Ärger um den neuen Gütersloh-Song: Vorwürfe gegen Stadt und anonymen Rapper

Gütersloh. &bdquo;Anfängliche Überraschung, dann Ärger und schließlich Traurigkeit“, so habe er reagiert, als er die Berichte zur neuen Gütersloh-Hymne in der &bdquo;NW“ las, berichtet Volker Schiewer der Redaktion. Der Gütersloher und seine Tochter Sarah gehören zu den 14 Künstlern, die sich am Wettbewerb der Stadt für einen Song zum Stadtjubiläum beteiligt haben. Dass die Stadt nun mit der &bdquo;Gütersloh-Hymne“ des anonymen Künstlers &bdquo;B 61“ einen Song ausgezeichnet hat, der mit Künstlicher Intelligenz (KI) erstellt worden ist, sorgt nicht nur bei ihm für Verdruss. Auch andere Bewerber beschwerten sich darüber bei der &bdquo;NW“-Redaktion. Sonja Schürmann, die zusammen mit Erik Vandevelde den Song &bdquo;Gütersloh ich lieb dich so“ eingereicht hatte, findet es &bdquo;bedenklich“, dass der Einsatz von KI nicht klar kommuniziert worden sei. &bdquo;Eine klare Kennzeichnung wäre sinnvoll und fair gewesen, um Transparenz gegenüber den Mitbewerbern und der Jury zu gewährleisten. Insbesondere bei Wettbewerben, die sich auf die menschliche Kreativität und künstlerische Leistung konzentrieren, wirft der Einsatz von KI ohne klare Angabe ethische Fragen auf.“ Schürmann äußert sich auch dazu, dass man mit KI auf den gesamten Musikbestand zugreifen kann, der im Netz verfügbar ist: &bdquo;Mit einer KI hätte theoretisch jeder einen Song generieren können, ohne musikalisches Können oder Kreativität. Das stellt nicht nur die Wettbewerbskriterien infrage, sondern auch, ob die Rechte am Song eindeutig geklärt sind.“ KI-Nutzung: Inwieweit sind bestehende Werke erkennbar? Zur Rechtefrage bei KI hat sich auch das Bundesjustizministerium Gedanken gemacht, und zwar in zweifacher Hinsicht. Einmal geht es um die Verwendung eventuell geschützten Materials. Zum anderem um die Frage, ob KI-generierte Inhalte selbst Urheberrecht beanspruchen können. Die erste Frage beurteilt das Ministerium wie folgt: &bdquo;Bei der Nutzung des KI-generierten Ergebnisses ist zu prüfen, ob und inwieweit vorbestehende Werke darin erkennbar sind.“ Seien die Werke im KI-generierten Inhalt nicht mehr erkennbar, können dieser frei verwendet werden. Zur Frage zwei heißt es: &bdquo;Geschützte Werke im Sinne des Urheberrechtsgesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen eines Menschen. Rein KI-basierte Inhalte genießen daher keinen urheberrechtlichen Schutz, da sich die Arbeitsweise der KI der Kontrolle des Nutzers entzieht.“ Was aus den Angaben des Justizministeriums nicht klar wird: Wie bewertet man den Einfluss von KI beim Erstellen von Inhalten. Eine Frage, die sich auch Volker Schiewer stellt. Er findet: &bdquo;Das muss von der jeweils bewertenden Instanz selber erarbeitet werden. Völliges Neuland? Ja sicher das, aber sonst werden Äpfel mit Birnen verglichen, und genau das ist hier geschehen.“ Gütersloher Musikerin nutzt selbst Künstliche Intelligenz Für Sonja Schürmann ist die Sache klar: &bdquo;Ein KI-Song wird niemals die gleiche Persönlichkeit oder Verbindung zu einem Publikum schaffen können, geschweige denn auf einem Stadtfest live gespielt werden. Das ist nicht nur unpersönlich, sondern auch ein Schlag ins Gesicht für alle, die mit viel Zeit, Herzblut und Liebe zur Musik authentische Werke schaffen.“ Lena Jeckel findet nicht, dass der Ärger um die &bdquo;Gütersloh-Hymne“ der Sache Schaden zugefügt hat. Die Leiterin des Fachbereichs Kultur begrüßt vielmehr, &bdquo;dass zu dem Thema KI eine Diskussion in Gang gesetzt wurde“. KI werde schon seit Jahren in allen Bereichen der Kultur eingesetzt. Jeckel: &bdquo;Der Einsatz von KI ist für uns schon eine solche Selbstverständlichkeit, dass wir es in der Auslobung nicht extra erwähnt hatten.“ Der Musikrechteverwerter GEMA weise bereits 35 Prozent der Inhalte als mit KI generiert aus. Jeckel: &bdquo;Insofern irritiert mich die Reaktion der Künstler schon ein bisschen.“ Jeckel gibt zu, dass auch sie als Musikerin KI nutze. &bdquo;Das gehört als Werkzeug einfach schon ganz selbstverständlich dazu, um einen Text abzurunden oder Noten geradezurücken.“ &bdquo;B61“ sagt, er habe Musik nur als Werkzeug eingesetzt Die GEMA hat allerdings gerade Klage gegen das US-amerikanische Unternehmen Suno eingereicht. Sie wirft dem Unternehmen vor, geschützte Aufnahmen weltbekannter Songs verarbeitet zu haben. Diese habe Suno &bdquo;systematisch für das Training ihres Musiktools genutzt hat und dieses nun kommerziell verwertet, ohne die Urheberinnen und Urheber der Werke finanziell zu beteiligen“, wie &bdquo;dpa“ mitteilt. Demnach bietet Suno ein KI-Tool an, mit dem sich mit Hilfe einfacher Angaben (Prompts) Musikstücke erstellen lassen. Laut Gema kommen dabei aber Ergebnisse heraus, die &bdquo;in Melodie, Harmonie und Rhythmus weitgehend mit weltbekannten Werken“ übereinstimmen. Die Gema leitet daraus ab, dass Suno &bdquo;das Repertoire der GEMA systematisch für das Training ihres Musiktools genutzt hat und dieses nun kommerziell verwertet, ohne die Urheberinnen und Urheber der Werke finanziell zu beteiligen“. Das sagt der anonyme Rapper zur Verteidigung Welches Tool &bdquo;B61“ verwendet hat, ist nicht bekannt. Angesichts der Diskussion hat der unbekannte Künstler noch einmal zur Verteidigung angesetzt. In einer Mitteilung der Stadt äußert er sich ausführlich zu seiner Kompositionsweise. &bdquo;Ich habe bei der Produktion auch moderne Werkzeuge genutzt, darunter KI, aber diese sind genau das: Werkzeuge. Sie ersetzen nicht Kreativität, sondern unterstützen sie. Ich habe der KI nicht nur den Text vorgegeben, sondern auch die gesamte Klangidee.“ Aus seiner Sicht sei es falsch zu glauben, &bdquo;dass es ausreicht ein paar Stichworte in eine KI einzugeben, um aus dem Nichts ein gutes Lied hervorzaubern“. Er habe den Song abschnittsweise erarbeitet und digital aneinandergenäht, weil die KI eine lange Hymne nicht in einem Stück fehlerfrei realisieren könne. &bdquo;Wenn man sich für den kleinteiligen Weg entscheidet, den ich gewählt habe, muss man in Musikgenres trittfest sein.“ Er erinnert daran, dass bereits die Band &bdquo;Depeche Mode“ in den 1980er Jahren ihre Musik rein elektronisch erzeugt habe, was damals auch auf viel Kritik gestoßen sei. &bdquo;Mir war wichtig, dass ich einen Hymnen-Vorschlag einreiche, der einen Professionalisierungsgrad hat, der eines Stadtjubiläums würdig ist. Daher habe ich die Vertonung mithilfe von KI realisiert.“ Lesen Sie auch: Verwirrung um neuen Gütersloh-Song – jetzt äußert sich der anonyme Rapper Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Stadt Gütersloh (@stadtguetersloh) Weitere Gütersloh-Songs im Netz zu finden Die Stadt hat nun vier der 14 eingereichten Songs zusammen mit der &bdquo;Gütersloh-Hymne“ auf die Seite www.200jahreguetersloh.de gestellt, sodass sich jeder sein eigenes Urteil erlauben kann. Neben den Songs von Volker und Sarah Schiewer und Sonja Schürmann und Erik Vandevelde stammen sie von der Gütersloher Indie-Rockband &bdquo;Eject“ (&bdquo;Gütersloh“) und der ebenfalls hier beheimateten Band &bdquo;Echtzeitmodus“ (&bdquo;Wir sind Gütersloh“). Identität des Künstlers ist auch der Stadt Gütersloh nicht bekannt Zuvor mussten alle Interpreten schriftlich versichern, dass die Urheberrechte vollständig bei ihnen liegen. Das konnten laut Jeckel nicht alle versichern, weshalb neun Songs nicht hochgeladen wurden. Volker Schiewer wundert sich: &bdquo;Das musste dann B61 ja wohl auch unterschrieben haben. Seltsam, seltsam: Denn eine KI klaubt sich bekanntlich doch alles von irgendwoher irgendwie zusammen.“ Dass der Künstler anonym bleiben will, findet Lena Jeckel zwar &bdquo;schade, weil ich dachte, er könne auch ein paar Live-Auftritte spielen“. Auch sie wisse nicht, wer sich hinter dem Pseudonym &bdquo;B61“ verberge. Doch das sei in der Rapperszene ja nicht ungewöhnlich, verweist Jeckel dabei auf &bdquo;Cro“, der auch nur mit Maske auftritt. &bdquo;Irgendwie ist es ja auch charmant, dass er sich nicht selbst, sondern den Song im Mittelpunkt stehen will.“ Zweimal habe sie mit &bdquo;B61“ telefoniert, demnächst wolle sie sich mit dem Künstler treffen, um die noch anstehende Videoproduktion zu besprechen. Dem Erfolg des Songs scheint die Anonymität des Künstlers indes nicht im Wege zu stehen. &bdquo;Wir bekommen viel positive Resonanz von Menschen, die den Song abfeiern, ihn in ihre Playlist aufnehmen und ihn auch textlich passend finden.“ Max Oestersötebier hat sich als Jurymitglied geoutet Von den vier Jury-Mitgliedern, die an der Auswahl beteiligt waren, hat sich nur Max Oestersötebier also solcher &bdquo;geoutet“. Die anderen Mitglieder möchte Lena Jeckel nicht ohne deren Zustimmung öffentlich benennen. Für ihn sei der Einsatz von KI kein Problem, sagt der Frontmann der Jazzband &bdquo;The Sazerac Swingers“ auf Nachfrage. Auch er als Jazzmusiker greife auf bestimmte Muster und Formate zurück und erfinde nicht jedesmal gänzlich Neues. Nichts anderes mache auch die KI. Für ihn sei der Einsatz von KI eher ein Pluspunkt gewesen, weil es innovativ sei. Bei allen Jurymitgliedern habe die &bdquo;Gütersloh-Hymne“ die höchste Wertung bekommen. Dass der Künstler &bdquo;B61“ anonym bleiben wolle, stünde zwar eigentlich im Widerspruch zur Teilnahme an einem Wettbewerb, der einen Künstler doch bekannt machen solle. &bdquo;Aber das hat auch schon wieder eine identitätsstiftende Absurdität.“ Und warum hat Oestersötebier, der auch selbst komponiert, nicht am Wettbewerb teilgenommen? &bdquo;Ich war nicht in Hymnenstimmung.“ Eigentlich sei ein Wettbewerb auch gar nicht mehr nötig gewesen, denn eine veritable Gütersloh-Hymne gebe es schon: &bdquo;4830“ von der Gütersloher Punkband &bdquo;Poempl“. Verwechslungsgefahr: &bdquo;B61“ nennt sich auch eine hiesige Jazzband Volker Schiewer zieht aus dem ganzen Verfahren seine Konsequenzen: &bdquo;Ich werde als Musiker beim Kulturamt Gütersloh nichts mehr einreichen, sollte irgendwann noch mal ein Wettbewerb ausgeschrieben werden. Ich bin da ab jetzt raus!“ Kurioser Nebenaspekt: Bei der Findung seines Künstlernamens &bdquo;B61“ hat der anonyme Musiker offenbar keine KI eingesetzt. Sonst hätte er herausgefunden, dass dieser Name schon besetzt ist. Seit 30 Jahren gibt es eine Jazzband, die sich &bdquo;B61“ nennt, weil ihre Mitglieder aus Gütersloh und Bielefeld stammen und die Bundesstraße sie verbindet. Uli Twelker, seit 27 Jahren Drummer der Band, sagt auf Nachfrage der NW, dass ihm die Namensgleichheit auch sofort aufgefallen sei, seine Combo aber nicht hinter dem Song stecke. Der Name sei allerdings auch nicht geschützt. Tut sich da eine weitere Rechtsfrage auf?

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