
Gütersloh. Ganz unbefangen wirken die drei nebeinander sitzenden Nackedeis. Die Mittlere deutet mit dem Finger keck auf eine Stelle des Blatt Papiers, das sie in der anderen Hand hält.
Die Nachbarin zur Rechten wirft einen interessierten Blick darauf, die zur Linken wendet sich entrüstet ab. Was mögen die drei jungen Damen wohl Interessantes lesen?
Der Titel des Figurenensembles gibt Antwort. „Der Liebesbrief“ heißt die Bronzeplastik, die der Osnabrücker Künster Hans Gerd Ruwe (1926-1995) geschaffen hat. Sie wurde 1982 passenderweise vor dem Gütersloher Postamt an der Kaiserstraße installiert. Doch vor anderthalb Jahren wurde das Gebäude von der Post aufgegeben und wird seitdem nicht schöner.
Sorge bei einigen Güterslohern: „Jetzt geraten die Mädels völlig in Vergessenheit“
Diese Entwicklung bereitet der NW-Leserin Uta Kratzsch Sorgen. „Wahrscheinlich schon damals in der Regel sowieso nur von den Postkunden bemerkt, geraten die drei Mädels jetzt völlig in Vergessenheit“, ist ihre Befürchtung.
„Das finde ich persönlich sehr schade, da Kunst im Stadtraum einen positiven Beitrag zur Gestaltung der Umgebung leistet und gerade Skulpturen den Menschen die Möglichkeit gibt, in der Begegnung ihren Alltagstrott zu unterbrechen und sich inspirieren zu lassen.“
Die Sorge ist nicht unbegründet. Zwar herrscht im Moment offenbar Stillstand, wie, wann und von wem das Postgelände neugestaltet wird. Die Stadt und der Geländeeigentümer Hagedorn haben sich bislang noch nicht auf eine Strategie einigen können.
Gefahr von Sachbeschädigung droht
Doch irgendwann müssen die drei Damen von der Post wohl oder übel der neuen Entwicklung weichen. Das ist auch dem städtischen Fachbereich Kultur klar.
„Hier sollte dringend über eine Umbesetzung nachgedacht werden“, schreibt Fachbereichsleiterin Lena Jeckel Nachfrage. Auch, weil eine „große Gefahr von Sachbeschädigung“ drohe.
„Eine konkrete Planung für eine Umstellung ist jedoch noch nicht erarbeitet worden, wird aber Thema bei der nächsten Kommission für Kunst im öffentlichen Raum/Kunst am Bau sein“, so Jeckel. Denkbar sei ein Aufstellungsort beispielsweise auf der Liebesinsel an der Dalke. „Eine sorgfältige Prüfung und Abwägung müsste dieser Entscheidung jedoch vorausgehen.“
Skulptur in Gütersloh plötzlich verschwunden
Noch düsterer ist es um die Plastik „Aufbruch“ bestellt. Der 2004 gestorbene Verler Künstler Heiner Ameling hatte sie 2002 der Stadt geschenkt. Bis 2021 stand sie auf einem Sockel im Riegerpark. Doch dann wurde sie gestohlen. Ihr Verbleib ist seitdem ungeklärt „und lässt sich vermutlich nicht mehr ermitteln“, wie die Fachbereichsleiterin befürchtet.
Ein anonymer Stifter hatte sich bereit erklärt, für einen gleichwertigen Ersatz zu sorgen. Daraufhin hatte der Kulturausschuss im September 2022 die Empfehlung ausgesprochen, „im Falle eines positiven Rechercheergebnisses zu einer neuen Ameling-Skulptur diese im Riegerpark aufzustellen“.
Leider sei der Versuch, Kontakt zu den Erben herzustellen bisher ergebnislos geblieben, teilt Lena Jeckel mit.
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Wo ist „Die Fußwaschende“?
„Denkbar wäre nun, das Werk eines anderen Künstlers oder einer anderen Künstlerin auf dem noch bestehenden Sandsteinsockel zu errichten, entweder mit finanzieller Unterstützung durch eine Spende oder aus Eigenmitteln der Stadt“, heißt es weiter.
„Zu diesem Zweck werden nun Gespräche in unterschiedliche Richtungen ergebnisoffen geführt und Alternativen sorgfältig geprüft. Das Thema soll beim nächsten Termin der Kommission für Kunst beraten werden.“
Die Zukunft einer weiteren Bronzeplastik ist eigentlich seit März vergangenen Jahres geklärt, ein neuer Standort gefunden. Doch bislang ist „Die Fußwaschende“ des Bielefelder Bildhauers Herbert Volwahsen noch nicht am Gütersloher Stadtmuseum in der Kökerstraße, aufgetaucht.
Tatsächlich scheint sich jetzt etwas zu tun
Bei der grazilen Figur, die Anfang der 60er Jahre auf dem Brunnenhof des Städtischen Gymnasiums und seit 1984 in einer Hinterhof-Situation in der Spiekergasse stand, war ein Knöchel lädiert. Deshalb wurde sie 2022 abgebaut und zur Reparatur gegeben. Diese ist mittlerweile erfolgt. Ursprünglich sollte sie an gleicher Adresse, wenn auch prominenter, wieder aufgestellt werden. Doch dann kam der neue Standort ins Spiel.
Die „Kommission für Kunst im öffentlichen Raum und Kunst und Bauprojekt“ hatte den Durchgang zwischen Kökerstraße und Kolbeplatz vorgeschlagen, da er eine Nähe zu anderen bekannten Kunstwerken und der Galerie „Siedenhans und Simon“ aufweise und somit zu einer Verdichtung von Kunst im öffentlichen Raum beitrage.
Und tatsächlich scheint sich jetzt etwas zu tun. Laut Jeckel haben die Arbeiten als Vorbereitung für die Aufstellung der „Fußwaschenden“ in der vergangenen Woche begonnen. Für diesen ersten Schritt müssen die bisherigen Beete abgebrochen und neu angelegt werden, wobei das Material wiederverwendet werden kann. Im nächsten Schritt wird der kubusförmige Natursteinsockel (Seitenlänge 60 Zentimer) in das linke Beet gesetzt, so Jeckel. „Anschließend kann die derzeit eingelagerte Figur an ihrem neuen Standort montiert werden.“
„Jumelage“ steht seit Ende 2022 im Foyer des neuen Rathauses III
„Voraussichtlicher Zeitraum für die Aufstellung ist das Frühjahr“, so Lena Jeckel. „Der genaue Termin werde rechtzeitig bekannt gegeben.“ Zudem kündigt die Fachbereichsleiterin als letzten Schritt die Aufstellung einer Bank als Gelegenheit zum Verweilen an.
„Diese ist noch in Planung und wird vermutlich erst nach Abschluss der Maßnahme realisiert. Witterungsbedingt kam es zu Planungsverzögerungen.“
Die westfälische Witterung war auch der Grund, warum die Marmorskulptur „Jumelage“ („Städtepartnerschaft“) des bolivianischen Künstlers Jorge Carrasco (1919-2006) von ihrem Platz an der Stadthalle weichen musste. 1977 von Gütersloh französischer Partnerstadt Châteauroux geschenkt, musste sie vor etwa zwei Jahren abgebaut werden, da Marmor abzuplatzen drohte. Seit Ende 2022 steht sie unter Dach und Fach im Foyer des neuen Rathaus III. Da können die drei Liebesbrief-Leserinnen nur neidisch staunen.