll „ein wenig Fummelarbeit". Doch sie hat einen Trick: „Ich zoome weit in die Audiospuren und suche mir im Lied einen prägnanten Konsonanten. Weil das ein kurzer Laut ist, kann man die Stimmen präzise übereinanderlegen, sodass die Synchronität passt", sagt Schöll. Es ginge bei dem Projekt darum, das Beste aus der aktuellen Situation zu machen. „Alles, was zu einer glücklicheren Stimmung und schönen Stunden in dieser Adventszeit führt, kann uns allen nur recht sein. Und so hat man den einen oder anderen Abend etwas Schönes vor", sagt Schöll.
Zum zweiten Advent einen afrikanischen Gospel
Zum ersten Advent haben bereits knapp 50 Sängerinnen und Sänger mitgemacht. Gestartet wurde mit „Ehre sei Gott in der Höhe" von Friedrich Silcher in Kombination mit dem Choral „Wie soll ich dich empfangen".
Zum zweiten Advent singt der digitale Chor den afrikanischen Gospel „Akekho ofana noJesu", zu dem Jonathan Dräger einen Satz selbst dazugeschrieben hat. Interessierte Sänger können noch einmal mitmachen oder jede Woche neu dazustoßen, Einsendeschluss für die aufgenommene Einzelstimme ist immer jeweils der Sonntag. An jedem Advent wird der digitale Chorauftritt dann mit allen Stimmen an die Teilnehmer geschickt, die – wo immer und wann immer sie wollten – mit ihrem digitalen Chor singen könnten. „Wir hoffen, dass das für Sänger und Mitglieder aus Kirchen-Chören eine gute Möglichkeit ist, weiter singen zu können", sagt Dräger.